Noch im letzten Herbst trennen diese beiden Coaches Hockeywelten. Die Vorstellung, Mario Kogler könnte Rikard Grönborg herausfordern, ist schon fast absurd. Höchstens denkbar in einem Hollywood-Streifen über Hockey.
Rikard Grönborg (53) ist ein Welttrainer. Mit Schweden hat er bei verschiedenen Titelturnieren (U18, U20, WM) 16 Medaillen geholt. Davon vier in Gold. NHL-Organisationen sind an seinen Diensten interessiert.
Der charismatische schwedisch-amerikanische Doppelbürger übernimmt im Sommer 2019 die ZSC Lions und führt sie zum Qualifikationssieg. Aber die Saison wird im Frühjahr 2020 abgebrochen. Nach den heute geltenden Reglementen hätte das zum Titel gereicht.
Als Rikard Grönborg seine Arbeit im Sommer 2019 in Zürich aufnimmt, kennen Mario Kogler (33) nur Hockey-Nerds. Er ist beim SCB Cheftrainer in der höchsten Juniorenliga. Von der Position eines SCB-Bandengenerals, von einem Spiel gegen Rikard Grönborg ist er so weit weg wie ein Korporal vom Generalsrang. Gar anzunehmen, er könnte den ZSC-Trainer nachdenklich stimmen, wäre selbst für ein Hollywood-Drehbuch zu starker Tobak.
Unruhige Zeiten schreiben verrückte Geschichten. Am 6. Dezember 2020 wird Mario Kogler in Bern Nachfolger von Cheftrainer Don Nachbaur. Keine Zuschauer, kein Geld. SCB-Manager Marc Lüthi will nicht auch noch für einen neuen Trainer Geld ausgeben. Also befördert er Mario Kogler zum Cheftrainer der ersten Mannschaft. Vom grossen Kari Jalonen zur Episode mit Don Nachbaur nun zu Mario Kogler. In normalen Zeiten undenkbar.
Rikard Grönborg und Mario Kogler coachen also seit dem 6. Dezember 2020 in der gleichen Liga. Und werden doch nicht als ebenbürtig wahrgenommen. Einerseits ist da die ruhmreiche, mit WM-Titeln gekrönte Karriere des Schweden. Und andererseits auch sein charismatisches Auftreten.
Durch und durch eine Respektsperson. Auf sensible Naturen wirkt er selbst dann ein wenig furchteinflössend, wenn er freundlich und mit leiser Stimme spricht. Und allen, die ihm begegnen, ist klar: Der Mann kann, wenn es denn nötig sein sollte, auch toben. Ein Bandengeneral durch und durch. Und niemals käme es selbst dem vorwitzigsten Chronisten in den Sinn, ihn als Operettentrainer zu bezeichnen. Allein schon auf eine gewisse Ähnlichkeit mit Bud Spencer zu verweisen, wäre eine Respektlosigkeit sondergleichen.
Die Gegensätze im Auftreten könnten grösser nicht sein. Im chinesischen Hockey wäre von Yin und Yang die Rede.
Mario Kogler ist ein Kopf kleiner als Rikard Grönborg. Freundlich, immer gut gelaunt, mit einem beinahe wienerischen Charme (obwohl er nicht aus Wien stammt) und feinem Sinn für Humor in Selbstironie. Er mahnt ein wenig an eine Hockey-Version von Hansi Hinterseer. Kann der Mann in der Kabine toben? So wie es in der Macho-Welt Hockey hin und wieder sein muss, wenn es darum geht, spielende junge Männer an die Leistungsgrenze zu bringen? Eigentlich nicht vorstellbar.
Und so fällt es einem vorwitzigen Chronisten schon mal ein, Mario Kogler als «Operettentrainer» zu bezeichnen. Das ist natürlich boshaft gemeint. Aber in dieser Bezeichnung finden wir auch eine Erklärung, warum Mario Kogler nun sogar Rikard Grönborg herauszufordern vermag.
Die Leistungskultur beim SC Bern war noch nie ein Problem. Auch in diesen unruhigen Zeiten schweisst die Kerngruppe um Captain Simon Moser die Mannschaft zusammen. Unruhen im Fuchsbau der grössten europäischen Hockey-Firma dringen nie bis in die Kabine vor. Und seit dem Amtsantritt von Obersportchef Raeto Raffainer am 4. Februar ist in Berns Sportabteilung sowieso wieder Ruhe eingekehrt.
Kari Jalonen ist einer der autoritärsten und erfolgreichsten Trainer der SCB-Geschichte mit einer für bernische Verhältnisse biblischen Amtszeit von fast vier Jahren. Er perfektioniert das Spiel und je perfekter es wird, desto kleiner der individuelle Spielraum («Schablonen-Hockey»).
Und so muss er am 28. Januar 2020 seinen Platz den ebenso autoritären Hans Kossmann überlassen. Es ist der Anfang einer der turbulentesten Phase der neueren SCB-Geschichte. Als Meister von 2019 verpassen die Berner die Playoffs von 2020, die dann doch nicht gespielt werden.
