Ach, könnte doch der grosse Dichterfürst Jeremias Gotthelf über unser Bundesamt für Eishockey schreiben. Er fände Stoff für ein Stück Weltliteratur.
Verbandsdirektor Ueli Schwarz hat den Auftrag, einen neuen Nationaltrainer zu finden. Dabei geht es zu und her wie in der wunderbaren Gotthelf-Erzählung «Wie Joggeli eine Frau sucht». Der reiche Junggeselle Joggeli besitzt im Bernbiet einen schönen Hof. Nachdem die Mutter gestorben ist, merkt der Bauer, es fehlt eine Hausfrau.
Bei der Wahl der rechten Ehefrau fürchtet Joggeli den Missgriff so wie Hockey-Ueli die falsche Nationaltrainerwahl. Denn die heiratsfähigen Mädchen verstellen sich in der Öffentlichkeit, wie auch die Nationaltrainer sich durch ihre Agenten in ein besseres Licht stellen lassen. Also kündigt Joggeli eine Geschäftsreise ins Luzernbiet an. Doch er zieht inkognito als Kesselflicker kostümiert durchs Berner Land und findet nach allerlei Kurzweil seine Traumfrau.
Der Emmentaler Ueli Schwarz geht gleich vor wie sein literarisches Vorbild Joggeli: Der ehemalige Gewerbeschullehrer tarnt sich, hält alles geheim und hofft so, still und leise einen tüchtigen Nationaltrainer zu finden. Aber er kommt bei seiner Suche nach einem Nachfolger von Sean Simpson einfach nicht voran. Weil jetzt alles Medieninteresse den Playoffs gilt, ist die Suche nach einem Nationaltrainer ein fast vergessenes Lustspiel von allerhöchstem Unterhaltungswert.
Denn inzwischen versucht Hockey-Ueli in seiner Verzweiflung erneut, Arno Del Curto irgendwie zu überreden. Obwohl der HCD-Trainer einen bis 2015 weiterlaufenden Vertrag in Davos hat, einen Vertragsbruch explizit ausschliesst und das auch immer wieder so bestätigt hat. Obwohl Pius-David Kuonen, als Verwaltungsrat der Vorgesetzte von Ueli Schwarz, ebenso explizit einen Nationaltrainer im Nebenamt ausschliesst und das so auch wiederholt öffentlich bekräftigt hat.
Das streng geheime Treffen zwischen Hockey-Ueli und Hockey-Arno findet heute im Hotel Radison Blu im Flughafen Kloten statt und wird bis etwa 19 Uhr dauern. So kann sich der rührige Verbandsdirektor nachher rechtzeitig zum Spiel ZSC Lions gegen Servette ins Hallenstadion begeben. Der Nonkonformist Arno Del Curto als Nationaltrainer – ach, wäre das ein Spektakel. Wie Mick Jagger als Schulgesangsbuch-Sachbearbeiter im Bundesamt für Kultur (BAK).
Das Problem bei der ganzen Sache: Ueli Schwarz sucht eigentlich nicht den bestmöglichen Nationaltrainer, sondern einen Nationaltrainer, der bereit ist, sich klaglos in die byzantinische Bürokratie des Bundesamtes für Hockeywesen einzuordnen. Der Trainer muss also nicht nur zur Mannschaft passen, sondern vor allem zu den Funktionären.
Kein Trainer, der bei Verstand ist, lässt sich auf ein solches Abenteuer ein. Deshalb hat ja Sean Simpson das Handtuch geworfen und geht mit seinem Kumpel Colin Muller lieber nach Russland (Jaroslawl).
Eigentlich gäbe es ja gute, vertraglich ungebundene Kandidaten, die im Hauptberuf Nationaltrainer sein könnten. Beispielsweise Slawa Bykow. Eine der grossen Spielerpersönlichkeiten des Welteishockeys. Als Spieler mehrfacher Weltmeister und Olympiasieger. Als Coach Russischer Meister und zweimal Weltmeister. Mit Wohnsitz in der Schweiz. Mit unserem Eishockey seit Jahren durch und durch vertraut.
Das Argument, das Ueli Schwarz immer wieder vorbringt: Slawa Bykow spreche nicht Deutsch. Das ist schlichtweg lächerlich: Der Nationaltrainer muss sportlich erfolgreich sein, nicht Deutsch reden. Die Hockeysprache ist international. Die Chancen, dass Slawa Bykow mit unseren Nationalspielern kommunizieren könnte, sind doch recht gross.
Kaum zu glauben, aber wahr: Hockey-Ueli hat Hockey-Slawa gar nie kontaktiert. «Nein, ich habe nie einen Anruf bekommen», sagt Slawa Bykow auf Anfrage gegenüber watson.ch. Wäre er denn am Job eines Schweizer Nationaltrainers interessiert? Er sagt diplomatisch: «Ich würde ein Gespräch nicht ablehnen.» Zurzeit hat Slawa Bykow noch ein Beratungsmandat für den polnischen Verband. Nächste Saison wird er wohl wieder hauptberuflich ins Hockeygeschäft einsteigen. «Ich habe einige Anfragen.» Aber eben: Keine von Ueli Schwarz.
Wer in unserem Land einen Nationaltrainer sucht und Slawa Bykow einfach ignoriert, macht seinen Job nicht. Mahnt doch der grosse Gotthelf in seiner Geschichte über Joggelis Brautschau, man müsse mit den Menschen reden. «Sonst weiss man gerade so viel von einem Meitschi, als man von einem Tier weiss, das man im Sack kauft: Da weiss ja auch keiner, hat er ein Lämmlein oder ein Böcklein.»
Aber eigentlich ist es ja logisch, dass Slawa Bykow nicht in die Kränze kommt. Er ist ganz einfach für die Bürokratie unseres Bundesamtes für Eishockey eine Nummer zu gross.