Der Ehrentitel «Legende» ist für Spieler reserviert, die bereits zu Aktivzeiten eine zeitüberdauernde Bedeutung haben. Auch wer mit Biels Historie nicht vertraut ist, erkennt bereits beim ersten Besuch im Bieler Hockeytempel den besonderen Status von Damien Brunner. Wie in einer NHL-Arena schmücken in Biel Abbildungen, grossflächig wie ein Gemälde, den Gang hinter den VIP-Logen und darüber hinaus auch die Wände des Medienraumes. Viermal – mehr als jeder andere Bieler – wird Damien Brunner bei diesem Wandschmuck berücksichtigt: eine Legende.
Damien Brunner ist weder Bieler noch Berner. Er ist Zürcher, ausgebildet bei Klotens Junioren. Aber er steht für die schon fast zum Mythos verklärten fünf Jahre unter Trainer Antti Törmänen zwischen 2017 und 2023. Die Jahre der spielerischen Sinfonien und des dramatischen Scheiterns. Ein wenig vergleichbar mit Gottérons russischen Flugjahren unter Slawa Bykow und Andrej Chomutow. Spielerische Brillanz, Spektakel, Leidenschaft und doch nie Meister. Hockey als Kunst, Spiel und Drama. Hockey, wie es Damien Brunner leibt und lebt.
Mit Damien Brunner sind die Bieler 2019 im Halbfinal in sieben Spielen gegen den SC Bern und im letzten Frühjahr im Final in sieben Partien gegen Servette maximal dramatisch gescheitert. 2019 war Damien Brunner Topskorer des Teams. 2023 konnte er sechs der sieben Finalpartien bestreiten und war Biels produktivster Schweizer.
Im März wird Damien Brunner 38. Er bestreitet seine 6. Saison für Biel und sein Vertrag läuft aus. Er hat sich entschieden: «Ich werde nie mehr für ein anderes Team als Biel spielen. Entweder werde ich hier verlängern oder zurücktreten.» Hält kurz inne und bekräftigt: «Es gibt keinen Zweifel. Das ist definitiv so.» Ob Rücktritt oder noch eine Saison, will er bereits vor Ende Januar entscheiden. «Es ist Zeit, dass ich bald mit Stoney rede.» Stoney ist Biels Sportchef Martin Steinegger.
Nach wie vor gehört Damien Brunner zu den zehn besten Skorern seines Teams (30 Spiele/4 Tore/8 Assists). Keine Frage: er wird, wenn er weitermacht, auch nächste Saison für 20 Punkte gut sein. Schlauheit, Talent, Selbstvertrauen und läuferische Leichtigkeit rosten nicht. Ja, etwa beim SCB wäre er auch mit 38 nach wie vor sogar einer der schnellsten Spieler. Für so billige Polemik lässt er sich denn doch nicht einspannen. «Mithalten könnte ich wahrscheinlich, aber Sie sollten nicht übertreiben: Dominik Kahun, Marco Lehmann und Benjamin Baumgartner sind definitiv schneller als ich …»
Er sagt, warum für ihn nur noch Biel in Frage kommt: «Ich bin in der familiären Umgebung von Kloten zum Eishockey gekommen. In Biel habe ich wieder dieses ganz besondere Umfeld gefunden.» In Kloten kommt Damien Brunner 2006 in die höchste Liga und kann sich nicht durchsetzen. Und so tauschen ihn die Klotener im Laufe der Saison 2008/09 gegen Zugs Thomas Walser ein. Es ist einer der grössten Transfer-Irrtümer unserer Hockeygeschichte. Zugs Trainer Doug Shedden brachte es damals auf den Punkt: «Es ist ein Wahnsinn, dass wir Walser gegen Brunner eintauschen konnten.»
Damien Brunner trägt in Biel wieder – so wie einst in Zug – die Nummer 96. Das macht Sinn. Das flinke Kufentier mahnt an einem guten Abend ein wenig an Christian Dubé, einst die berühmteste Nummer 96 der Liga, heute Gottérons Bandengeneral. Er ist schnell, er ist frech und er hat das Gespür für den «tödlichen» letzten Pass und eine Nase fürs Toreschiessen. Er wird in Zug unter Trainer Doug Shedden Liga-Topskorer (2011/12) und schafft im Frühjahr 2013 den Wechsel in die NHL. Bei Detroit kommt er in 14 Playoff-Partien auf 9 Punkte.
