Kurz ein Blick zurück, um das Problem zu erklären: Im Sommer 2020 hat sich die höchste Liga (National League, nachfolgend NL genannt) vom Verband gelöst und ist juristisch selbstständig geworden. Der Grund: Der Verband hatte zuvor die TV-Verträge für die NL-Meisterschaft ausgehandelt und vom Betrag nur einen Teil an die NL-Klubs abgetreten. Seit der Selbstständigkeit schliesst die NL die TV-Verträge direkt ab, kassiert dafür pro Saison rund 30 Millionen und bezahlt davon den Verband nur noch für Dienstleistungen (Junioren-Meisterschaft, Nationalteams, Schiedsrichter, Lizenz- und Rechtswesen). Seither gibt es für die NL-Klubs viel mehr Geld aus dem TV- und Werbetopf der Liga.
Die Swiss League (nachfolgend SL genannt) ist durch diese Trennung ein Scheidungskind geworden. Bis 2020 bildeten die NL und die SL innerhalb des Verbandes die Abteilung Profihockey. Aus den TV-Einnahmen bekam jeder SL-Klub nicht ganz 400'000 Franken pro Saison. Dieses Geld fliesst nun nicht mehr.
Die SL gehört nach einem kurzen, missglückten Versuch der Selbstständigkeit inzwischen wieder zum Verband. Es obliegt also dem Verband, sich um das SL-Wohl zu kümmern. Weil allen klar ist, dass es die SL als Ausbildungsliga braucht, haben sich der Verband und die NL zur Subventionierung der SL zusammengetan. Pro Saison fliessen aber nur noch rund 100'000 Franken in die SL-Klubkassen. Das ist gut eine Viertelmillion weniger als vor 2020.
Die wirtschaftliche Situation der SL-Klubs bleibt also prekär. Zu viel, um aufzugeben, zu wenig, um aufsteigen zu können. Das wird wohl so bleiben. Bei der NL und beim Verband sind höhere Subventionen tabu. Inzwischen hat Olten sportlich redimensioniert und strebt nicht mehr nach dem Wiederaufstieg. Basel hat die Qualifikation gewonnen, aber kein Aufstiegsgesuch gestellt: Man sei wirtschaftlich bislang nicht parat für die höchste Liga.
Aufstiegsberechtigt sind vor den anstehenden SL-Playoffs nur Visp und La Chaux-de-Fonds, und wenn nicht Visp oder La Chaux-de-Fonds SL-Meister werden, gibt es keine Liga-Qualifikation.
Ein Aufstieg wäre für beide kaum zu stemmen. Visp-Manager Sébastien Pico sagt, das Budget von rund 6 Millionen müsste mindestens auf 12 Millionen verdoppelt werden. «Davon sind 3 Millionen aus dem Topf der TV-Gelder garantiert. Aber die restlichen 3 bis 4 Millionen müssten bei der Werbung, in der Gastronomie und mit Matcheinnahmen generiert werden.» Das ist für Visp fast und für La Chaux-de-Fonds – die neue Arena ist auch nächste Saison nur ein Luftschloss – unmöglich.
Niemand bestreitet zwar die Bedeutung und Wichtigkeit der SL. Aber sobald eine Verbesserung etwas kostet, haben alle eine Ausrede, warum es halt nicht geht. Viel «Blabla» und keine konkreten Massnahmen.
Also macht es Sinn, wenn der Verband einen «Mister Swiss League» einstellt, der die Interessen der SL vertritt und die Umsetzung von Änderungen und Verbesserungen energisch vorantreibt und durchsetzt. Sozusagen als «Denis Vaucher des armen Mannes» (Denis Vaucher ist NL-Manager).
Eine Findungskommission hat mit mehreren Kandidaten Gespräche geführt. Aber nun kommt überraschend bereits das «Aus». Wunschkandidat Patrick Reber hat abgesagt. Der ehemalige Verbands-Kommunikationschef, NL- und Olten-Manager ist inzwischen Geschäftsführer beim Curling-Verband. Dort geht es auf und neben dem Eis schon etwas geruhsamer zu und her als im Hockey.
Der neue Verbandsmanager Martin Baumann bestätigt auf Anfrage, dass kein «Mister Swiss League» eingestellt wird. Die SL-Klubs wissen noch nichts vom Scheitern des Projekts.
