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Es wird langsam Zeit, grundsätzlich zu werden. Vor einem Jahr führte uns Nationaltrainer Glen Hanlon mit einem ruhmreichen Sieg über Deutschland und Punktgewinnen gegen die Titanen Schweden und Tschechien in den WM-Viertelfinal. Und trotzdem wurde er nicht gefeiert. Ja, da und dort fiel sogar das Wort «Clown». Die vorzeitige Vertragsauflösung mit dem Kanadier ist im letzten Herbst begrüsst worden.
Das Leben im Allgemeinen und das Eishockey im Besonderen sind halt nicht immer fair. Wir sind jetzt in Moskau unter Patrick Fischer nach wie vor resultatmässig noch nicht so weit wie vor einem Jahr in Prag. Wir stehen nach fünf von sieben Vorrundenpartien weniger gut da als vor einem Jahr. Wir haben erst sieben Punkte. Zwei weniger als zum gleichen Zeitpunkt bei der letzten WM.
Wir brauchen aus den letzten beiden Partien gegen Schweden und Tschechien mindestens einen, wahrscheinlich aber zwei oder gar drei Punkte für die Viertelfinals. Das ist vorerst die bittere Wahrheit von Moskau
Es gäbe hier bissige Kritik, wenn Glen Hanlon noch an der Bande stehen würde. Was jetzt als Fortschritt, als dynamisches, mutiges, ja begeisterndes Offensivspiel gefeiert wird, wäre dann in der medialen Sichtweise mehrheitlich ein Spiel ohne Konzept. Mit ziemlicher Sicherheit wäre da und dort während dieser WM schon Glen Hanlons Absetzung gefordert worden.
Aber Name ist eben nicht bloss Schall und Rauch und der Pass nicht bloss ein Papier. Ein Eidgenosse zählt inzwischen mehr als ein Kanadier. Als objektiver Chronist und Historiker muss ich sagen, dass die Kanadier auch jahrelang davon profitiert haben, dass in unserem Hockey nordamerikanische Namen und Pässe mehr zählten als die Tüchtigkeit der Eidgenossen.
Doch die Zeit der Abrechnung naht. Am Ende des Turniers zählt der Rang. Zum bisherigen Verlauf des Turniers in Moskau passt daher ein Vergleich aus der russischen Kultur.
Nationaltrainer Patrick Fischer hat in Moskau so etwas wie ein potemkin'sches Dorf gebaut. So wird in Russland etwas bezeichnet, das herausgeputzt wird, um den tatsächlichen Zustand zu verbergen. Oberflächlich wirkt es beeindruckend, es fehlt aber die Substanz.
Der Ausdruck kommt von Fürst Potemkin. Er baute einst der Wolga entlang Kulissendörfer, um der vorbeifahrende Zarin, Katharina der Grossen, im eben von ihm eroberten «Neurussland» blühende, reiche Landschaften vorzugaukeln – wo aber eigentlich nur dünn besiedeltes, karges Land war.
Der Mut der Schweizer zur Offensive vermag phasenweise zu begeistern. Dieser vortreffliche optische Eindruck aber täuscht, wie die Dörfer des Fürsten Potemkin, über taktische und defensive Unzulänglichkeiten (sozusagen taktisches Ödland) hinweg, die zu den Punktverlusten gegen Kasachstan, Dänemark und Norwegen geführt haben.
Die Mannschaft steht vor den letzten beiden Partien nach wie vor irgendwo im Niemandsland zwischen Mut und Naivität. Schaffen wir die Viertelfinals doch noch, dann werden wir diesen Mut zur offensiven Ausrichtung loben und preisen und Patrick Fischer als neuen Hockey-Zaren von Moskau feiern.
Wenn es nicht für die Viertelfinals reicht, dann wird dieser Mut als taktische Naivität und als Überschätzung der eigenen Möglichkeiten kritisiert. Es wäre ein Rückfall zurück ins letzte Jahrhundert, als es so oft geheissen hat: Gut gespielt, spektakulär gespielt, aber leider verloren. An der WM ist jedoch Resultathockey gefordert.
Sogar der Held der Partie gegen Russland, Torhüter Reto Berra, provoziert den Vergleich mit Fürst Potemkin. Er spielte optisch eine grosse Partie. Aber seine Fangquote beträgt doch «nur» 86,84 Prozent. Also letztlich ist es ein potemkinsches Goalie-Dorf: Die vielen grossen Paraden haben zu wenig Substanz. 86,84 Prozent Fangquote reichen nicht. Für Punktgewinne gegen Schweden und Tschechien muss unser Goalie mehr als 92 Prozent der Schüsse abwehren.
Der Nationaltrainer war froh, dass gegen die Russen das Boxplay erstmals funktioniert hat (kein Tor in Unterzahl) und dass die Anzahl Fehler rückläufig war. Aber ein Fehlpass von Samuel Walser in der Angriffszone ist der Ausgangspunkt jenes Konters, der zum 0:1 führt. Ein Treffer, dessen Wirkung Patrick Fischer hinterher als «tödlich» bezeichnen wird. Wieder können wir das potemkinsche Beispiel heranziehen: Die Abwehr sah recht gut und in Unterzahl gar prächtig aus, aber am Anfang der Niederlage stand erneut ein unverzeihlicher Fehler. Auch da: mehr Schein als Sein.
Wir haben vor einem Jahr unter Glen Hanlon gegen Schweden und Tschechien je einen Punkt geholt und sind mit 10 Zählern in die Viertelfinals eingezogen. An diesem Resultat wird Patrick Fischer in der WM-Schlussbilanz gemessen werden. Kommt er in den Viertelfinal, ist er unser neuer Hockey-Zar von Moskau. Scheiter er, ist er unser Fürst Potekim des Hockeys.
Fürst Gregori Alexander Potemkin (1739-1791) ist übrigens von der Zarin für seine falschen Dörfer nie gerügt oder gar bestraft worden. Weil er halt auch ihr … Liebhaber war. Etwas boshaft können wir auch da einen Vergleich mit Patrick Fischer ziehen: Er ist zwar nicht der Liebhaber unserer Verbandsgeneräle (das möchte ich denn doch ausdrücklich betonen, damit nicht noch jemand eine Boshaftigkeit wittert).
Aber er ist doch der absolute Liebling von Verbandsdirektor Florian Kohler, diesem Hexenmeister des Marketings. Wenn einer in unserem Hockey die Idee versteht, die hinter den potemkinschen Dörfern steckt, dann Florian Kohler, der Gatte der TV-Moderatorin Steffi Buchli.