Die Hockeywelt ist hin und wieder ein wenig ungerecht. Die Lakers besiegen die ZSC Lions in Zürich nach Verlängerung 3:2. Ein grosser, dramatischer Sieg. Mit nur vier Ausländern und ohne Leitwolf Roman Cervenka errungen. Es gäbe ein paar schöne Geschichten zu erzählen. Über die Leidenschaft, den Mut und die taktische Schlauheit der Lakers. Über die erstaunliche Leistung, vielleicht seine bisher beste in der höchsten Liga von Luca Capaul, der mutig und cool verteidigte und auch vorwärts etwas bewirkte. Über den tschechischen Stürmer Martin Frk, der den SCB verlassen musste und jetzt bei zwei Treffern den Stock im Spiel hatte. Über Melvin Nyffeler, der sein Selbstvertrauen gebürstet und gekämmt hat und wieder dazu in der Lage ist, einen Sieg zu «stehlen». Die Lakers als Team der Stunde.
Aber in solchen Fällen interessiert oft der Verlierer mehr als der Sieger. Obwohl wir eigentlich die Sieger ehren sollten. Aber die ZSC Lions dominieren die Liga, führen die Tabelle auch nach zwei Niederlagen hintereinander immer noch an. Es ist mit Abstand die nominell beste und ausgeglichenste Mannschaft der Liga. Der meistgenannte Titelfavorit.
Wenn nun dieser Liga-Titan erstmals seit Anfang November wieder zweimal hintereinander verliert und am Sonntagnachmittag im ausverkauften eigenen Stadion eine Niederlage gegen die Lakers hinnehmen muss – dann erhoffen sich Chronisten eher eine Story beim Verlierer. Zumal dort mit dem flamboyanten Marc Crawford ein «Bandengeneral» das Kommando hat, der – wer weiss – für eine kernige Aussage gut sein könnte.
Die Hoffnung auf eine gute Story erfüllt sich nicht. Die Lakers hätten den besseren Erzählstoff geliefert. Marc Crawford ist nicht nur höflich wie immer. Er ist nachgerade gut gelaunt. Seine Ausführungen lassen sich in einem Satz so zusammenfassen: Natürlich stimme das Resultat nicht. Aber die Art und Weise, wie seine Mannschaft aufgetreten sei, habe ihm gefallen.
Richtig aufgeregt hat sich neben dem Eis eigentlich nur der ZSC-Berichterstatter einer grossen Tageszeitung, der nach einem Treffer der Lakers oben auf der Mediengalerie so wuchtig die Faust auf den Tisch haut, dass seine Berufskollegen aufschrecken. Mag sein, dass eine Heimniederlage gegen die Lakers hockeytechnisch kein Drama ist. Aber für einen Stadtzürcher, der den ZSC Lions nahesteht, halt schon ein wenig.
Nicht einmal der Einwand, es wäre hilfreich, mit zwei Pucks zu spielen, wenn Sven Andrighetto im Einsatz ist – eine Anspielung auf dessen etwas eigensinnige Spielweise – vermag Marc Crawford aus der Reserve zu locken. Er nimmt den Faden auf, um Sven Andrighettos Leidenschaft zu rühmen. Es hilft alles nichts. Der ZSC-Trainer bleibt gelassen. Marc Crawford hat ja auch Grund zur Gelassenheit. Die zwei Niederlagen sind tatsächlich erträglich. Bis auf die Resultate haben die ZSC Lions bei beiden Niederlagen in Schlüsselbereichen die besseren statistischen Werte. Sie traten nicht überheblich oder undiszipliniert auf und sie waren durchaus mit Leidenschaft bei der Sache. Fehlende Berufseinstellung – die den Trainer beunruhigen müsste – ist den Spielern nicht vorzuwerfen. Sie spielten, wie meistens in dieser Saison, unerbittlich wie eine Maschine. Auch ohne Dean Kukan, ihren «Maschinen-Meister» an der blauen Linie, der voraussichtlich noch für weitere zwei Wochen durch Krankheit ausfällen wird. Sie liessen sich auch nie einschüchtern und der charismatische Vorkämpfer Yannick Weber mahnte ein wenig an einen Berti Vogts mit Schusskraft. Das Problem war nur, dass sie gegen die Lakers – wie zuvor in Bern – einfach zu wenig Tore produzierten. Aus den beiden Partien resultierten aus 55 Abschlüssen lediglich vier Tore. Die Lakers, wahrlich weniger talentiert, haben in ihren zwei letzten Partien aus 56 Torschüssen sieben und die Berner aus 56 Abschlussversuchen acht Tore herausgeholt.
Die ZSC Lions sind über vier Linien und auf allen Schlüsselpositionen so gut besetzt, dass sie ihre Gegner beinahe mühelos zu dominieren vermögen und aus dieser spielerischen Leichtigkeit des Seins resultiert die erträgliche Leichtigkeit der Niederlagen. Aber sie mahnen – um wieder einmal den Vergleich zu bemühen – an Brasiliens Wunderteam bei der WM 1982 in Spanien. Eine der spielerisch besten Mannschaften der Fussballgeschichte, die am unerbittlichen Realismus der Italiener zerbrochen ist.
Das ist die Gefahr für diese ZSC Lions: In den Playoffs werden die Gegner gegen die Zürcher so unerbittlich realistisch zur Sache gehen wie damals am 5. Juli 1982 die Italiener beim 3:2 gegen Brasilien (über dieses Drama hat Piero Trellini ein wunderbares, 511-seitiges Buch geschrieben) und so unerbittlich wie der SCB am Freitag und nun am Sonntag die Lakers.
Die Frage geht deshalb an Marc Crawford, ob ihm die zwei Niederlagen in Bern und gegen die Lakers nicht ungelegen kommen. Als Warnung und Lehrstück für seine Mannschaft im Hinblick auf die Playoffs. Aber auch mit dieser Frage lässt er sich nicht aufs verbale Glatteis locken. Und doch könnte es sein, dass er tief in seiner Hockeyseele, dort, wo niemand hineinsieht, den Lerneffekt dieser Niederlagen durchaus zu schätzen weiss.
Die erträgliche Leichtigkeit der Niederlagen führt dazu, dass die ZSC Lions in den restlichen 17 Qualifikationsrunden bis zum 4. März wohl in erster Linie Siege zu «verkraften» haben und darauf achten müssen, dass sie durch ihre spielerische Überlegenheit nicht zu «unrealistischem» Hockey verführt werden. Und es könnte nicht schaden, wenn Sven Andrighetto seinen Spielkameraden den Puck ein bisschen mehr gönnt. Er ist der Dynamo des ZSC-Spiels. Aber in den Playoffs wird er es noch schwerer haben, seine Kreise zu drehen und seine Laufmeter in Tore umzuwandeln als gegen den SCB und die Lakers. Und für Marc Crawford gilt wie damals für Brasiliens Nationaltrainer Telê Santana: Die letzte Wahrheit steht immer – immer! – oben auf der Resultatanzeige.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte