Für einmal etwas Hockey-Theorie und Statistik statt Polemik und andere unsachliche Behauptungen: Die Steigerung ist schon fast atemberaubend: Letzte Saison waren die SCL Tigers defensiv das drittschlechteste Team der Liga (159 Gegentore). Nur bei Ajoie (175) und Kloten (177) war die Verteidigung noch löchriger.
Eines der ewigen Gesetze in diesem sonst unberechenbaren Spiel heisst: Die Offensive entscheidet Spiele, die Defensive eine Meisterschaft. Kein Wunder also, dass die Langnauer letzte Saison nicht über den 11. Platz hinausgekommen sind. Nix Play-In, nix Playoff. Vorzeitige Ferien.
Und nun das Wunder: Langnau ist das defensiv beste Team der Liga. Bloss 25 Gegentore. Sogar 4 weniger als die meisterlichen ZSC Lions, die gleich viele Spiele ausgetragen haben. Aber die Zürcher sind mit 9 Punkten mehr Tabellenführer und die Emmentaler darben auf dem 12. Platz. Das ewige Gesetz über die Bedeutung der Defensive ist also ad absurdum geführt.
Langnaus Problem ist die Offensive. 0:1 in Zürich, 0:1 gegen Lausanne und nun 0:2 gegen Kloten: Aus insgesamt 95 Torschüssen haben die Langnauer in diesen drei Partien keinen einzigen Treffer gemacht. Und beim Gegner standen eigentlich nicht unüberwindbare Titanen zwischen den Pfosten: Robin Zumbühl bei den ZSC Lions, Kevin Pasche bei Lausanne und Sandro Zurkirchen bei Kloten.
Logik gibt es keine: Gegen Davos haben die Langnauer aus 35 Schüssen 7 Tore gemacht, die Abwehr nicht vernachlässigt und 7:0 gewonnen. Mit dieser Treffsicherheit hätten gegen die ZSC Lions, Lausanne und Kloten 18 Tore fallen müssen. Ein wenig ist die Hockeywelt aus den Fugen geraten.
Grundsätzlich bedeutet die Stabilisierung der Abwehr ein Lob für den Trainer. Solide Verteidigungsarbeit ist in erster Linie eine Frage der Disziplin und der Organisation und weniger des Talents und der Kreativität. Solide Verteidigungsarbeit ist also lernbar und es obliegt dem Trainer, seine Männer in der Verteidigungsarbeit zu unterrichten.
Die Offensive ist mehr eine Frage der Kreativität und des Talentes als der Organisation und der Disziplin. Wenn also Talent und Kreativität fehlen, ist der beste Trainer machtlos. Tatsächlich ist nur noch Ajoie (25 Tore) offensiv schwächer als Langnau (29). Die Bilanz gegen die ZSC Lions, Lausanne und Kloten (nur 4 Gegentreffer, null Tore) ist also ein Lob für den Trainer.
Hat Langnau zu wenig Talent? Trainer Thierry Paterlini sagt:
Logisch: Talent ist vor allem eine Frage des Geldes. Was zu einer interessanten Ausgangslage führt. Vili Saarijärvi ist einer der offensiv wirkungsvollsten Verteidiger der Liga. Nur Ambris Jesse Virtanen hat noch mehr Punkte produziert. Sein Vertrag läuft aus. Servette bietet vier Jahre und mehr Geld. Von einem «unmoralischen» Angebot zu reden wäre gar polemisch, aber reizvoll.
Am Ende läuft es in diesem Falle darauf hinaus, wie gross die Differenz im Angebot sein wird. Für 50'000 Franken mehr pro Saison wird der finnische Schillerfalter die Lebensqualität und die sonstigen Annehmlichkeiten in Langnau nicht aufgeben. Kontert Langnau die Offerte von Marc Gautschi ebenfalls mit vier Jahren und höchstens mit 50'000 Franken weniger Salär pro Saison, dann bleibt Vili Saarijärvi. Allerdings muss Sportchef Pascal Müller darauf achten, dass die Lohn-Hierarchie nicht aus der Balance gerät. Sonst gibt es Unruhe in der finnischen Sauna. Eine weitere Episode aus Geld und Geist. Oder moderner ausgedrückt: Money talks, Gotthelf walks.
Doch zurück zum Thema: Wie kann es sein, dass den Langnauern auch gegen Sandro Zurkirchen kein Treffer gelungen ist? Thierry Paterlini ist kein Mann der grossen Gesten und Worte. Aber für einmal spricht er auch mit den Händen. Um anzuzeigen, wie wenig gefehlt habe und mit einem entsprechenden Gesichtsausdruck zu illustrieren, dass er in einigen Szenen den ultimativen Biss auf dem direkten Weg zum Tor vermisst habe.
Aber so ist es in diesem Schauspiel auf rutschiger Unterlage: Bloss wegen ein bisschen zu wenig Biss in einer oder zwei Szenen werden alle taktischen Lehren und ewige Wahrheiten zu Irrtümern. Drei Tore mehr in den drei Partien gegen die ZSC Lions, Lausanne und Kloten und diese ganze Abhandlung wäre nicht geschrieben worden.
Kehren wir noch einmal zu Vili Saarijärvi zurück: Drei Spiele ohne einen einzigen Skorerpunkt und sowohl gegen die ZSC Lions (-1) als auch gegen Kloten (-1) mit einer Minus-Bilanz. Deswegen kritisiert ihn in Langnau niemand. Ganz im Gegenteil: Er wird für seinen generösen Einsatz und seinen Mut gerühmt: 22:52 Minuten Eiszeit in Zürich, 24:30 Minuten gegen Lausanne und gar 25:16 Minuten gegen Kloten. Kein kritisches Wort fällt. Vielmehr heisst es tröstend und anerkennend: Wer so hart und so lange arbeitet, dem können Fehler unterlaufen. Kein Wunder also, dass er halt bei diesem oder jenem Minustreffer auf dem Eis anzutreffen war.
Wenn er aber in Genf mit so viel Eiszeit in drei Partien keinen einzigen Skorerpunkt beisteuert und zweimal beim entscheidenden Minustreffer auf dem Eis steht, dann wird er mit ziemlicher Sicherheit ins Büro des Cheftrainers oder des Sportchefs zitiert. Dort wird man ihn in einfach gehaltener englischer Sprache ermahnen:
Die Ausländer eignen sich vorzüglich als Sündenböcke. Erst recht in diesem Klub, der verblassenden meisterlichen und europäischen Ruhm mehr oder weniger vergeblich aufzupolieren versucht.
Mag sein, dass vermeintliche taktische und sonstige ewige Wahrheiten im Eishockey immer wieder als Irrtümer entlarvt werden. Aber die Sache mit Geld und Geist gilt seit Anbeginn der Zeiten und bis zum jüngsten Tag.
Geld in Genf oder Geist in Langnau? Vili Saarijärvi sollte sich mal eine finnische Gotthelf-Übersetzung beschaffen.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte