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Nach 21.45 Uhr ist die Zeit der Aussenseiter abgelaufen – der SC Bern und die ZSC Lions stehen im Finale

Etwas weniger «Guy-Boucher-Hockey» beim SCB und schon überzeugen die Berner.
Etwas weniger «Guy-Boucher-Hockey» beim SCB und schon überzeugen die Berner.Bild: KEYSTONE
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Nach 21.45 Uhr ist die Zeit der Aussenseiter abgelaufen – der SC Bern und die ZSC Lions stehen im Finale

Die ZSC Lions und der SC Bern haben das fünfte Spiel mit dem gleichen Resultat (3:0) gewonnen. Das ist kein Zufall. Die Parallelen sind unübersehbar. Der Donnerstag wird für die Aussenseiter nun zum Tag der Fronarbeit. Der SC Bern und die ZSC Lions werden ins Halbfinale und anschliessend ins Finale einziehen.
11.03.2015, 08:5411.03.2015, 10:36
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Je weniger Hollywood, desto besser für die ZSC Lions. Je weniger «Guy Boucher-Hockey», desto besser für den SC Bern. Zum ersten Mal waren Partien in der Viertelfinal-Serie der Zürcher und der Berner im eishockey-technischen Sinne gut, normal, weitgehend rumpelfrei und logisch. Gut, normal, weitgehend rumpelfrei und logisch führt unweigerlich zu einem Sieg der viel talentierteren Zürcher und Berner.

Wenn alles logisch läuft, sind auch die Lions klar im Vorteil.
Wenn alles logisch läuft, sind auch die Lions klar im Vorteil.Bild: KEYSTONE

Erstmals in diesen Playoffs hatte Chefmechaniker Marc Crawford seine grosse, mächtige, teure Hockeymaschine auf allen Formationen und Positionen richtig abgestimmt.

Erstmals in diesen Playoffs bestimmte nicht die Angst vor dem Verlieren das Spiel des SC Bern. Sondern das arrogante, meisterliche Selbstvertrauen und die spielerischen Qualitäten.

Das Quäntchen hat entschieden

Biel und Lausanne waren auf den ersten Blick zwar wieder beinahe ebenbürtig und spielten auf Augenhöhe mit dem Titanen. Erst auf den zweiten Blick zeigten sich die kleinen, aber entscheidenden Unterschiede. Die Zürcher und die Berner waren nur ein wenig, aber eben doch und in allen Situationen um ein entscheidendes Quäntchen schneller, präziser, kaltblütiger. Sie gerieten nie mehr in Gefahr, das Spiel zu verlieren.

Beim letztlich recht knappen Ausgang ist die Frage reizvoll, was gewesen wäre, wenn. Wenn Biel eine seiner wenigen Chancen zum 0:1 oder später zum 1:1 bis zur zweiten Pause genutzt hätte. Biel hatte diese Chancen in den zwei ersten Dritteln. Lausanne nicht.

Auch die Bieler hatten ihre Chancen, doch der wiedererstarkte Lukas Flüeler hielt seinen Kasten sauber.
Auch die Bieler hatten ihre Chancen, doch der wiedererstarkte Lukas Flüeler hielt seinen Kasten sauber.Bild: Patrick Straub/freshfocus

Aber erstens hat es eben seine Ordnung und Logik, dass diese Chancen nicht ausgewertet worden sind. Torhüter Lukas Flüeler, im ersten Spiel beim Stande von 0:4 ausgewechselt (Schlusstand 0:5), spielt wieder sein bestes Hockey und ist einer der besten Torhüter im Land. Und selbst bei einem vorübergehenden 0:1 oder einem 1:1 hätten am Ende doch die Zürcher gesiegt. Sie brauchten erstmals in dieser Serie kein Glück, um ein Spiel zu gewinnen.

«Wäre», «hätte»: Die Sprache der Verlierer

Die ZSC Lions und der SC Bern waren zum ersten Mal in diesem Viertelfinale ganz einfach in jeder Beziehung besser. Selbst Biels Trainer Kevin Schläpfer gestand nach dem Spiel: «Die ZSC Lions waren diesmal einfach klar besser. Aber wir waren trotzdem nicht chancenlos. Wir kassierten das 3:0 ins leere Tor und wer weiss, wenn uns das 2:1 gelungen wäre – dann hätten wir auf einmal wieder ein Nervenspiel gehabt.» Aber eben: Nun wird bereits in der Sprache der Verlierer gesprochen: «wäre», «hätte», …

Der Biel-Coach muss bereits auf den Konjunktiv zurückgreifen. 
Der Biel-Coach muss bereits auf den Konjunktiv zurückgreifen. Bild: KEYSTONE

Biels Tapferkeit, Leidenschaft und taktische Klugheit und eine weitere grosse Leistung von Torhüter Simon Rytz verhinderten lediglich eine höhere Niederlage. In der 48. Minute parierte er beim Stande von 2:0 sogar einen Penalty von Patrik Bärtschi und später rettete er bei einem Powerplay seines Teams gegen den alleine anstürmenden Ryan Keller (53.).

Lausannes Tapferkeit, Leidenschaft und taktische Klugheit reichten nicht mehr aus, um bei SCB-Trainer Guy Boucher Angst vor dem Versagen und beim SCB eine spielerische Blockade auszulösen. Und zum ersten Mal in dieser Serie war Cristobal Huet «nur» ein sehr guter, aber nicht mehr ein grosser Goalie. Zum ersten Mal in dieser Serie war Marco Bührer besser. Er strahlte die Sicherheit eines Meistergoalies aus.

