Die alte Ordnung: Der SC Bern, die ZSC Lions, Lugano oder der HC Davos werden Meister. So ist es seit Menschengedenken. Seit Zugs einzigem Titel von 1998. Und so wird es auch in Zukunft sein.
Falsch. Diese alte Ordnung ist bedroht wie nie. Von der alten Ordnung ist diese Saison nur noch der SCB geblieben. Davos hat die Schmach der Playouts erlitten. Die ZSC Lions verpassten als Titelverteidiger die Playoffs und Lugano erlitt in der ersten Runde eine Abfuhr mit vier Niederlagen de suite gegen Zug.
Der SCB hat die Meisterschaft gewonnen und noch einmal verhindert, dass die Hierarchie unseres Hockeys ganz aus den Fugen geraten ist. Aber die Berner waren gegen Biel im Halbfinale nur noch eine Niederlage vom vorzeitigen Saisonende entfernt.
Wir stehen nach der Saison 2018/19 vor einer Revolution. Vor aufregenden Jahren des Umbruches und der Überraschungen. Drei Hockeyfirmen sind nun stark genug, um dem SCB, den ZSC Lions und Lugano auf Augenhöhe zu begegnen: Zug, Biel und Lausanne. Nach gut 20 Jahren zerfällt die Macht der alten «Viererbande» (SCB, HCD, ZSC, Lugano).
Zug kombiniert Kompetenz mit Geld. Biel hat genug Geld, um eine kluge Vorwärtsstrategie zu finanzieren. Lausanne bekommt bald ein neues Stadion und verfügt über unbegrenzte Mittel für Einkäufe in einem begrenzten Markt (was die Löhne hochtreibt). Die Frage ist nur, ob aus Lausanne das welsche Lugano (zu viel Geld, zu wenig Leistungskultur) oder ein welscher SCB (Geld und Leistungskultur im Gleichklang) wird.
Zug hat mit Abstand die besten Voraussetzungen, um als neuer Titan aus dieser Revolution hervorzugehen und die Herrschaft der alten «Viererbande» zu beenden. Das Geld, die Geduld, und die breite Abstützung durch eine exzellente Nachwuchsabteilung und ein Farmteam.
Es gibt eine schöne Episode für die hohen Ambitionen in Zug. Nach der Niederlage im vierten Finalspiel in Zug (1:3) stehen ein paar junge Zuger in origineller Aufmachung vor dem Stadion. Sie tragen Gewänder in den EVZ-Farben und Zylinderhüte. Einer nimmt den Hut ab. Er hat in diesem Hut eine dicke Meisterzigarre versteckt. Und er sagt mehr hoffnungsfroh als enttäuscht, er werde diesen Hut sorgsam aufbewahren. Er sei überzeugt, dass er diese Zigarre einmal rauchen dürfe, bevor sie ganz vertrocknet sei.
Das Hockeyunternehmen mit der jüngsten Führungscrew der Liga – der Cheftrainer, seine Assistenten, der Sportchef und der Geschäftsführer sind alle zwischen 40 und 45 Jahre alt – wird in den nächsten Jahren die Liga prägen. Die Chancen, dass die erwähnte Zigarre geraucht wird, ist gross. Das letzte Teilchen zum Meisterpuzzle haben die Zuger nämlich eingekauft: Meistergoalie Leonardo Genoni.
Gerade die Playoffs haben uns gezeigt, dass wir die Folgen des Transfers von Leonardo Genoni gar nicht hoch genug einschätzen können. Er personifiziert die Winnermentalität, die Zug im Finale noch gefehlt hat.
Welche Bedeutung er für eine Mannschaft hat, sehen wir am Beispiel des HC Davos. Ohne Leonardo Genoni ist aus dem Meister von 2015 ein Playoutist geworden. Inzwischen haben sich die Davoser auf Jahre hinaus von allen meisterlichen Ambitionen verabschiedet.
Der SCB hat eine viel solidere Leistungskultur und wird in der Sporthauptstadt der Schweiz vom grössten Publikum Europas getragen. Die Berner können den Verlust von Leonardo Genoni viel besser verkraften. Aber auch sie müssen die Rechnung für seinen Abgang bezahlen. Wer wettet, dass noch vor dem Weihnachtsfest ein ausländischer Torhüter in Bern spielt, hat gute Gewinnchancen. Und kein Schelm, wer sich fragt, wie wohl Kari Jalonen in seiner vierten Saison auf die erste Krise seiner Amtszeit reagieren wird.
Der SCB muss aber noch eine zweite Meister-Rechnung begleichen. Die bedingungslose Ausrichtung auf Erfolg hat Sportchef Alex Chatelain dazu gezwungen, zu überhöhten Preisen die dritte und vierte Linie durch Einkäufe (Sciaroni, Bieber, Grassi) zu bemannen. Der SCB kann eine Erneuerung nicht durch Zuschüsse von einem Mäzen finanzieren wie Lugano oder die ZSC Lions, die beide nächste Saison wieder Titanen sein werden.
Die Gelder müssen in Bern erwirtschaftet werden. Durch die steigenden Löhne der Durchschnittsspieler ist der SCB inzwischen an seine finanziellen Limiten gelangt und hat nicht mehr die Mittel, um bei den grossen Transfers mitzubieten. Deshalb zügelt Leonardo Genoni nach Zug. Deshalb stürmt Grégory Hofmann nächste Saison bei Zug. Deshalb ist Enzo Corvi in Davos geblieben. Deshalb sind Christoph Bertschy und Joël Vermin nach ihrem Nordamerika-Abenteuer nicht nach Bern zurückgekehrt.
Die ausgeprägte Siegermentalität hat dem SCB noch einmal den Titel beschert und wird ihn vor einem Absturz bewahren, wie ihn die ZSC Lions soeben verkraften mussten. Bern ist nicht Zürich. Aber der neue Meister hat keine Steigerungsmöglichkeit mehr. Die Konkurrenten hingegen schon. Unser Eishockey, unsere Liga wird jünger, dynamischer, kreativer, besser und noch ausgeglichener. Der meisterliche SCB hingegen älter.
Nach vier Jahren des Ruhmes mit drei Titeln und drei gewonnenen Qualifikationen wird der SCB als eines der führenden Unternehmen der Berner Unterhaltungsindustrie seinem Publikum von nun an wieder mehr Hollywood bieten.
Wir dürfen uns in der Sporthauptstadt der Schweiz auf beste Unterhaltung freuen. So wie der Mensch nicht vom Brot allein, so lebt ja auch das Publikum nicht nur von Siegen und Meisterfeiern.
Allerdings ist die Praxis jeweils eine andere Geschichte. Mal schauen wie es dann bei Gegenwind aussieht.
Meiner Ansicht nach könnte man in Zug z.b. Suri noch mehr vermissen als man im Moment annimmt.
...und ein Team muss auch vom Charakter her passen. Ohne diese wichtige Eigenschaft wäre Bern wohl gegen Genf ausgeschieden.
Mit Zug wird bestimmt zu rechnen sein, Lausanne seh ich eher als Lugano 2.0 bis es dem Investor verleidet.
Es wird sicherlich nicht einfacher Meister zu werden.