Seit Freitagabend ist offiziell: Fabio Celestini, Double-Sieger mit dem FC Basel in der vergangenen Saison, übernimmt das russische Team ZSKA Moskau. Ein Wechsel, der in der Schweiz äusserst kritisch kommentiert wird.
Einerseits aus sportlicher Sicht – Celestini hatte in der Vergangenheit eigentlich angedeutet, gerne in einer Top-Liga trainieren zu wollen. Vor allem aber aus politischer Sicht. Der Romand lebt jetzt in Russland, einem Land, das seit mehr als drei Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine durchführt.
Besonders brisant ist dabei die Wahl des Vereins. So sind in Russland Sport und Krieg nicht getrennt – im Gegenteil. Celestinis neuer Arbeitgeber ZSKA Moskau hat direkte Verbindungen zur russischen Armee und damit auch zum Krieg in der Ukraine.
Wie nahe sich ZSKA Moskau und die russische Armee stehen, geht schon dem Namen des Vereins hervor. «ZSKA» steht für «Zentralny sportiwny klub Armii» – auf Deutsch «Zentraler Sportklub der Armee».
Der Bezug zur Armee reicht dabei schon viele Jahre zurück. Das heutige ZSKA wurde im Jahr 1911 gegründet, damals noch als «OLLS» – also als Team des Klubs der Skisportfreunde, wobei schon damals Angehörige der Kaiserlichen russischen Armee dazugehörten. Den ersten Bezug zum Militär gab es im Namen ab 1928, als das Team in «CDKA» umbenannt wurde: Sportklub des zentralen Hauses der Roten Armee. Der Verein wurde so zum Aushängeschild der sowjetischen Regierung: Die sportliche Betätigung der Armeemitglieder wurde aktiv gefördert, womit auch das Niveau der Spieler stetig anstieg.
In der Folge wechselte das Team aus der russischen Hauptstadt mehrmals den Namen, der Bezug zum Militär blieb aber stets. Auch nach dem Fall der Sowjetunion blieb das Verteidigungsministerium noch viele Jahre Haupteigentümer des Vereins, inzwischen hat es seine Anteile verkauft. Den aktuellen Namen ZSKA trägt der Verein mittlerweile seit 65 Jahren.
Das Verteidigungsministerium ist heute nicht mehr bei ZSKA involviert, trotzdem bleibt der Verein – wie die meisten russischen Topteams – in staatlicher oder zumindest staatsnaher Hand. So gehört ZSKA heute der staatlichen Bank Wneschekonombank (WEB). Der Lohn der Spieler – und damit auch von Trainer Celestini – wird von dieser finanziert.
Die Rolle der WEB ist dabei äusserst umstritten. Denn diese hilft dabei, die russische Kriegswirtschaft zu stärken: Wie die Agentur Reuters schreibt, stellte sie seit Beginn des Krieges Milliarden Dollar für wichtige Branchen der Kriegswirtschaft zur Verfügung. Und wie eine Studie des Stockholm Institute of Transition Economics zeigt, kommt ein Grossteil des russischen Kriegsbudgets nicht aus dem offiziellen Haushalt, sondern etwa aus staatlichen Entwicklungsbanken wie der WEB.
Die WEB steht somit im Westen in der Kritik. Kurz nach Kriegsausbruch wurde sie von der EU auf die Sanktionsliste genommen, wenig später zog die Schweiz nach. Seither ist die Bank etwa vom Finanzinformationssystem Swift ausgeschlossen. Zudem müssen etwa Schweizer Banken Zahlungen aus solchen sanktionierten Unternehmen blockieren. Auch ZSKA Moskau ist wegen seiner Verbindung zur WEB offiziell sanktioniert.
Bei der Verbreitung von Propaganda spielt der Sport in Russland eine wichtige Rolle – auch ZSKA Moskau ist da keine Ausnahme. Wie Calum MacKenzie, SRF-Korrespondent in Russland, schreibt, ist das Team schon mehrmals in Bezug auf den Krieg aufgefallen. So sammelte ZSKA etwa Spenden und Hilfsgüter für die sogenannten «befreiten Gebiete» in der Ostukraine – also Gebiete der Ukraine, die von Russland besetzt wurden. Zudem sind auf der Webseite von ZSKA Videoclips zu sehen, auf welchen sich maskierte Männer für diese Hilfslieferungen bedanken.
Wie es im Bericht weiter heisst, blieb es aber nicht bei humanitärer Hilfe. So soll ZSKA im letzten November kommuniziert haben, 40 Motorräder an die Front geschickt zu haben. Diese seien direkt an die Marineinfanterie gegangen.
Weiter ist bei Ländern mit umstrittenen Tätigkeiten oft von sogenannten «Sportswashing» die Rede. Dabei geht es darum, das eigene Land über den Sport in ein besseres Licht zu rücken. Dabei ist auch der Wechsel Celestinis nicht ganz unwichtig: Die Verpflichtung des FCB-Erfolgstrainers impliziert, dass Russland trotz des Krieges sportlich nicht isoliert ist und noch immer grössere Namen anziehen kann. Und dies, obwohl russische Teams nicht mehr an europäischen Wettbewerben teilnehmen dürfen.
Wie andere grosse russische Vereine hat ZSKA Moskau Verbindungen zum sogenannten Espanola-Bataillon. Dabei handelt es sich um eine Vereinigung von Fussball-Hooligans mit Verbindungen zu rechtsextremen Milieus. Die Gruppe ist militärisch aktiv – unter anderem an der Front in der Ukraine.
Eine offizielle Verbindung zwischen ZSKA und dem Bataillon gibt es nicht. Wie bei anderen Vereinen gibt es allerdings keine Distanzierung von ZSKA zu Espanola. Stanislaw Orlow, Kommandeur des Bataillons, stammt Berichten zufolge selbst aus der ZSKA-Ultraszene. Und mit Andrei Solomatin gab im August 2023 ein ehemaliger ZSKA-Profi selbst bekannt, dem Bataillon beizutreten.
Mit dem Wechsel zu ZSKA erleidet Celestini einen Reputationsschaden – sowohl Medien als auch viele Fans kritisierten den Entscheid des Waadtländers scharf. Dies dürfte allerdings Celestinis kleinste Sorge sein.
Berichten zufolge wird der Trainer in Russland fürstlich entlohnt werden. Wie der «Blick» schreibt, dürften seine in Moskau verdienten Millionen aber nach dem Ende seiner Amtszeit in Russland wertlos sein. Denn hier kommen die Sanktionen gegen ZSKA ins Spiel: Rechtlich darf Celestini zwar in Russland leben und von einem sanktionierten Unternehmen bezahlt werden, dieses Geld darf er aber nicht in die Schweiz bringen. Eine solche Zahlung müsste von den Schweizer Banken blockiert werden. Theoretisch könnte Celestini beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eine Ausnahmebewilligung beantragen – die Hürden dafür sind aber hoch.
Noch mehr Probleme drohen Celestini im Falle einer Reise zurück in die Schweiz, wenn er noch immer bei ZSKA unter Vertrag steht. Für Personen in der Schweiz ist es verboten, Zahlungen von einem sanktionierten Unternehmen entgegenzunehmen. Selbst im Falle einer Entlassung dürfte Celestini also nicht in die Schweiz zurückkehren, wenn er weiterhin Lohn aus Moskau erhält. Verstösst der Romand gegen dieses Gesetz, droht ihm laut dem «Blick» gar eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren. Noch schlechter sieht es in Celestinis Wahlheimat Spanien aus: Hier drohen bei einem Vergehen gar sechs Jahre Haft.