Wenn sich der Pulverdampf der Polemik nach dem dramatischen Scheitern von Riga verzogen hat, wenn die Sündenböcke benannt, erkannt und geschmäht, wenn die Analysen rund um die denkwürdige WM-Expedition 2023 gemacht sind, folgt der heikelste Entscheid. Es geht nicht mehr um die Schuldzuweisung beim Untergang unserer spielerischen Titanic in Riga.
Es geht um die Zukunft. Um die Strategie über den Tag, den Monat und das Jahr hinaus. Um die Strategie für die WM 2026. Die Festlegung der Strategie ist die noble Aufgabe der obersten Führung unseres Hockeys: des Verwaltungsrates der Aktiengesellschaft Swiss Ice Hockey AG (des Verbandes).
2026 wird die Eishockey-WM in Zürich und Fribourg zelebriert. Patrick Fischers Vertrag läuft in einem Jahr, nach der WM 2024 in Tschechien, aus. Die Organisation der WM 2026 ist kein Problem. Fähige Leute rund um Generalsekretär Christian Hofstetter haben alles im Griff. Die Organisation ist berechenbar. Der Sport (und damit der Publikumserfolg) hingegen weniger.
Der Aufbau eines medaillenfähigen Teams für die Heim-WM ist die zentrale Aufgabe des Verbandes. Dieser Aufbau läuft auf zwei Ebenen: einerseits durch die Definition der Strategie, der Ziele und der Philosophie und andererseits durch die Umsetzung auf dem Eis. Patrick Fischer hat seit seinem Amtsantritt im Spätherbst 2015 die Philosophie des neuen Selbstvertrauens und der hohen Ziele («Big Thinking») geprägt.
Trotz des dramatischen Scheiterns hat Riga gezeigt: Das Potenzial für das höchste Ziel ist vorhanden. Es gibt erst recht vor einer WM im eigenen Land keinen Grund, diese Philosophie zu ändern. Sie eignet sich vortrefflich für eine langfristige Kampagne für die WM 2026. Mit einem pfiffigen Slogan: «Going for Gold». So ist es nicht nur möglich, im Land Hoffnung und Begeisterung zu wecken und die Brieftaschen für den Ticketverkauf zu öffnen. So ist es auch möglich, die alljährlichen Turniere im Rahmen der Euro Hockey Tour und die übrigen Länderspiele viel besser zu vermarkten.
Die Mutter aller Fragen: Ist Patrick Fischer der Mann, der die Nationalmannschaft bis zur WM 2026 führen kann? Kommt die Verbandsführung zum Schluss, dass Fischer der Richtige ist, dann gibt es nur eine Möglichkeit: die vorzeitige Verlängerung seines Vertrages noch in diesem Sommer bis und mit der WM 2026. Es geht darum, ein klares Zeichen zu setzen. Eine Nationaltrainer-Diskussion durch die ganze nächste Saison und dann ein Entscheid erst im Sommer 2024 wäre fatal und könnte auch dazu führen, dass sich Nonkonformist Fischer vorzeitig eine neue Herausforderung sucht.
Kommt die Verbandsführung hingegen zum Schluss, dass Fischer nicht der richtige Mann ist, dann macht es keinen Sinn, alles zu lassen, wie es ist, ihn noch bis zum Vertragsablauf im Sommer 2024 im gleichen Amt zu beschäftigen und die weitere Zukunft offenzulassen. Er wäre dann eine Lame Duck, die Nationaltrainerdiskussion ginge weiter und ein Jahr verloren.
Entweder wird Patrick Fischer des Amtes enthoben oder in eine andere Position befördert (z. B. Sportdirektor oder Botschafter für die WM 2026). Bei einer Trennung oder einer neuen Position bleibt genügend Zeit, um den richtigen Nachfolger an der nationalen Bande zu finden und der Neue hat genügend Zeit für die Vorbereitung auf die WM 2026.
Nichts tun und sich nach dem Grundsatz «Neue Saison, neue Hoffnung» vor der Verantwortung und einem Entscheid zu drücken und darauf zu hoffen, dass es irgendwie schon gut gehen wird, beeinträchtigt die sportlichen und finanziellen Erfolgsaussichten für die WM 2026. Ein Bekenntnis in Form einer vorzeitigen Verlängerung ist im Hinblick auf das Heimturnier erforderlich – oder eine Neubesetzung der Position an der nationalen Bande.
Ganz so, wie es uns Matthäus im Buch der Bücher lehrt: «Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.» Und noch etwas: Es wäre eine unverzeihliche Torheit, für die langfristige Bewerbung der WM 2026 auf Patrick Fischer zu verzichten. Als WM-Promoter muss er nicht unbedingt Nationaltrainer sein.
Die Schweiz hat eine gute Mannschaft, die spielerisch (auch dank Fischer) ein überdurchschnittliches Format aufweist. Was ihr aber fehlt, ist die Fähigkeit sich gegen Widerstände durchzusetzen. Ich glaube nicht, dass Fischer dafür der richtige Coach ist
Es ist toll, dass ein Schweizer-Trainer die Nati solange führen konnte, aber man sollte jetzt nicht nur aus blinder Ideologie an ihm festhalten