Im Vergleich zur alle vier Jahre stattfindenden Fussball-WM sind die jährlich ausgetragenen Titelkämpfe im Eishockey kein «Big Business».
Zum Vergleich: Die FIFA kassierte für die letzte WM in Katar rund 2,7 Milliarden Franken TV-Gelder. Die IIHF (der Eishockey-Weltverband) freut sich über gut 30 Millionen jährlich von der internationalen Vermarktungsagentur Infront. Für sämtliche TV- und Werberechte der verschiedenen WM-Turniere der Männer, Frauen und Junioren.
Dieser Betrag ist allerdings für die Dauer der Abwesenheit der Russen und Weissrussen im gegenseitigen Einvernehmen um etwas mehr als 20 Prozent gekürzt worden. Weil Infront durch den Ausschluss der Russen und Weissrussen gut 30 Prozent der TV- und Werbeeinahmen verliert.
Die FIFA schüttet bei der WM an die teilnehmenden Nationen insgesamt 440 Millionen Dollar aus. 9 Millionen Dollar gibt es bereits für die Plätze 32 bis 17. Der Weltmeister kassiert 42 Millionen.
Bei der Eishockey-WM werden jährlich vergleichsweise leidglich Almosen verteilt. Die IIHF überweist insgesamt 7,3 Millionen Dollar an die 16 teilnehmenden Nationen. Die Schweizer dürfen mit mindestens 575'000 Dollar rechnen: Das ist die Rangprämie bei der WM 2023 beim Erreichen des Viertelfinals. 1,1 Millionen gibt es für den Weltmeister.
Es gibt keine Möglichkeit, aus der Eishockey-WM ein lukrativeres Geschäft zu machen. Selbst wenn die Titelkämpfe nur alle vier Jahre ausgetragen würden, wären das Interesse und der Marktwert der TV-Rechte nicht grösser. Die Rechnung ist also einfach: Lieber alle Jahre rund 30 Millionen einnehmen als nur alle vier Jahre.
Die nordamerikanische National Hockey League (NHL) nimmt keine Rücksicht auf WM. Während einer Fussball-WM ruhen alle Klubmeisterschaften. Während einer Eishockey-WM laufen in der wichtigsten Liga der Welt die Playoffs um den Stanley Cup. Sie enden erst im Juni. Deshalb fehlen die Stars aus den in den Playoffs engagierten Teams. Für die WM in Riga und Tampere könnten für die zweite Hälfte des Turniers theoretisch immerhin die Spieler aus 28 der 32 NHL-Teams aufgeboten worden.
Aber eben: Nur theoretisch stehen die Stars aus 28 Teams für die WM zur Verfügung. Praktisch können sich die nationalen Verbände die WM-Teilnahme der teuersten NHL-Stars immer weniger leisten. Da immer mehr Europäer in der NHL in zentralen Positionen entsprechende Millionen-Saläre verdienen, wird es für die verschiedenen Landesverbände immer schwieriger, ihren WM-Einsatz zu finanzieren. Das gilt auch für die Schweiz.
Es geht um die Versicherung der NHL-Verträge. Die Versicherung der Spieler aus der heimischen National League ist kein Problem. Sie sind vom Klub auch für einen WM-Einsatz versichert. Der Verband entschädigt die Klubs mit einer Pauschale für den WM-Einsatz: 120 Franken pro Tag und Spieler und er übernimmt für die Zeit mit der Nationalmannschaft pro Rata die Versicherungsprämie. Spieler aus der NHL mit oder ohne Vertrag sind hingegen für die WM nicht versichert. Ihr WM-Einsatz muss der Verband versichern.
Lars Weibel ist Sportdirektor unseres Verbandes. Ihm obliegt die Organisation der WM-Expedition:
Die Versicherung lege die Prämien fest. Die IIHF subventioniere zwar die Prämien. Aber das decke die Kosten nicht.
Ein Beispiel zeigt diese Problematik: Timo Meiers Vertrag in New Jersey ist ausgelaufen. Er ist erst 26 und wird zeitnah den Vertrag seines Lebens unterzeichnen: mit einem Gesamtvolumen von rund 70 bis 90 Millionen und einer Dauer von sechs bis neun Jahren. Aufgrund dieser speziellen Ausgangslage hat Timo Meier von sich aus auf die WM verzichtet. Seine WM-Teilnahme hätte unser Verband ohnehin nicht finanzieren können.
Lars Weibel sagt klipp und klar:
Diese Entwicklung spielt der Schweiz in die Karten. Zwar wäre es nicht möglich gewesen, Timo Meier zu versichern. Aber die übrigen in der NHL engagierten Spieler kann sich unser Verband leisten. Schweden, Kanada, die USA, Tschechien oder Finnland könnten ihre Teams mit viel mehr NHL-Spielern verstärken, verzichten aber immer mehr auch aus Kostengründen auf viele ihre NHL-Stars. Ganz abgesehen davon, dass viele sowieso absagen.
Finnland ist 2022 mit lediglich fünf NHL-Spielern Weltmeister geworden. Im aktuellen WM-Team stehen fünf NHL-Profis. Bei insgesamt 55 Finnen, die diese Saison in der NHL ihr Brot verdienen. Die Bereitschaft unserer NHL-Stars, das WM-Team zu verstärken ist bemerkenswert, im internationalen Eishockey keineswegs eine Selbstverständlichkeit und höher als bei den anderen wichtigen Hockey-Nationen. Patrick Fischer ist inzwischen der einzige Nationaltrainer, der keine Absagen aus der NHL hinnehmen muss. Sofern nicht besondere Vertragsumstände oder Verletzungen eine Teilnahme verhindern.
In der Regel verzichten Spieler mit auslaufendem NHL-Vertrag auf die WM. Um die Chancen bei den Vertragsverhandlungen nicht durch eine Verletzung zu schmälern.
Die WM wird mittelfristig noch weniger von grossen Namen aus Finnland, Schweden, Tschechien, Kanada oder den USA leben. Was der Schweiz in die Karten spielt, aber wenig Einfluss auf den Beachtungsgrad des Turniers hat: Die WM lebt viel mehr von den Nationalmannschaften als von einzelnen Namen.
Unabhängig davon, wie die Spieler heissen. Gleiches gilt für alle anderen Nationen auch. Gerade mal 2792 Fans wollten die Schweiz gegen Kasachstan sehen. Nicht einmal für die Partien von Lettland ist die Arena in Riga mit einem Fassungsvermögen von 10'300 Plätzen ausverkauft.
Diese enttäuschenden Zuschauerzahlen haben nichts mit fehlenden grossen Namen zu tun. Sondern ganz einfach mit den Lebensumständen: Wenn ein Ticket in einem Land mit einem Durchschnittseinkommen von knapp 2000 Euro im Monat mehr als 100 Euro kostet, dann bleiben die Stadien halb leer. Zumal Lettland unter einer Inflationsrate von fast 20 Prozent ächzt.