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Warum der SCB versagt hat – und wie bereits 2015 wieder ein Finale möglich ist

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Rechnung von 2011

Warum der SCB versagt hat – und wie bereits 2015 wieder ein Finale möglich ist

In der grössten Krise seit dem Wiederaufstieg von 1986 ist beim SC Bern für einmal Polemik grober Unfug. Aber die Rechnung, ausgestellt im Oktober 2011, muss bezahlt werden.
02.03.2014, 10:17
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Ausmisten! Sportchef Sven Leuenberger muss weg! Trainer Guy Boucher sowieso! Solche Forderungen werden beim SC Bern im Augenblick des Zornes erhoben.

Es ist billige Polemik. Der SCB kann mit Sportchef Sven Leuenberger und mit Trainer Guy Boucher die Krise meistern und wieder erfolgreich werden.

Wenn der SCB in dieser letzten Runde am Dienstag so viel Glück hat wie während der meisterlichen Playoffs im letzten Frühjahr – dann holen die Berner im letzten Spiel in Zürich einen Punkt mehr als Lausanne in der letzten Partie in Fribourg und schaffen doch noch die Playoffs. Die historische Schmach als erster Titelverteidiger die Playoffs zu verpassen, bliebe den Bernern dann erspart. Allerdings spricht nicht viel für ein solches Wunder. Und ein solches Wunder würde an der Krisen- Analyse, an den folgenden Ausführungen, auch nichts ändern.

So prekär gestaltet sich die Lage des SCB eine Runde vor dem Playoff-Start.
So prekär gestaltet sich die Lage des SCB eine Runde vor dem Playoff-Start.Screenshot: sport.ch

Marc Lüthis Fehler

Der SC Bern hat mit zweieinhalbjähriger Verspätung doch noch die Rechnung erhalten. Das Datum dieser Rechnung: Der 21. Oktober 2011. An diesem Tag hat SCB-General Marc Lüthi Trainer Larry Huras ohne sportliche Not und gegen den Willen seines Sportchefs entlassen und Antti Törmänen vom Assistenten zum Cheftrainer befördert. Im Rückblick erkennen wir, wie fatal sich dieser Entscheid immer noch auf die ganze SCB-Kultur auswirkt. An diesem 21. Oktober 2011 ist der Keim zur grössten SCB-Krise seit dem Wiederaufstieg gelegt worden.

Nicht jeder konnte die Entlassung von Larry Huras verstehen.
Nicht jeder konnte die Entlassung von Larry Huras verstehen.Bild: KEYSTONE

Auf den ersten Blick hat die Entlassung von Larry Huras dem SCB erst einmal grandiose Erfolge beschert: Das dramatische Finale von 2012 gegen die ZSC Lions und den Titel von 2013.

Aber in dieser Zeit hat sich die ursprüngliche, stark nordamerikanisch geprägte SCB-Kultur unter dem antiautoritären finnischen Cheftrainer stark verändert. Das traditionell raue Leistungsklima wurde mild und Versagen hatte keine Konsequenzen mehr. Eine Mannschaft, die mit rustikalem Stil ihre Erfolge immer mehr erarbeitet als erspielt hat, lernte taktisches Schachspiel und das Ausnützen gegnerischer Schwäche durch Abwarten. Sie verlernte das geradlinige, wuchtige Erzwingen einer Entscheidung. Taktisches Erschleichen der Erfolge statt Rumpelhockey. Und parallel dazu hat das Management die interne Konfliktkultur durch eine bis ins lächerliche gehende befohlene Harmonie verdrängt. Der SCB hat 2013 einen Titel gewonnen und dabei einen Teil seiner Identität verloren – und noch nicht wieder gefunden.

NHL-Spieler vertuschten das Trainer-Problem

Das Ende dieser Fehlentwicklung schien im Herbst 2012 gekommen. Trainer Antti Törmänen stand vor seiner Entlassung. Doch Umstände, die das SCB-Management nicht beeinflussen konnte, retteten das antiautoritäre Experiment: Der NHL- Arbeitskampf bescherte dem SCB die Zuzüge von Roman Josi, Mark Streit und John Tavares.

Die drei NHL-Stars führten die Leistungskultur wieder ein. Es war die teuerste Trainer- Stützungsaktion der schweizerischen Hockeygeschichte. Als die NHL-Saison im Januar dann doch begann, war der SCB soweit wieder gefestigt, dass es mit allem Glück der Welt gelang, die Meisterschaft 2013 zu gewinnen.

Das Bild trügt: Der Trainer und seine Trophäe.
Das Bild trügt: Der Trainer und seine Trophäe.Bild: Keystone

Erfolg kann blind machen. Im Sport gilt das Primat des Resultates. Wer eine Meisterschaft gewinnt, hat alles richtig gemacht. Zwar hatte der legendäre Enzo Ferrari einst gewarnt: «Es ist wichtig, zu wissen, warum man ein Rennen verloren hat. Aber es ist noch wichtiger, zu wissen, warum man ein Rennen gewonnen hat.» Niemand – weder das SCB-Management noch die Chronisten – konnte im Grunde erklären, warum der SCB den Titel 2013 gewonnen hatte. Nie seit Einführung der Playoffs (1986) hatte ein Meister mit so viel Glück triumphiert wie der SCB im Frühjahr 2013. Aber es gehört sich nicht, einen Titelgewinn in erster Linie dem Glück, der Gunst der Hockeygötter zuzuschreiben.

