Die Zahlen zeigen die Bitterkeit dieser Niederlage: 33:17 Torschüsse, 1:4 Tore. Nach dem 3:4 in Zürich mit dem Siegestreffer in der Schlusssekunde nun gegen Davos wieder ein Untergang mit Spektakel und hohem Unterhaltungswert.
Der Optimist sagt, mit der gleichen Dynamik wie gegen Davos hätten die Bieler Ambri, Langnau, die Lakers, Kloten und Ajoie vom Eis gefegt. Kein Grund zur Sorge also. Der Pessimist sagt: Ja, Biel spielt wie eine Rockband, aber verliert wie ein Schülerorchester.
Tatsache ist: Biel rockt. Mutig, schnell, direkt, intensiv. Schnelle Auslösungen für den direkten Weg zum gegnerischen Tor. Doppelt so viele klare Abschlussmöglichkeiten wie der Gegner. Modernes Hockey und auch neben dem Eis Entertainment pur: Ein neuer Videowürfel und eine noch lautere Soundanlage sorgen für noch bessere Stimmung und steigern den Erlebniswert.
Es ist immer einfach, vom Ende her, wenn das Resultat bekannt ist, eine Erklärung zu finden. Nach dem Spiel ist jeder ein Nationaltrainer.
Biel verliert, weil Davos jedes Tempo aushält. An einem guten Abend wie an diesem Donnerstag in Biel zelebriert der HCD die perfekte, die bissigste Mischung aus Tempo, Härte, Intensität, Geradlinigkeit und Hartnäckigkeit.
Es gibt eine Szene, die zwar ohne Folgen bleibt und doch so treffend die Differenz zeigt. HCD-Stürmer Simon Ryfors schubst Biels Verteidiger Miro Zryd durch die offene HCD-Bandentüre. Luca Christen will seinem Spielkameraden, der wieder auf die Beine gekommen ist, zu Hilfe eilen. Da mischt sich Brendan Lemieux ein. Wenn er will, der härteste der Liga. Er geht ausgerechnet auf Miro Zryd los, einen der weichsten der Liga, der am ganzen Gerangel unschuldig ist. Er bringt ihn aus dem Gleichgewicht, packt den sanften Schillerfalter am Leibchen und versucht ihn wie eine Katze am Balg aufzuheben.
Das Gerangel beschert Miro Zryd, Luca Christen und Lukas Frick kassieren je 2 und Brendan Lemieux kassiert 4 Minuten. «Mit Schwingen hätte ich vielleicht mithalten können. Aber er hat mich sofort aus dem Gleichgewicht gebracht und ich prügle mich doch nicht. Das war noch nie mein Stil.» Sagt der Schillerfalter Miro Zryd fast entschuldigend zum Vorfall, der aufs Resultat zwar keinen Einfluss hatte.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Charmant gesagt, aber auch ein wenig beunruhigend. Denn die Frage ist: Sind die Bieler robust und hart genug, um ihren dynamischen Stil durchzusetzen und durchzuziehen? Gegen spielerisch starke Teams wie die ZSC Lions oder den HCD haben die Bieler offenere Laufwege und es ist einfacher, das Tempo hochzuhalten und den spielerischen Mängeln davonzulaufen. Zur Nagelprobe werden erst Teams mit defensiver Ausrichtung wie Langnau oder die Lakers. Dann reichen Kunst und Kreativität womöglich nicht aus und es muss auch rumpeln. Funktioniert es nicht, kann aus Dynamik unverhofft Panik werden.
Wenn 33 Abschlussversuche nur zu einem einzigen Treffer führen, dann ist erstens der gegnerische Goalie (Sandro Aeschlimann) gut und zweitens haben die eigenen Stürmer versagt. War es wirklich eine gute Idee, Toni Rajala, den Kunstschützen, der manchmal für längere Zeit unsichtbar bleibt, aber dann auf einmal aus dem Nichts heraus trifft, auf die Tribüne zu schicken und durch Offensiv-Verteidiger Linus Hultström zu ersetzen? Wer Polemik mag, der sagt: Es war nicht klug. Toni Rajala hätte wahrscheinlich eine der Chancen genützt und Linus Hultström verlor im Powerplay in der eigenen Zone den Puck wie ein Junior gegen Filip Zadina und Rasmus Asplund traf zum 1:3. Das war der Wendepunkt.
Aber das ist hinterher billige Kritik. Steht aber für das, was Biel zum Verhängnis geworden ist: Eishockey ist auch ein Spiel der Fehler und Irrtümer. Bei Davos ist das hochentwickelte Tempohockey eingeübt und wird, wenn nötig, energisch durchgesetzt. Das bedeutet: weniger Fehler. Der HCD als unerbittliche, robuste Offensiv-Maschine. Die Bieler sind erst daran, ihr Tempohockey zu installieren, ihr System ist noch eine Baustelle. Das bedeutet: mehr Fehler. So gesehen ist es logisch, dass ein spektakulärer Fehler eines wichtigen Spielers (Linus Hultström) die Entscheidung herbeigeführt hat.
Biel ist das spielerisch brillanteste Schlusslicht seit Menschengedenken. Wenn die Bieler den Mut nicht verlieren, die Dynamik in ihrem Spiel bewahren, den Mut nicht verlieren und auch mal rumpeln, werden sie zügig vom Tabellenende wegkommen und einer Krise davonlaufen. Kommt Panik auf, werden sie im Tabellenkeller bleiben. Nach wie vielen Niederlagen wird aus Dynamik Panik? Nach fünf, sieben oder schon nach der nächsten?