Erst mit Mario Kogler hat der SCB nun wieder in die Spur zurückgefunden. Einerseits überraschend («Operettentrainer») und andererseits eben nicht: Die Operette nach Wiener Art ist ja die leichtere, unterhaltsamere, kreativere Version der Oper. Mehr vergnügliches Singspiel als die bedeutungsschwere Vertonung einer dramatischen Dichtung.
Wenn nun ein Trainer eine intakte, aber nach einer langen Phase autoritärer Führung ein wenig eingeschüchterte Mannschaft übernimmt, die starren Schablonen löst, ganz im Sinne der Operette wieder mehr Wert auf Kunst, individuelle Freiheiten und spielerische Muse legt – dann kann der Erfolg zurückkehren. Wie jetzt beim SC Bern. Und eine Bezeichnung («Operettentrainer»), die eigentlich boshaft gemeint ist, steht nun für ein Erfolgsgeheimnis.
Am 28. Februar 2021 führt Mario Kogler seinen SCB im Zürcher Hallenstadion gegen die ZSC Lions überraschend zum Cupsieg. Es ist der Tag, an dem Rikard Grönborg zum ersten Mal seit seiner Ankunft in der Schweiz von den Dämonen des Zweifels heimgesucht wird. Das sagt er so natürlich nicht. Aber Mario Kogler hat ihn sichtlich ins Grübeln gebracht.
Mag ja sein, dass der Cup für viele eine Operetten-Veranstaltung ist. Vom Prestige und der Bedeutung her nicht mit der Meisterschaft vergleichbar. Aber für Rikard Grönborg ist es eine Niederlage, die einen Titel kostet. Er verlässt nach dem verlorenen Cupfinal das Stadion durch den Hinterausgang. Was ganz und gar nicht seiner Art entspricht.
Seither haben die ZSC Lions alle Spiele verloren: 1:5 in Lausanne, 4:5 in Rapperswil-Jona (!) – und nun erneut gegen den SC Bern (2:5). In den Zürcher Schreibstuben fällt das Wort «Krise».
Ist es eine Krise? Nein. Noch nicht. Die ZSC Lions zeigen keine typischen Krisen-Symptome. Das Spiel ist bis auf ein paar Aussetzer wohl geordnet. Der Einsatzwille vorbildlich. Sven Andrighetto ist ein aufopfernd kämpfender, grosser Leitwolf. Aber es fehlen zündende Einfälle, smarte Spielzüge. Eishockey wird mehr gearbeitet als gespielt. Eigentlich fehlt nur eine Prise spielerischer Leichtigkeit im Sinne einer Operette.
Wenn Rikard Grönborg seit dem Cupfinal Besuch von den Dämonen des Zweifels hatte, so lässt er sich das am Samstagabend nach dem erneuten 2:5 gegen Mario Koglers SCB nicht anmerken.
Er lobt am Samstagabend die Arbeitseinstellung seiner Jungs. Die Härte in den Zweikämpfen. Den Willen. Er verweist auf die clevere Spielweise der Berner und konstatiert zu viele defensive Fehler bei seinem Team. Zu einem Urteil über die Torhüter (Lukas Flüelers Fangquote liegt bei 79,17 Prozent) lässt er sich nicht provozieren. Wer die Nummer 1 sei, entscheide die Leistung in Training und Spiel.
Die Zürcher haben den Cupfinal nicht wegen Ludovic Waeber verloren und das Spiel am Samstagabend auch nicht wegen Lukas Flüeler. Aber sie haben diese beiden Partien eben auch nicht dank ihren Goalies gewonnen. In den Playoffs müssen die Torhüter wieder dazu in der Lage sein, Siege zu «stehlen».
Der SCB hat seit dem Cup-Triumph vier von sechs Partien gewonnen und ist mit dem 5:2 im Hallenstadion zum ersten Mal in diesem Jahr auf einen Playoff-Platz (Pre-Playoffs) vorgerückt. Und auf einmal werden Erinnerungen wach an die märchenhaftesten Wochen der neueren SCB-Geschichte: an den Sturmlauf vom 8. Platz zum Meistertitel im Frühjahr 2016.
Die Parallelen sind erstaunlich: am 18. Dezember 2015 übernimmt Lars Leuenberger die Mannschaft vom extremen Systemtrainer Guy Boucher. So wie jetzt klar ist, dass Mario Kogler nicht Cheftrainer bleiben wird, ist auch Lars Leuenbergers Amtszeit bis Saisonende befristet. Lars Leuenberger galt damals so wenig als grosser Trainer wie heute Mario Kogler. Und im Tor stand mit Jakub Stepanek wie heute (Tomi Karhunen) ein Ausländer. Sogar ein ausländischer Stürmer (Cory Conacher) ist der gleiche wie damals.
Mario Kogler wie Lars Leuenberger? Es wäre die verrückteste Geschichte unseres Hockeys.
Der Z hat seit Anfang Jahr ausser 3x gegen Bern auch 3x gegen die Tigers und 2x gegen Ambri verloren.
Gegen die Tigers 3x DIN Schlussdrittel mit 3 Gegentoren verloren.
Ich würde beim Z suchen gehen, denn was da seit Anfang Jahr abgeht, hat nur bedingt mit Kogler zu tun.
Nur eine Randbemerkung. Für mich jedoch essenziell:
Lars Leuenberger gilt auch heute noch immer als kein grosser Trainer..