Mit Boucher zum nordamerikanischen Neuafbau

Das endgültige Scheitern des antiautoritären Experimentes haben wir nun im Laufe dieser Saison erlebt. Die Korrektur dieser zweieinhalbjährigen Fehlentwicklung hat den SCB während der ganzen laufenden Saison beschäftigt und ist noch lange nicht abgeschlossen.

Erst mit Trainer Guy Boucher versucht der SCB wieder zu seiner ursprünglichen nordamerikanischen Kultur zurückzukehren. Aber die Zeit droht dem Kanadier in dieser Saison davonzulaufen. Der Neuaufbau der SCB-Kultur braucht mindestens eine halbe Saison. Das Einschulen eines neuen taktischen Konzeptes auch.

Boucher ist ein Mann der klaren Worte.
Boucher ist ein Mann der klaren Worte.Bild: freshfocus

Guy Boucher betont seit seinem Amtsantritt wie sehr er Wert auf Struktur im Spiel lege. Aber wenn Spieler nach monatelangem Larifari-Betrieb ein System spielen sollen, dann führt das erst einmal zu Passivität: Jeder versucht, keinen Fehler zu machen und sich an das neue Konzept zu halten. Dabei gehen Kreativität, Mut zum Risiko und letztlich die Spiel verloren.

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Wie geht es weiter?

Eine Meistermannschaft ist für Strichkämpfe, für «negativen Erfolgsdruck» sowieso nicht geeignet. Der SCB war in den letzten vier Jahren so erfolgreich (Meister 2010 und 2013, Finalist 2012, Halbfinalist 2011), dass sich in diesem Hockeyunternehmen in dieser Saison niemand vorstellen konnte, dass es nicht für die Playoffs reichen könnte.

Natürlich sagten SCB-Manager Marc Lüthi, Sportchef Sven Leuenberger, die Trainer und die Spieler bei jeder Gelegenheit, wie schwierig es sei, die Playoffs zu schaffen. Doch tief im Herzen hat in dieser Saison keiner ein Scheitern auch nur in Erwägung gezogen. Der Erfolg in den letzten vier Jahren war einfach zu gross. Im Kopf den Titel, in den Stöcken und Beinen die Abstiegsrunde.

Die Spieler des SC Bern stehen vor einer historischen Pleite.
Die Spieler des SC Bern stehen vor einer historischen Pleite.Bild: KEYSTONE

Und was nun? Ausmisten? Sportchef Sven Leuenberger und Trainer Guy Boucher feuern? Nein. Diesmal lohnt es sich, dem Trainer den Rücken zu stärken. Diese sportliche Führung und dieser Trainer sind dazu in der Lage, aus dem Scheitern die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Die Frage ist bloss, ob Sven Leuenberger den Mut hat, den ersten Schritt zum Umbau des Teams zu machen. Die wichtigste Massnahme: Vier neue ausländische Spieler. Jene mit weiterlaufenden Verträgen sind auszahlen. Erstklassige Schweizer Spieler sind nicht mehr erhältlich. Aber mit einer Neubesetzung der vier Ausländerpositionen ist ein erster, grosser Schritt zurück zur ursprünglichen SCB-Kultur möglich.

Guy Boucher kennt den nordamerikanischen Spielermarkt aus eigener Erfahrung. Mit seiner Hilfe müsste es möglich sein, vier erstklassige nordamerikanische Spieler zu finden. Zur Neuausrichtung gehört auch bisschen mehr frische Luft ins Innenleben: Die befohlene Harmonie hat die Mannschaft in den letzten zwei Jahren in einem gewissen Sinne steril und langweilig gemacht.

Finale 2015 oder Zerfall wie einst in Lugano

Der kritisierte SCB-CEO Marc Lüthi.
Der kritisierte SCB-CEO Marc Lüthi.Bild: KEYSTONE

Wenn das SCB-Management die tiefe Krise dieser Saison zu einem endgültigen Bruch mit der Fehlentwicklung der letzten zweieinhalb Jahre nützt, dann ist bereits im Frühjahr 2015 wieder ein Playoff-Finale möglich. Mit Guy Boucher an der Bande. Eine wichtige Erkenntnis aus der Krise ist auch: SCB-Manager Marc Lüthi, der das antiautoritäre Experiment mit Antti Törmänen zu verantworten hat, darf im Sport nicht mehr das letzte Wort haben.

Wenn der Trainer hingegen wieder fliegt, die Hierarchie im Team aus Rücksicht auf Verdienste nicht umgebaut wird und sich Marc Lüthi weiterhin nach Belieben in die Sportabteilung seines Hockey- Gemischtwarenladen einmischt, dann droht die gleiche Agonie wie in Lugano. Der HC Lugano hat seit seinem letzten Titel von 2006 nie mehr eine Playoffserie gewonnen. Aber zweimal die Playouts erduldet. Und elfmal den Trainer gewechselt.

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