Hin und wieder lässt sich die Wahrheit statistisch beweisen. Zum Beispiel bei den Leistungsschwankungen der ZSC Lions. Diese Mannschaft ist eine der talentiertesten, die je in unserer Liga gespielt hat. Auf allen Positionen exzellent besetzt. Zusammengestellt nach einem Masterplan des Sportchefs. Allenthalben ist in den Saisonprognosen erwartet worden, dass die Zürcher die Qualifikation (fast) nach Belieben dominieren werden. Davon sind sie noch ziemlich weit entfernt. Bei «Halbzeit» der Qualifikation teilen sie den 1. Platz mit Zug.
Woran kann es liegen, dass die Zürcher seit 2014 nur noch eine Meisterschaft (2018) gewonnen haben und es bereits wieder Bedenken gibt, ob es zum Titelgewinn reichen wird? Eine der griffigsten Erklärungen kommt aus dem Bereich der Psychologie: Eine Unlust, bereits während der Qualifikation an die Grenzen zu gehen. Dafür ist schon mal der Begriff «Ueli-Maurer-Hockey» geprägt worden. In Anlehnung an einen Spruch des populären Zürcher Bundesrates, der einem TV-Reporter mit der Aussage «keine Lust» ein Interview verwehrte.
Mit Faulheit oder fehlender Berufseinstellung hat diese Kritik nichts zu tun. Es geht eher um eine Art Routine: Um geschäftsmässiges Hockey einer Mannschaft, die an einem guten Abend dank ihres Talents ohne Extraanstrengung gewinnt. Aber in einer so ausgeglichenen Liga auch Gefahr läuft, gegen jeden bissigen Aussenseiter zu verlieren. Eine gewisse Überheblichkeit, die nun mal überdurchschnittlich begabten Mannschaften eigen ist. In der Anonymität der grössten Stadt der Schweiz mag die Neigung zu geschäftsmässiger Pflichterfüllung eher grösser sein als an Orten, wo Eishockey zur DNA der lokalen Kultur gehört.
Das erschwert die Arbeit des Trainers. Training nach modernsten Methoden und eine ausgeklügelte Taktik reichen nicht. Ein ZSC-Trainer muss seinen Spielern auch Beine machen. Das ist in einer Zeit, in der Autoritäten auf allen Ebenen hinterfragt werden, gar nicht so einfach. ZSC-Bandengeneral Marc Crawford ist offensichtlich dazu in der Lage, seine Spieler aus der Komfortzone zu scheuchen. Was sich statistisch nachweisen lässt. Die Zürcher verlieren auf eigenem Eis gegen Lausanne nach Penaltys 2:3 und die nächste Partie auswärts in Davos sogar 0:3. Gerade die Niederlage in Davos gibt Anlass zu Sorge: Die Davoser hatten am Abend davor in Lugano verloren (4:6), während die Zürcher freihatten und ausgeruht mit frischen Beinen ins Bündnerland gereist waren. Eine Besonderheit dieser zwei Niederlagen ist das Torschuss-Verhältnis: 21:40 gegen Lausanne und 28:30 gegen Davos. Die Gegner waren also fleissiger und aktiver.
Eine Reaktion war nun unabdingbar. Und siehe da: Die ZSC Lions haben seither dreimal gewonnen: in Langnau (2:1), gegen Ambri (5:3) und in Zug (4:2). Mit klar überlegenem Torschussverhältnis: 40:27 in Langnau, 40:25 gegen Ambri und 35:25 in Zug. Der Trainer hat also den Spielern Beine gemacht.
Marc Crawford galt selbst in der rauen NHL als wenig zimperlich im Umgang mit den Untergebenen. Es gibt die Hoffnung oder, je nach Sichtweise, die Befürchtung, er könnte nun mit 62 altersmilde werden. So ist es offensichtlich nicht. Er sagt auf diese Frage höflich, wie es seine Art ist (hitzköpfige Trainer sind neben dem Eis meistens Gentlemen): «Ich bin ein fordernder Trainer geblieben.» Niemand könne aus seiner Haut fahren. Die Reaktion der Mannschaft habe ihm gefallen. Auch wenn es noch einiges zu verbessern gebe. Ein authentischer Marc Crawford ohne Altersmilde – das ist die Titelchance der ZSC Lions. Es gibt einen guten Grund, warum Sven Leuenberger im letzten Dezember den ZSC-Meistertrainer von 2014 und Qualifikationssieger von 2014, 2015 und 2016 zurückgeholt hat.
Der SC Bern, Kloten oder Lugano gewannen auch unter skandinavischen Trainern Meisterschaften. Die ZSC Lions haben hingegen alle ihre Titel von 2000 (Kent Ruhnke), 2001 (Larry Huras), 2008 (Harold Kreis), 2012 (Bob Hartley), 2014 (Marc Crawford) und 2018 (Hans Kossmann) plus die Champions League und den Victorias Cup (Sean Simpson) mit Trainern kanadischer Herkunft gewonnen. Berühmte schwedische Taktiker sind mehrmals spektakulär gescheitert, zuletzt Hans Wallson und Rikard Grönborg. Zufall? Wahrscheinlich nicht. Die ZSC Lions haben in der Regel mehr gute Einzelspieler als die Konkurrenz. Ihr Talent kommt bei Tempo, bei aktiver, dominanter Spielweise besser zur Geltung als bei taktischem Schachspiel. Sage mir, ob der ZSC-Trainer den Spielern Beine machen kann, und ich sage dir, ob sie Meister werden können.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Wir aus Rappi können schon nach Schweden, Tschechien oder Finnland "go chüechle" und vielleicht mal Siege einfahren. Die Ambitionen der Schweiz sollten jedoch mindestens alle 3 Jahre einen Titel sein.
Wieso nicht den Liga-Alltag um einige Spiele kürzen und die CHL endlich ernster nehmen. Für die Fans ist es wirklich toll auf Reisen zu gehen - wenn es die Clubs auch ernst nehmen. Wir sind international auf euch Grossen angewiesen.