Die Europameisterschaft startet in einer Woche. Doch wer beim Eröffnungsspiel gegen Norwegen im Schweizer Tor steht, blieb lange offen - und damit auch die wichtigste Position im Fussball. Nationaltrainerin Pia Sundhage, die sich in anderen Themen wie der taktischen Formation als stur bezeichnet, tat sich schwer in der Frage: Livia Peng, 23, oder Elvira Herzog, 25? Erst am Dienstag informierte sie ihre Goalies intern, die Öffentlichkeit wartet noch auf den Entscheid.
Seit dem Rücktritt von Gaëlle Thalmann an der WM 2023 ist klar: Die Schweiz braucht eine neue Nummer 1. Seither liefern sich Livia Peng und Elvira Herzog ein Duell. Die dritte Option, Seraina Friedli, trat 2023 zurück – weil sie die Freude am Fussball verloren hatte.
Zwei Jahre also duellieren sich Peng und Herzog, die sich im Klub prächtig entwickelt haben. Sie wurden in ihren Bundesligaklubs Werder Bremen und RB Leipzig zum sicheren Rückhalt. Peng war in Bremen gar so gut, dass sie zur besten Torhüterin der Liga gewählt wurde und als Belohnung nach der EM zu ihrem Traumklub Chelsea wechselt.
Eigentlich hat die Schweiz kein Torhüterinnenproblem: Herzog und Peng haben beide internationales Niveau und sich in einer Topliga bewährt. Dennoch sind beide verunsichert, weil Pia Sundhage und Goalietrainerin Nadine Angerer den Konkurrenzkampf unentschlossen und widersprüchlich geführt haben.
Wurden die Goalies im Herbst nach der WM 2023 noch abwechselnd eingesetzt, entschied sich Nationaltrainerin Pia Sundhage nach ihrem Amtsantritt Anfang 2024 darauf, fast nur noch Elvira Herzog aufzustellen. Im letzten Herbst verkündete Sundhage schliesslich ihren offensichtlichen Entscheid. Ihr gefalle der Stil von Herzog als Torhüterin besser. Sie sei ihre Nummer 1.
Der Entscheid für Herzog war nachvollziehbar. Tatsächlich ist es Geschmacksache, welche Torhüterin einer Trainerin besser gefällt. Livia Peng ist stärker mit dem Fuss, spielt offensiver mit, Elvira Herzog ist robuster und mit ihren fast 1,80 immerhin fünf Zentimeter grösser als die schmächtig wirkende Peng.
Doch als im Frühling Elvira Herzog zu patzen begann, entschied sich Sundhage dafür, das Goalierennen erneut zu eröffnen. Für die letzten beiden Spiele in der Nations League setzte sie auf Peng statt auf Herzog. Zwar war auch die Bündnerin in ihren Auftritten nicht fehlerfrei, dennoch spricht derzeit in Sachen Selbstvertrauen einiges für sie. Doch ein klares Bekenntnis zu Peng blieb nach den Nations-League-Spielen aus.
Die Leidtragenden sind die beiden jungen Goalies: Statt sich in der Vorbereitung auf die EM mit ihren Verteidigerinnen einzuspielen, müssen sie sich Gedanken darüber machen, ob sie beim grössten Höhepunkt der Geschichte im Schweizer Frauenfussball eine Hauptrolle spielen oder nur zuschauen.
Das Duell um die Nummer 1 hätte anders gelöst werden müssen: Entweder sich früh auf eine Torhüterin festlegen und dann auch bei Gegenwind an ihr festhalten - oder abwechseln bis zum Ende der Pflichtspiele und sich dann entscheiden. Statt Klarheit zu schaffen, hat Pia Sundhage die schlechteste Variante gewählt: Zunächst kein offener Wettbewerb und dann kein Bekenntnis zur eigenen Nummer 1. Jetzt hat die Schweiz eben doch ein Goalieproblem. (riz/aargauerzeitung)