Natürlich wird kein Mensch bei halbwegs klarem Verstand das anstehende Duell zwischen den beiden Erstplatzierten als endgültige Vorentscheidung bezeichnen. Zu eng geht es in der Super League derzeit zu und her. Zu viele Teams schielen noch auf den Platz an der Sonne. Und zu zahlreich sind die Stolpergelegenheiten in den folgenden 16 Runden.
Trotzdem lässt sich nicht abstreiten, dass am Samstagabend um 21.35 Uhr zumindest die Marschrichtung für die nächsten Super-League-Wochen feststehen dürfte.
Wenn der FC Basel die Young Boys mit einer Niederlage nach Hause schickt, beträgt der Vorsprung des Meisters bereits fünf Punkte. Es ist statistische Spielerei, aber damit könnten die Berner zum ersten Mal in der laufenden Saison schon nicht mehr aus eigener Kraft Meister werden. Basel wäre einmal mehr in der Rolle, in welcher man sich in den vergangenen vier Jahren erfolgreich geschlagen hat: Alle jagen den Giganten.
Umgekehrt könnte YB mit einem Exploit im St. Jakob-Park zum ersten Mal seit der 7. Runde wieder die Tabellenführung übernehmen. Das Rennen um den Titel wäre offener denn je!
Wer schiebt sich also in die Pole-Position? watson macht den Leader-Check:
Den YB-Anhängern wird es beim Blick ins Archiv augenblicklich flau im Magen. Seit 2010 konnte Gelb-Schwarz nur eine einzige von 16 Liga-Partien gegen den FC Basel gewinnen. Das entspricht einer Siegesquote von läppischen 6,25 %. Die Bebbi hingegen waren im gleichen Zeitraum ganze 9 Mal siegreich, 6 Mal endete das Duell unentschieden.
Die wirklich wichtigen Spiele sind noch einmal ein Thema für sich. Man erinnere sich bei YB nur kurz an die verlorene Finalissima von 2008 und an jene von 2010. Zwei dunkle und traumatische Kapitel in der Berner Fussballgeschichte, welche den Begriff «etwas veryoungboysen» in den modernen Sprachgebrauch eingehen liessen.
Zu guter Letzt hat Basel unter der Woche im Cup-Nachtragspiel mal eben kurz Le Mont mit 6:1 vom Platz gefegt. Das gleiche Le Mont, gegen welches YB im Achtelfinale gleich mit 1:4 getaucht ist.
Beide Mannschaften haben beim Rückrundenauftakt zumindest resultatmässig ihre Pflicht erfüllt.
Basel bezwang Schlusslicht Lausanne trotz sechs gewichtiger Abenzen mit 3:1. Der Sieg kam vor allem dank des spektakulären Eigentors von Lausannes Mevljia und einem überragenden Fabian Frei zustande.
YB schien im Kantonsderby gegen Thun über lange Strecken noch im Winterschlaf zu stecken und kam am Ende mit einem 2:1 ziemlich unverdient zum Dreier.
YB scheint zum Jahresauftakt von der Glücksgöttin geküsst worden zu sein. Die Thuner vergaben den Sieg am letzten Wochenende unter anderem mit einer unfassbaren Slapstick-Einlage vor dem YB-Tor und zwei Aluminiumtreffern. Zarate beerdigte die Träume der Berner Oberländer am Ende mit einem Lucky Punch. Den hätte ein Juniorengoalie an einem mittelmässigen Tag gehalten – aber Guillaume Faivre nicht.
Beim FC Basel ist mit Fabian Schär der stärkste Innenverteidiger der Liga weiterhin verletzt. Für die Nummer 2, Ivan Ivanov, ist die Saison nach seinem Kreuzbandriss gar ganz gelaufen. Gegen YB kehrt zumindest Arlind Ajeti von einer Gelbsperre zurück. Der 20-jährige wird mit der Spartak-Leihgabe Marek Suchy erstmals das Innenverteidiger-Duo bilden. Die Automatismen fehlen, die Kommunikation ist nicht unkompliziert, YB wird zu Chancen kommen.
Der Hammertransfer des Winters steht bei YB vor seinem Debüt. 2,5 Millionen Franken sollen die Berner für Milan Vilotic an GC überwiesen haben. Eine Summe, die mit erfolgsabhängigen Zahlungen bis auf 4 Millionen ansteigen kann. Damit wird der 27-Jährige der teuerste Transfer der Geschichte zwischen zwei Schweizer Klubs. Mit Steve von Bergen und Vilotic verfügt YB nun wohl über beste zentrale Abwehr-Bollwerk der Schweiz. Wenn sich die beiden auf Anhieb verstehen, wird es für Basel durch die Mitte ganz schwer.
Die Young Boys haben in jeder Linie mindestens eine gewichtige Abszenz zu verzeichnen. Goalie Marco Wölfli fehlt ebenso verletzt wie Linksverteidiger Marco Bürki. Im Mittelfeld ist Captain Christoph Spycher fraglich. Dazu fehlen die gesperrten Moreno Costanzo und Renato Steffen sicher. Auch im Sturm ist Samuel Afum weiterhin ausser Gefecht. Keine einfache Hypothek für einen Spitzenkampf.
Noch schlimmer trifft es aber die Basler, wie ein Blick auf die interne Torschützenliste zeigt. Mit Fabian Schär (3 Tore, Patellasehnenprobleme), Mohamed Salah (4 Tore, Abgang zu Chelsea) Giovanni Sio (4 Tore, Augenverletzung) und Valentin Stocker (4 Tore, fraglich wegen Zerrung) sind die Plätze zwei bis fünf gegen YB wohl nicht einsatzfähig. Das Basler Offensiv-Schicksal liegt beim Gipfeltreffen fast nur in den Händen von Topskorer Marco Streller (8 Tore).