Zu den charmanten Eigenheiten unseres Hockeys gehört die Vertragsunterzeichnung lange vor der Zeit. Die Stars unterschreiben schon im Oktober, November oder Dezember einen Vertrag bei der Konkurrenz und spielen trotzdem die Saison für ihren alten Arbeitgeber zu Ende. In anderen Ligen völlig undenkbar, bei uns längst Brauch.
Empörung über solche Praktiken macht sich gut und findet rege Zustimmung. Ist aber völlig fehl am Platz. Verbieten? Völliger Unsinn. Wir können nur verbieten, was kontrollierbar ist.
Es ist nun mal, wie es ist – und gar nicht so schlecht. Wann sollten die Jungs denn verhandeln und unterschreiben? Im Mai und Juni? Dann sind alle Deals schon gemacht. Wer mit Transferieren bis nach der Saison wartet, den bestraft die Realität des Hockeygeschäftes. Im Januar oder Februar? Sicher nicht. In dieser Zeit spitzt sich der Kampf um die letzten Playoffplätze zu. Es wäre grober Unfug, die wichtige Spieler nach der Weihnachtspause durch Offerten und Gegenofferten zu verwirren.
Oder vielleicht im März und im April? Erst recht nicht. Vertragsgespräche in Zeiten der Playoffs sind nun wirklich tabu. Also bleiben September, Oktober, November und Dezember. Alle haben Zeit, zwei Meisterschaftsunterbrüche ermöglichen Denkpausen und die Sportchefs können in aller Ruhe die Mannschaft für die nächste Saison bauen.
Für grosse Spieler ist diese Vertragsunterzeichnung vor der Zeit sowieso kein Problem. Es wird unterschrieben, offiziell verkündet – und alle gehen wieder zur Tagesordnung über. Wie dies beispielsweise letzte Saison bei Leonardo Genoni der Fall war. Der HCD-Goalie hatte vor der Zeit beim SCB unterschrieben.
Nur kleinere Spieler wie Sandro Zurkirchen (hat im November vor der Zeit in Lausanne unterschrieben) haben ein Problem. Weil sie nicht den Mut zur Transfer-Wahrheit haben, herumschleichen wie Buben, die nicht wollen, dass sie auf dem Pausenplatz von der Lehrerin beim Rauchen erwischt werden – und mit der Leistung nachlassen.
Wir sind ein wenig vom Thema abgekommen. Es geht um Luca Cunti. Er wird bei den ZSC Lions zeitweise gar nicht mehr eingesetzt und hat soeben bei Lugano einen lukrativen Zweijahresvertrag im Gesamtwert von etwas mehr als einer Million Franken unterschrieben.
Was bringt es den ZSC Lions, wenn sie einem der teuersten Spieler ihrer Geschichte nur noch einen Platz am spielerischen Katzentisch zuweisen? Nichts. Mehr noch: Die Gefahr ist gross, dass der mehr oder weniger aussortierte Star zum Störfaktor in der Chemie eines hochsensiblen Teams mit vielen Alphatieren wird. Erst recht bei einem zu antiautoritärem Führungsstil neigenden schwedischen Trainerduo, das viel von Eigenverantwortung der Stars hält und in diesem Bereich noch ein blaues Wunder erleben könnte.
Es muss im Interesse von Edgar Salis und seinem Trainerstab sein, Luca Cunti so schnell wie möglich nach Lugano zu transferieren. Kommt dazu, dass der tüchtige ZSC-Sportchef sein Salär-Budget mit dem ausserplanmässigen Transfer von Ronlalds Kenins und der nicht programmierten Rückkehr von Jonas Siegenthaler überzogen hat.
Frage daher an Edgar Salis: Ist das Budget wieder ausgeglichen, wenn Sie noch vor Neujahr Luca Cunti samt Vertrag nach Lugano transferieren? «Sie erwarten wohl nicht im Ernst, dass ich diese Frage beantworte.» Also: Das Budget wäre wieder mehr oder weniger im Lot. Und da Luganos Präsidentin Vicky Mantegazza so viel Geld hat, dass der Gewinn des Lottos am Wochenende nur eine marginale Veränderung des Familienvermögens bewirken würde, könnte Lugano den sofortigen Transfer von Cunti finanzieren.
Deshalb noch einmal eine vorsichtige Annäherung an ZSC-Sportchef Edgar Salis. Frage: Denken Sie daran, Luca Cunti sofort, vielleicht sogar noch im alten Jahr nach Lugano zu transferieren? Auf diese Erkundigung reagiert er nicht mehr knurrig. Vielmehr sagt er nachdenklich und seufzt: «Im Hockeygeschäft sollte der Sportchef zu solchen Fragen weder mit «Ja» noch mit «Nein» antworten.»
Also denkt er daran? «Sagen wir es so: Wir werden jetzt die ganze Sache mit Lugano in aller Ruhe besprechen.» Das tönt für Luca Cunti nach vorzeitigem «Arrivederci Zurigo» – und sein Agent Georges Müller würde im Falle eines Falles, um seiner Reputation als Jurist gerecht zu werden, noch ein paar arbeitsrechtliche Einwände twittern – und dann zustimmen.
Oder wäre es am Ende eine Torheit, Luca Cunti jetzt schon nach Lugano zu transferieren? Was, wenn die ZSC Lions am Ende in den Playoffs gegen Lugano antreten müssen und Luca Cunti sein bestes Hockey gegen die Zürcher zelebriert? Sollte ZSC-Sportchef solche Bedenken haben, dann kann er den Titelgewinn vergessen. Wenn die ZSC Lions Meister werden wollen, dann müssen sie dazu in der Lage sein, Lugano vom Eis zu fegen – unabhängig davon, ob Luca Cunti in den eigenen oder in den gegnerischen Reihen spielt.
PS: Bei einem vorzeitigen Wechsel liesse sich ja vertraglich festhalten, dass Cunti gegen den Z in den Playoffs nicht eingesetzt werden darf. (Oder eingesetzt werden muss. Beim jetzigen Formstand die realistischere Variante.)