Sport
Eismeister Zaugg

Der EHC Kloten – ein Dorfverein, frisch gebürstet und gekämmt

Die Spieler von Kloten jubeln mit dem Pokal nach ihrem Sieg im fuenften Eishockey Playoff-Finalspiel der Swiss League zwischen den EHC Kloten und dem EHC Olten am Mittwoch 20. April 2022, in der stimo ...
Die Spieler des EHC Kloten jubeln mit dem Pokal.Bild: keystone
Eismeister Zaugg

Kloten – ein Dorfverein, frisch gebürstet und gekämmt

Kloten ist zurück in der höchsten Liga. Nächste Saison wird es zwar höchstens zum Titel eines «Kellermeisters» reichen. Aber die mittelfristigen Perspektiven sind sehr gut.
21.04.2022, 04:3921.04.2022, 12:40
Folge mir
Mehr «Sport»

Am 25. April 2018 muss Kloten nach einer Verlängerungsniederlage (1:2) gegen die Rapperswil-Jona Lakers die höchste Liga nach 56 Jahren verlassen. Der erste Abstieg der Klubgeschichte (seit 1934). Vier Jahre dauert das Exil in der Swiss League. Nun sind die Zürcher zurück. Sie haben am 20. April Olten 1:0 besiegt und den Final der Swiss League 4:1 gewonnen: Wiederaufstieg!

Der Unterschied zwischen dem Kloten von 2018 und dem Kloten von 2022 ist mindestens so gross wie jener von der einstigen Swissair und der neuen Fluggesellschaft Swiss. Der EHC Kloten ist nun geheilt vom Wahn, zu werden wie die ZSC Lions. Der Klub hat zu seiner Identität als Dorfverein zurückgefunden und verleugnet nicht mehr die Bescheidenheit, die es eben nur im Dorf gibt. Natürlich: Kloten ist mit gut 20'000 Einwohnern eine Stadt. Aber eben im Vergleich zur Megalopolis Zürich doch nur ein Dorf. Dem Seldwyla von Gottfried Keller näher als dem Manhattan von Tom Wolfe.

Der Wahn, die ZSC Lions, die Titanen aus der Stadt, herausfordern zu können, hat zum Abstieg geführt. Fast 40 Jahre lang war der EHC Kloten im Kanton Zürich die unumstrittene Nummer 1. Schon bald nach dem Aufstieg im Frühjahr 1962 überholt der EHC Kloten den ZSC. 1967 wird Kloten zum ersten Mal Meister und klassiert sich fortan stets vor dem ZSC.

In den 1990er Jahren gelingen gar vier Titel in Serie (1993, 1994, 1995, 1996). Dieses Kunststück ist seither keinem anderen Klub mehr gelungen. Derby-Siege sind für den ZSC während Klotens «Belle Epoque» so selten, dass zu diesem Anlass extra Krawatten kreiert werden. Aber 1997 wird aus dem finanziellen und sportlichen Krisenclub ZSC eine neue Organisation. Die ZSC Lions. Diese Verwandlung trägt im Keim den Untergang des alten Kloten in sich.

Aus den ZSC Lions wird eine der mächtigsten Organisationen der Liga. Bereits zu Beginn des Jahrhunderts (2000) wird der nächste Titel gefeiert. Von nun an wird in Kloten alles unternommen, um den frechen Emporkömmling aus der Stadt in die Schranken zu weisen. Aber Meisterteams sind inzwischen teurer geworden. Von nun an sind die Klotener besessen von der Idee, besser als der ZSC sein zu müssen. Sie leben über ihre finanziellen Verhältnisse. Die Präsidenten überheben sich. Unter Jürg Bircher reicht es zweimal zum Final (2009, 2011) und auch Philippe Gaydoul finanziert zum letzten Mal ein Spitzenteam, das 2014 mit Stars wie Martin Gerber, Eric Blum, Patrick von Gunten, Simon Bodenmann, Marcel Jenni und Michael Liniger eines der teuersten und besten der Liga ist und erst im Final den ZSC Lions unterliegt.

