Die FIFA ist keineswegs ein monolithisches Gebilde. Vielmehr setzt sie sich aus sechs Teilverbänden (Asien, Afrika, Südamerika, Nord- und Mittelamerika, Ozeanien und Europa) zusammen.
Darauf gründet Sepp Blatters Fussball-Weltherrschaft. Nach dem Rezept, das schon das alte Rom zur Weltmacht erhoben hat: Divide et impera («Teile und herrsche»). Sepp Blatter profitiert davon, dass die Kulturen in seinem Weltreich so unterschiedlich sind, dass keine Mehrheit gegen ihn gebildet werden kann. Er verdankte seine Wahl 1998 vor allem der Unterstützung der Afrikaner.
Die einzelnen Teilverbände sind aufgrund ihrer Mitgliederzahlen zu schwach für eine Revolution. Weder Asien (47 Mitglieder), Afrika (56), Südamerika (10), Nord- und Mittelamerika (41), Ozeanien (14) noch Europa (54) haben genüg Stimmen für den Aufstand. Denn tiefgreifende Veränderungen (wie beispielsweise ein Präsidentenwechsel oder wenigstens die Verschiebung von Sepp Blatters Wahl) bedürfen qualifizierten Mehrheiten (in der Regel 75 Prozent der Stimmen) – und die erreicht keiner der Teilverbände.
Die UEFA ist reich und wirtschaftlich so stark, dass sie ohne die FIFA und Sepp Blatters Wohlwollen bestens leben könnte. Die Champions League und die EM (Fussball-Europameisterschaft) spülen genug Geld in die Kasse und können eigenständig organisiert werden. Nach den Olympischen Spielen und der Fussball-WM ist die EM weltweit der wirtschaftlich erfolgreichste Titelkampf.
Die EU trägt viel zur kulturellen Einheit und zum Erfolg der UEFA bei: Gesetzgebung und politische Kultur der Mitgliederländer sind trotz aller nationalen Unterschiede und Rivalitäten durch die EU sehr ähnlich geworden. Keiner der FIFA- Teilverbände funktioniert so gut und ist wirtschaftlich so erfolgreich wie die UEFA.
Eine andere Frage ist, ob die UEFA «sauberer» ist als die FIFA. Aufgrund der europäischen Gesetzgebungen (auch im Bereich der Besteuerung) kann davon ausgegangen werden, dass es in der UEFA bei weitem nicht so bunt zu und hergeht wie in der FIFA.
Aber der wirtschaftliche Gigant UEFA ist politisch ohnmächtig. Die 54 Stimmen reichen nicht aus. Bei der FIFA gilt: Jedes der 209 Mitgliederländer hat eine Stimme. Also ist die UEFA, wenn sie etwas erreichen will, auf weitreichende Allianzen angewiesen. Bis heute ist es nie gelungen, die Verbündeten für die entsprechenden Mehrheiten in Asien, Afrika oder Amerika zu bekommen.
Die Engländer, Deutschen, Holländer oder Franzosen, ja alle UEFA-Mitglieder, mögen sich seit Jahren einig sein: Sepp Blatter muss gestürzt werden. Aber sie sind machtlos. Die Mehrheiten finden sie nicht. Denn noch immer ist eine Mehrheit der 209 Mitgliederländer auf die Subventionen der FIFA angewiesen. Niemand beisst die Hand, die ihn füttert.
Und nicht einmal die UEFA bildet eine geschlossene Einheit. Bei der Pressekonferenz nach der Mitgliedsversammlung sagte Präsident Michel Platini, dass nicht alle europäischen Verbände gegen Blatter stimmen werden. Aber: «Mindestens 45 von 54 heute anwesenden Mitgliedern werden für Prinz Ali stimmen», so Platini. Doch das reicht nicht. Auch die Rücktrittsaufforderung Platinis in Richtung Blatter hilft nicht.
Die UEFA kann lediglich durch spektakuläre Aktionen ihren Unmut in die Welt hinaus tragen. Beispielsweise können die Vertreter der UEFA- Mitgliederländer dann, wenn Sepp Blatter gewählt wird, den Saal geschlossen verlassen. Das wird Aufsehen erregen – aber Sepp Blatter kann sich sagen: Die UEFA-Hunde bellen, meine FIFA-Karawane zieht weiter. Sepp Blatters Position und Macht sind im Inneren gesichert.
Die Gefahr kommt von aussen. Die US-Justiz mit ihrem weltweit anwendbaren Anti-Korruptionsgesetz und die Politik können die FIFA in den Grundfesten erschüttern. Fussball spielt in den USA bei weitem nicht die gleiche Rolle wie etwa in den europäischen Ländern. Eine Verfilzung zwischen Politik, Wirtschaft und Fussball, die Justiz und Politik bremst, gibt es in den USA nicht.
Aber Interventionen der US-Behörden reissen diesen Filz auf. Heute hat das brasilianische Parlament unter dem Eindruck der aktuellen Ereignisse endlich eine Untersuchungskommission gegen die Machenschaften im Fussball beschlossen.