Felix Hollenstein zum Präsidenten machen? Völlig verrückt! Hat der Zaugg wieder einmal schlecht geschlafen oder am Ende gar bewusstseinsverändernde Pilze geraucht? Weder noch. Er hat nur die wirtschaftliche und politische und dorfkulturelle Lage der Kloten Flyers ganz nüchtern analysiert.
Mit der Entlassung von Felix Hollenstein ist die Zeit der Dorfromantik vorbei. Die Kloten Flyers sind jetzt ein unerbittlich resultatorientiertes und kapitalistisches Sportunternehmen geworden.
Aber so wie aus einem Schaf auch im Wolfspelz kein Raubtier wird, so wird aus den dörflichen Kloten Flyers in der Aussenwahrnehmung nie ein Hockeykonzern mit der Strahlkraft von den ZSC Lions. Präsident und Besitzer Philippe Gaydoul kann die 100 besten PR-Strategen auf der Welt engagieren und bringt den Stallgeruch des Dorfclubs doch nicht aus dem feinen Tuch von seinen Anzügen.
Die Kloten Flyers mahnen uns alleine wegen dem Klang von ihrem Namen immer an Provinz und Dorf. Niemals an Reichtum und Exklusivität und Macht wie die ZSC Lions oder Lugano oder der SC Bern. Und Kloten steht auch nicht für den Alpencharme und die Schneeromantik vom HC Davos oder die Sentimentalität von Ambrì. Die Kloten Flyers können 80 Jahre ruhmreiche Geschichte aus dem Dorfe nicht von einem Tag auf den anderen aufgeben. Man kann die Kloten Flyers aus dem Dorf herausnehmen. Aber nicht das Dorf aus den Kloten Flyers.
Der grösste Fehler von Präsident und Besitzer Philippe Gaydoul ist der freiwillige Verzicht auf diese dörfliche Kultur. Dieser Verzicht kostet ihn Millionen. Warum denn nicht die dörfliche Kultur hegen und pflegen und bewirtschaften statt sie zu verleugnen? Er kann bei den Kloten Flyers nach innen das Leistungsprinzip unerbittlich durchsetzen – und mit der Pflege der Dorfromantik nach aussen Millionen hereinholen.
Die Mächtigen und Reichen, die bei den ZSC Lions oder beim SC Bern ins Hockeybusiness investieren, werden nie Geld für die Kloten Flyers ausgeben. Kloten muss seine Gelder bei den KMU in der Provinz im Zürcher Unterland erwirtschaften. Bei jedem einzelnen Ladenbesitzer und Garagisten und Sattler und Glaser und Schreiner und Sanitär-Installateur und Klimatechniker und Optiker und Notar und Gärtner und Baugeschäft und Zahnarzt und Zimmermann und Treuhänder und Dachdecker und Gastwirt. Bei jedem Computer- und Käse- und Holz- und Velo- und Möbel- und Pneu- und Landmaschinenhändler. Bei jedem einzelnen Zuschauer. Das mag nicht die Welt von Philippe Gaydoul sein. Aber der grosse Vorsitzende von Kloten unterschätzt, welch enormes Potenzial in diesem lokalen Markt schlummert.
Geld für die Kloten Flyers gibt nur aus, wer eine emotionale Bindung zu den Kloten Flyers hat. Mit dem Verzicht auf die 80-jährige Geschichte als Dorfverein ist diese emotionale Bindung in den letzten zwei Jahren nach und nach aufgelöst worden. Die Kloten Flyers sind deshalb heimatlos geworden. Gestrandet im Niemandsland zwischen Grosszürich und Seldwyla. Das Gerede vom Grossklub und vom Lugano im Norden ist zwar durchaus treffend für das Geschäftsgebaren von den Kloten Flyers. Aber eben nicht für die Seele, die nach 80 Jahren nach wie vor in diesem Unternehmen wohnt. Das Erfolgsrezept wäre deshalb: Geschäften wie Lugano, aber so tun als wäre man immer noch Kloten.
Wie kann Philippe Gaydoul sein Hockeyunternehmen emotional wieder mit dem Umfeld und dem Dorf und der lokalen Wirtschaft und den Fans verkabeln? Wie kann er nach aussen die Romantik vom alten Kloten vorgaukeln? Selber ist er dazu nicht in der Lage. Er würde sich nur lächerlich machen, wenn er auf einmal die Nähe zur Vergangenheit und zur Basis und zum Proletariat suchen würde. Er muss das auch gar nicht.
Blicken wir doch einmal hinüber nach Nordamerika. Wie wird dort das «Big Business» betrieben? Dort wird das Leistungsprinzip unerbittlich durchgesetzt. Aber gleichzeitig hegt und pflegt jedes Sportunternehmen seine Seele und seine Geschichte und seine Traditionen wie ein seltenes Tier.
Die grossen Heldenfiguren aus der Vergangenheit werden verehrt. Sie sorgen für die Bindung zur Basis und zur Stadt und zur Geschäftswelt. Sie werden als Botschafter sehr oft lebenslänglich für den Klub eingesetzt. Manchmal werden sie sogar zum Präsidenten gemacht. Die Amerikaner wissen nämlich noch besser als wir: Nur wer im Sportbusiness den Weg in die Herzen von den Menschen findet, kann auch ihr Portemonnaie öffnen.
Niemand personifiziert das wahre und echte und ewige Kloten so sehr wie Felix Hollenstein. Der Hockeychronist Roland Jauch, mit den örtlichen Verhältnissen bestens vertraut, nennt ihn im «Landboten» so treffend «den letzten Klotener».
Felix Hollenstein könnte für Kloten neben dem Eis noch mehr leisten, als er sportlich auf dem Eis oder an der Bande geleistet hat. Als Präsident. Nicht als profaner Inserate- oder Werbeverkäufer. Felix Hollenstein ist eine Autorität, von der das Charisma im Universum Kloten über den Niederungen im Tagesgeschäft strahlt.
Philippe Gaydoul hat «Fige» als Trainer gefeuert und zurückgeholt und wieder gefeuert. Er kann ihn nun erneut zurückholen und zum Präsidenten ernennen ohne das Gesicht zu verlieren.
Felix Hollenstein ist die einzige Persönlichkeit, die das Umfeld von den Kloten Flyers mit der eigenen Geschichte versöhnen und gleichzeitig die Brücke ins Sportbusiness im 21. Jahrhundert bauen kann. Die Anhänger von den Kloten Flyers brauchen für ihr Glück nicht in erster Linie Siege und Titel. Davon haben sie in ihrer Geschichte schon genug geholt. Sie brauchen ein bisschen emotionale Nestwärme und die Illusion eine grosse Hockeyfamilie zu sein. Dann öffnen sie auch wieder das Portemonnaie und helfen Philippe Gaydoul das Defizit zu reduzieren. Niemand kann ihnen diese Illusion besser vorgaukeln als Felix Hollenstein, der letzte und der wahre und der ewige Klotener.
P.S. Ich weiss, dass Kloten eine Stadt und kein Dorf ist. Aber die Klotener Hockeykultur mahnt an Seldwyla. Nicht an Manhattan. Deshalb ist sie so stark.