So stellen sich Ausländer einen echten Schweizer vor: Bauernbub aus dem Sertig, dem Seitental bei Davos, in dem es nur zwei Wirtshäuser gibt: den «Bergführer» und das «Walserhuus». Der heimatlichen Scholle ist er treu geblieben. Er hat nur, wie es sich gehört, zwischen 2009 und 2013 ein paar Lehr- und Wanderjahre in Amerika (eine AHL-Saison) und in Zürich (drei Saisons, Meister 2012) verbracht. Seit 2013 dient er wieder seinem HC Davos.
Andres Ambühl ist sozusagen der Poster Boy aus dem «Hockey-Heidiland». Kein Titan. Lediglich 176 Zentimeter gross. Aber kräftig, zäh und schlau. Dieser Energiespieler ist der Dynamo jeder Mannschaft. Seine Tore sind mehr das Produkt seiner Laufmeter, seiner Energie und seiner Schlauheit als seiner Technik.
Nun bestreitet der Dauerläufer gegen Italien sein 100. WM-Spiel. Und wenn er alle sieben Vorrunden-Partien bestreiten darf – davon können wir ausgehen – wird er mit unserem Rekordhalter Mathias Seger (106) gleichziehen. Und anschliessend in ganz besondere Sphären vorstossen. Noch mehr WM-Einsätze haben nur noch Udo Kiessling (119), Alexander Malzew (110), Jiri Holik (109), Ville Peltonen und Oldrich Machak (107).
Ein Blick auf die Anzahl WM-Einsätze seiner helvetischen Mannschaftskollegen hier in Bratislava zeigt, wie aussergewöhnlich 100 WM-Partien sind. Andres Ambühl hat mehr als doppelt so viele WM-Partien bestritten als jeder andere aus unserem WM Team.
Eigentlich könnte die Partie gegen Italien schon das 109. WM-Spiele für Andres Ambühl sein. Aber vor einem Jahr musste er passen. Offiziell wegen einer in den Playoffs erlittenen Verletzung. Tatsächlich soll ihm Trainer Arno Del Curto ans Herz gelegt haben, das WM-Aufgebot abzulehnen und sich zu erholen. Er sagt diplomatisch: «Ich hätte gerne probiert, ob ein WM-Einsatz möglich gewesen wäre …».
Nun ist Andres Ambühl gesund und munter und einem neuen WM-Abenteuer steht nichts im Wege. Es ist seine 15. WM. Das erste Titelturnier hat er 2004 in Prag unter Ralph Krueger bestritten und damals war Nationaltrainer Patrick Fischer noch sein Mitspieler. Bratislava muss noch nicht seine letzte WM sein.
Der «ewige Stürmer» hat den Aufstieg der Schweiz vom mauernden Aussenseiter zum stürmenden, silbernen Titanen miterlebt, ja mitgeprägt. Er war nie nur dabei. Er war immer mittendrin und ist es auch jetzt wieder. «Früher mussten wir in erster Linie defensiv arbeiten und konnten auf ein paar Konter hoffen. Heute dürfen wir stürmen. Das Spiel mit der Scheibe macht natürlich mehr Spass als das Spiel ohne.»
16 WM-Aufgebote in Serie – jenes von 2018 musste er ja auf Geheiss von Arno Del Curto ablehnen – deuten auf eine robuste Konstitution. Andres Ambühl spricht bescheiden davon, dass auch Glück dazu gehöre, von Verletzungen weitgehend verschont zu bleiben. Er habe aber schon eine gesunde Konstitution.
Er wird als Jubilar natürlich nach seinen schönsten Erinnerungen befragt («die WM 2013 in Stockholm»), seinem grössten Gegenspieler («darauf habe ich nicht geachtet») und nach seinem populärsten Zimmergenossen («am Anfang teilte ich das Zimmer oft mit Patrik Bärtschi, das hat gepasst»). In Bratislava teilt er das Hotel-Schlafgemach mit Robert Mayer, dem dritten Torhüter.
Die Zeiten ändern, Andres Ambühl bleibt. Einst kam er als Leitwolf eines dominierenden, grossen Teams – des meisterlichen HC Davos – in eine Nationalmannschaft, die bei der WM nur eine Aussenseiterrolle spielte. Jetzt kommt er als Leitwolf eines Aussenseiters (des nicht mehr so meisterlichen HCD) in eine Nationalmannschaft, die zu den Grossen der WM gehört.
Nach diesem Rollenwechsel befragt, muss er lachen. «Daran habe ich noch gar nicht gedacht.» Aber vielleicht wird es ihm in Bratislava im 100. WM-Spiel bewusst. Es wird ihm mehr Spass machen, mit Aussichten auf späteren Medaillenruhm gegen Italien zu stürmen, als gegen die Rapperswil-Jona Lakers um den Ligaerhalt zu kämpfen.
Allerdings wäre eine Niederlage gegen Italien so schmählich wie eine gegen die Lakers.
Gruss von einem Z Fan