Er ist nicht nur Klotens grosser Irrtum. Damien Brunner hat auch vom damaligen U20-Nationaltrainer Köbi Kölliker nie ein Aufgebot erhalten. Nicht einmal für ein Testspiel. Er ist also vom besten Kenner der Schweizer Nachwuchsszene übersehen worden und das mag eine Entschuldigung für die Klotener sein. «Das ist richtig», hat Köbi Kölliker später erzählt. «Aber Brunner hatte als Junior nicht die physischen Voraussetzungen, um sich international durchsetzen zu können.» Er stehe als Beispiel dafür, wie wichtig es sei, im Laufe einer Karriere zum richtigen Zeitpunkt in die richtige Mannschaft zu kommen: «Wäre Brunner nicht von Kloten nach Zug transferiert worden, wäre er in Kloten versauert und wir würden heute wahrscheinlich seinen Namen nicht kennen.»
Klotens Irrtum ist Damien Brunners Glück. Nach Zug stürmt er zwei Jahre in Nordamerika (135 NHL-Spiele/67 Punkte), kehrt heim in die Schweiz, wo er zwischen 2015 und 2018 in Lugano wohlhabend, aber nicht glücklich wird. Erst bei Biel kommt er im Sommer 2018 am Ort seiner Bestimmung an. Und diesen Ort wird er nicht mehr verlassen.
Inzwischen hat er mehr als 500 Spiele bestritten und 699 Punkte gebucht. Zum Meistertitel hat es zwar nie gereicht (2016 mit Lugano, 2023 mit Biel den Final verloren), zu einer WM-Medaille mit dem Nationalteam auch nicht. 2013 verpasst er die Silber-WM wegen des NHL-Abenteuers und 2018 die nächste Silber-WM verletzungshalber. Aber was sind schon Titel und Medaillen gegen den Legendenstatus in Biel? Eben.
Die Bieler sind in der laufenden Qualifikation wieder auf Kurs. Sie haben fünf der letzten sechs Spiele gewonnen. Der Rückstand auf die direkte Playoff-Qualifikation beträgt nur noch fünf Punkte. Die Polemik um Trainer Petri Matikainen hat sich gelegt. Im Herbst prophezeite ein intimer Kenner der Bieler Hockey-Kultur die Entlassung des Finnen für den November. Nun hat er mit Sinn für Selbstironie seine Prognose korrigiert: «Dann halt im November 2024 …» Biels Trainer hat einen Vertrag bis zum Ende der nächsten Saison.
Die Mannschaft hat inzwischen den Kulturschock von Antti Törmänens spielerischer Romantik zu Petri Matikainens Realismus überwunden und findet wieder Wege, um Spiele zu gewinnen. Biel hat zwar einen Teil seiner spielerischen Magie und Leichtigkeit verloren, aber die Leidenschaft behalten und die Energie wieder gefunden: ein wenig wie ein Flachland-Ambri.
Im Sommer ist allenthalben erwartet worden, dass Damien Brunner mit dem zur Schmirgelpapier-Psychologie neigenden Petri Matikainen nicht auskommen würde. Ein weiterer Irrtum. Damien Brunner sagt über seinen Trainer: «Er erinnert mich mit seiner direkten Art in vielerlei Hinsicht an Doug Shedden. Etwas weniger impulsiv bei der Einzelkritik. Aber immer fair, ehrlich und nie nachtragend.» Auf den Punkt gebracht: Sage mir, ob Damien Brunner mit Petri Matikainen klarkommt, und ich sage dir, ob der Finne im Amt bleibt.
Wie stehen nun die Chancen, dass Damien Brunner ein 7. Jahr für Biel stürmt? Sportchef Martin Steinegger hofft auf eine Verlängerung und bezeichnet die Chancen auf 50:50. Eine pessimistische Einschätzung. Damien Brunner ist mit der Beach-Volleyball-Weltklassespielerin Nina Betschart verheiratet. Sie wird voraussichtlich an den Olympischen Spielen in Paris (26. Juli bis 11. August) teilnehmen.
Wenn Damien Brunner von Biels Sportchef ein paar zusätzliche Freitage bekommt, um seine Frau in Paris zu unterstützen, dann wird er um ein weiteres Jahr verlängern. Er ist ein «ewiger» Spieler, einer der letzten Künstler. Motiviert und leidenschaftlich wie eh und je. Also warum nicht eine weitere Saison mit Biel? Es kommen dann ja noch genug Jahre ohne Eishockey.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Ja, genau das definiert Biel. Spieler, wie Damien Brunner, oder sonst Unverstandene, haben schon öfters in Biel ihre Heimat gefunden.
Hey, @Stoney, Damien ist nicht nur auf dem, sondern auch neben dem Eis, auf der Bank, in der Garderobe, im Sommertraining, einfach überall, wichtig. Verlängerung, ja.
Danke.