ARCHIV - ZUM KEYSTONE SDA-TEXT UEBER DEN EISHOCKEY PLAYOFF-FINAL 2014 ZWISCHEN DEN ZSC LIONS UND DEN KLOTEN FLYERS STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Kloten Flyers Stuermer Tomm ...
2014 erreichte Kloten zum bisher letzten Mal den Playoff-Final der National League und unterlag den ZSC Lions.Bild: KEYSTONE

So ist der Untergang programmiert. Nach Philipp Gaydoul bleibt Hansueli Lehmann nur noch ein radikales Sparprogramm und der sportliche Ruin mit dem Abstieg von 2018. In diesen schwierigsten Zeiten der Klubgeschichte aber keimt das neue Kloten. Der Veränderungsprozess zurück zur Bescheidenheit, zum Abschied von allen Titelambitionen, ist ein schmerzhafter. Erst der Abstieg von 2018, dann aber auch das Scheitern im Aufstiegskampf von 2019 schon im Viertelfinal gegen Langenthal und vor einem Jahr im Final gegen Ajoie.

Ein gewöhnlicher Klub hätte diesen Wandel nicht geschafft und wäre an den finanziellen und sportlichen Schwierigkeiten zerbrochen. Aber Kloten ist im besten Wortsinn ein Dorfklub. Der Rückhalt der treuen Fans, des lokalen Gewerbes, die Basis einer formidablen Nachwuchsorganisation, die keinen Schaden nimmt, ermöglichen die Rückkehr.

Inzwischen ist Kloten nicht mehr von einem einzigen Geldgeber abhängig. Der Klub ist wirtschaftlich breit abgestützt wie nie in der Neuzeit und hat eine eher bessere finanzielle Grundlage als Langnau, Ajoie und Ambri. Mehr als 5000 Zuschauerinnen und Zuschauer pro Spiel sind in der höchsten Liga realistisch. In der Swiss League sind in der Qualifikation mit unattraktiven Spielen gegen die Farmteams (GCK Lions, EVZ Academy und Ticino Rockets) im Schnitt 4170 Fans gekommen und in den Playoffs waren es 6111. So viele werden nächste Saison herbeieilen, wenn die ZSC Lions, Davos oder Zug ihre Aufwartung machen. Langnau kam nach dem Wiederaufstieg in der ersten NL-Saison 2015/16 auf einen Schnitt von 5868.

Fans stuermen das Eis im fuenften Eishockey Playoff-Finalspiel der Swiss League zwischen den EHC Kloten und dem EHC Olten am Mittwoch 20. April 2022, in der stimo arena in Kloten. (KEYSTONE/Ennio Lean ...
Nach dem Aufstieg dürfte die Euphorie bei den Klotener Fans gross bleiben.Bild: keystone

Wie sehen die sportlichen Perspektiven aus? Mit Klotens Aufstieg umfasst die höchste Liga zum ersten Mal in der Geschichte 14 Teams. Es wird zwar im Frühjahr 2023 wieder einen Auf/Abstiegskampf geben. Der 13. und 14. nach der Qualifikation bestreiten den Playout-Final und der Verlierer muss gegen den Sieger der Swiss League die Liga-Qualifikation spielen.

Das Ziel für Kloten muss es sein, «Kellermeister» zu werden. Bereits zeichnet sich ab, dass nächste Saison drei Teams am Tabellenende eine Meisterschaft unter sich um die Ränge 12 bis 14 austragen werden. Wer als «Kellermeister» diese Meisterschaft in der Meisterschaft gewinnt und Platz 12 erreicht, ist gerettet. Dieser Platz 12 ist das realistische Saisonziel für Kloten.

Viel mehr zu erwarten wäre unrealistisch. Zu viele Spieler haben die Zukunft hinter sich: Neun sind nächste Saison 30 oder älter. Der Markt der Schweizer Spieler ist praktisch leergefegt und es gibt ja auch keinen Absteiger, bei dem sich Kloten bedienen kann. Das bedeutet: Nächste Saison sind sechs Ausländer erlaubt. Diese Ausländer müssen die Mannschaft tragen, bis der eigene Nachwuchs reif ist für die höchste Liga. Was wiederum bedeutet: Sportchef Patrik Bärtschi kann sich eigentlich keinen Irrtum leisten. Ein Spitzenteam kann mit einer Fehlbesetzung auf den Ausländerpositionen leben. Die «Miserablen» – Langnau, Ajoie und Kloten – nicht.