Die gleiche Leistung wie am Dienstag in Zürich hatte Biel zuvor zweimal zum Sieg gereicht. Aber jetzt ist die Normalität eingekehrt und nichts ist für den Aussenseiter schlimmer als die Normalität. Sie liess sich gestern sogar an der Uhr ablesen. Wenn ein Playoffspiel, das um 19.45 Uhr beginnt, vor 21.45 Uhr zu Ende ist, dann ging für den Aussenseiter alles zu schnell. Am Dienstag war im Hallenstadion um 21.44 Uhr Feierabend.

Lausanne reicht auch ein Exploit nicht mehr

Lausanne erreichte in Bern nicht mehr das gleiche Niveau und die gleiche Intensität wie in den vorangegangenen vier Partien.

Durchaus möglich, dass am Donnerstag Biel selbst die beste Saisonleistung nicht reichen wird, um die endlich, endlich, endlich erwachten ZSC Lions zu besiegen und das vorzeitige Ende der Serie zu verhindern.

Mit ziemlicher Sicherheit wird am Donnerstag Lausanne selbst die beste Saisonleistung nicht reichen, um die endlich, endlich, endlich erwachten Berner zu besiegen und das vorzeitige Ende der Serie zu verhindern.

Die NLA-Playoffs 2015

Der Donnerstag galt einst in der Schweiz als der Tag, an dem vom gemeinen Volke für die Gutsherren Frondienst zu leisten war. Also Arbeit ohne Lohn. Vieles deutet jetzt darauf hin, dass die sechste Partie für Biel und Lausanne am Donnerstag zur Fronarbeit wird. Zur schweren Eishockey-Arbeit ohne Lohn gegen die in Gutsherrenart spielerisch überlegenen Zürcher und Berner.

Finales Lob von Schläpfer offenbart Resignation

Das Handtuch mag Kevin Schläpfer nicht werfen und er will am Donnerstag noch einmal alles mobilisieren, damit diese Partie noch nicht die allerletzte im alten Bieler Eisstadion wird. Hollywood-Aktionen werde es keine geben. Spielerische und taktische Mittel sollen reichen. Und dann rühmt er seine Jungs. «Ich bin stolz auf das, was unsere Mannschaft geleistet hat.» Er betont, dass dies unabhängig vom Ausgang dieser Serie gelte. Kevin Schläper hat zweifelsohne recht. Bereits die Qualifikation für die Playoffs war eine grosse Leistung. Aber ein Trainer sollte das finale Lob erst spenden, wenn alles vorbei ist. Tut er es vorher, tönt es immer ein bisschen nach Resignation.

Eine Überraschung ist nur noch möglich, wenn die Bieler einen Weg zurück zu ein bisschen Hollywood-Hockey finden und verhindern können, dass das Spiel nicht im eishockey-technischen Sinne gut, normal, rumpelfrei und logisch verläuft.

Eine Überraschung ist für Lausanne nur noch möglich, wenn es noch einmal gelingt, beim Guy Boucher und beim SCB eine spielerische «Angst-Blockade» auszulösen.

Die Normalität ist eingekehrt

Die Serie zwischen dem SC Bern und Lausanne hatte ihren Kulminationspunkt im vierten Spiel nach 33:20 Minuten mit dem Ausgleichstreffer der Berner zum 1:1 erreicht. Seither ist dieses Viertelfinale in eine neue Phase getreten. Bis in dieses vierte Spiel hinein reichte bei Lausanne eine Kombination aus Taktik, Emotionen und Energie, um die eigenen spielerischen Limiten zu kompensieren und den Titanen ins Wanken zu bringen. Jetzt fehlt die Energie.

Biel hat in Zürich mit dem gleichen Resultat verloren wie Lausanne in Bern (0:3). Die Parallelen sind nicht zu übersehen. Die Normalität ist eingekehrt, am Donnerstag bleibt für die beiden Aussenseiter nur noch ehrenvolle Fronarbeit.

Auch mit Niederlagen am Donnerstag: Der SCB und die Lions stehen im Finale

Nun heisst es erst einmal, dass der vierte Sieg in einer Serie immer der schwierigste sei. Tatsächlich sind die ZSC Lions und der SC Bern noch nicht im Halbfinale. Aber beide werden das Halbfinale auch dann erreichen, wenn sie am Donnerstag eine sensationelle Niederlage erleiden sollten.

Diese beiden Quali-Topskorer werden sich im Finale bekämpfen: Roman Wick und Martin Plüss.
Diese beiden Quali-Topskorer werden sich im Finale bekämpfen: Roman Wick und Martin Plüss.Bild: PHOTOPRESS

Für die ZSC Lions und für den SC Bern hat in diesen Playoffs nach der Überwindung der Anfangsschwierigkeiten eine neue Phase begonnen: Der wahre Titelkampf. Wenn jetzt im eishockey-technischen Sinne alles gut, normal, weitgehend rumpelfrei und logisch läuft, dann werden die Zürcher und Berner auch das Finale bestreiten.

P.S. Der deutsche Dichter und Karikaturist Wilhelm Busch (1832 bis 1908) wusste noch nichts vom SC Bern und den ZSC Lions und den Playoffs im Eishockey. Und doch sagte er: «Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.»

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