Was nun? Martin Baumann sagt, er werde sein Konzept nächste Woche bei der Ligaversammlung den SL-Klubs vorstellen. Vorher wolle er dieses Konzept nicht verraten.
Nun, der Chronist kennt sein Konzept. Weil sich alle Gespräche um Lösungen seit mehreren Jahren im Kreis drehen und alle Vorschläge zerredet werden, soll nun der Auftrag an eine externe Institution (Marketing-Agentur) gehen, um konkrete Vorschläge auszuarbeiten.
Dieser Lösungsansatz ist logisch: Vorschläge, die aus der «Hockey-Familie» kommen, werden mit dem Hinweis gebodigt, die Idee helfe bloss diesem oder jenem Klub. Stichwort Befangenheit. Kommen hingegen Vorschläge von neutraler Seite, ist die politische Akzeptanz höher.
Geht es mit der Lösung, die Martin Baumann nächste Woche den SL-Klubs vorschlagen wird, endlich vorwärts? Oder bleibt es beim «Blabla»? Es ist eine Chance. Aber die Erwartungen sollten nicht zu hoch sein. Das Problem: Auch diese Lösung kostet etwas.
Der Hoffnungsschimmer: Es gelingt den SL-Klubs immer besser, auch ohne höhere Verbands-Subventionen mit den schwierigen Verhältnissen zu leben.
Das zeigen die Erfahrungen von zwei Persönlichkeiten, die mit der Entwicklung seit Jahren vertraut sind. Sébastien Pico ist seit 2005 Geschäftsführer bei Visp und Basels Sportchef Kevin Schläpfer war bei vier Aufstiegen in die höchste Liga mittendrin: In Olten (1993), Chur (1994) und Langnau (1998) als Spieler sowie als Sportchef in Biel, das 2008 in der Liga-Qualifikation Basels letztes NL-Abenteuer beendete. Er sagt: «Wir haben heute in Basel nicht ganz so viel Geld zur Verfügung wie damals 2008 für das Aufstiegsteam in Biel.» Biel ist damals mit rund 4 Millionen aufgestiegen. Seit 2008 haben sich die NL-Budgets auf über 20 Millionen mehr als verdoppelt. Das mag zeigen, wie die beiden höchsten Ligen wirtschaftlich immer mehr auseinanderdriften.
Während ganz oben nur noch Profis beschäftigt werden, ist die SL ins Niemandsland zwischen Profi- und Amateurhockey geraten: Die Saläre reichen für immer mehr Schweizer Spieler nicht mehr zum Leben als Profi. Allerdings sieht Kevin Schläpfer darin eine positive Entwicklung. «Das Niveau wird besser. Wir haben immer mehr junge, ehrgeizige Spieler, die sich einen Profi-Vertrag in der National League erkämpfen wollen.» Der Aufstieg in die NL mag für SL-Teams immer schwieriger und teurer werden. Für einzelne Spieler ist er bei entsprechender Leistung gut machbar.
Sébastien Pico hat durch seine langjährige Erfahrung einen guten Überblick über die Lohnentwicklung: «In den letzten vier Jahren ist der Durchschnittslohn um rund 30 Prozent zurückgegangen.» Es gibt immer weniger ehemalige NL-Stars, deren Karriere-Herbst in der SL vergoldet wird. Sie werden durch die von Kevin Schläpfer erwähnten jungen Talente ersetzt.
Die SL entwickelt sich also mehr und mehr zu einer Ausbildungsliga. Vom Aufstieg wird noch so gesprochen wie im richtigen Leben von einem Lotto-Gewinn: Es wäre wunderschön. Aber eigentlich rechnet niemand damit. Der letzte wahre Aufstiegsträumer und -Romantiker ist Chris McSorley. Der Kanadier treibt in Sierre mit unzerstörbarem Optimismus ein 80-Millionen-Stadionprojekt voran. Dazu gehört die Aussicht auf ein Team in der höchsten Liga. So rau die Wirklichkeit auch sein mag: Es hat in der SL immer noch genügend Sauerstoff für Träumereien.
Ajoie, Servette, Basel, CHDF, Thurgau, Visp, Sierre, Chur, Olten, GCK, Winterthur, Bellinzona und die Ligaquali wäre der Vertreter der NL Biel oder Lugano...