Ajoies Daniel Eigenmann, Mitte, klaert eine Situation vor dem eigenen Tor im sechsten Eishockey Playoff-Finalspiel der Swiss League zwischen dem HC Ajoie und dem EHC Kloten, in der Raiffeisen Arena in ...
Letztes Jahr duellierten sich Kloten und Ajoie im Final der Swiss League, nun spielen beide in der National League.Bild: keystone

Kloten muss selbst dann, wenn das ausländische Personal vorzüglich ist, damit rechnen, die «Kellermeisterschaft» hinter Langnau und Ajoie auf dem 14. und letzten Platz zu beenden. Nur mit der richtigen Besetzung der sechs Ausländerpositionen wird es möglich sein, den Ligaerhalt vorzeitig zu sichern.

Aber schon in zwei bis drei Jahren wird es ganz anders aussehen. Ein Blick in die Nachwuchsszene zeigt das enorme Zukunfts-Potenzial des Aufsteigers. Auf drei Stufen wird eine nationale Nachwuchsmeisterschaft ausgetragen. U15, U17 und U20. Bei den U20-Junioren finden wir Kloten in der Qualifikation auf Rang 7 und im Viertelfinal ist gegen Lugano Saisonschluss. Bei der U 17-Meisterschaft beendet Kloten die Qualifikation auf dem 3. Platz und scheitert im Halbfinal gegen die ZSC Lions. Die U 15-Junioren haben die Qualifikation und soeben den Titel (gegen die ZSC Lions) geholt. Wichtig auch: Kloten verbessert seine ohnehin gute Infrastruktur mit dem Bau einer Trainingshalle. Kloten ist nun für junge Spieler eine der ersten Adressen im Land.

Ein Spitzenteam wird Kloten auch mit seiner vorzüglichen Nachwuchsarbeit nicht. Die Besten werden dorthin ziehen, wo es Löhne gibt, die in Kloten nicht mehr bezahlt werden können. Aber Kloten kann eine junge, dynamische Mannschaft aufbauen, die zu mehr als der Hälfte aus eigenen Spielern besteht und dem Publikum viel Freude bereiten wird. Darüber hinaus besteht die Chance, dass einige, die in Bern, Zürich, Lugano oder Zug reich geworden sind, im Herbst ihrer Karriere nach Kloten zurückkehren werden.

Alles in allem: Der EHC Kloten hat zu seinen Ursprüngen zurückgefunden und ist wieder ein Dorfclub, frisch gebürstet und gekämmt.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die grossen Playoff-Wenden im Schweizer Eishockey
1 / 16
Die grossen Playoff-Wenden im Schweizer Eishockey
«Chered die Serie!», fordern die Fans immer wieder, wenn ihr Klub im Playoff hoffnungslos zurückliegt. Doch erst elfmal hat das in der National League seit Einführung des Best-of-Seven-Modus nach mindestens einem 1:3-Rückstand auch geklappt.
quelle: keystone / ennio leanza
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Du bist ein echter Eishockey-Fan? So kriegst du das Stadion-Feeling zuhause hin.
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
33 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Jacques #23
21.04.2022 06:11registriert Oktober 2018
Bin gespannt, wie lange die neue Bescheidenheit reicht. Abheben ist schliesslich die Kernkompetenz in Kloten.

Landen aber auch.

In diesem Sinne. Welcome back, Keller Kinder.
8019
Melden
Zum Kommentar
avatar
dä Füüfer, s Weggli und s Usegeld
21.04.2022 11:48registriert September 2017
Also beim Kellermeister möchte der SCB bestimmt auch wieder ein Wörtchen mitreden können
361
Melden
Zum Kommentar
avatar
Foxtrott
21.04.2022 05:09registriert Oktober 2019
Gut gemacht Jungs - bin happy
4712
Melden
Zum Kommentar
33
«Er hat Lust am Rennfahren» – Hirschers Boss über die Rückkehr
Fünf Jahre nach seinem Rücktritt kehrt Marcel Hirscher in den Ski-Zirkus zurück. Der 35-Jährige muss sich erst wieder Stufe um Stufe hocharbeiten, ehe er Marco Odermatt zum grossen Riesenslalom-Duell herausfordern kann.

Acht grosse Kristallkugeln besitzt Marcel Hirscher. Mehr als der Österreicher, der den Gesamtweltcup zwischen 2012 und 2019 dominierte und ihn jedes Jahr gewann, besitzt keine Skirennfahrerin und kein Skirennfahrer.

Zur Story