Der viel gescholtene Sebastian Vettel zeigt beim GP von Barcelona endlich mal wieder ein starkes Rennen. Mitten in der Ferrari-Krise ein Erfolgserlebnis für den vierfachen Weltmeister, der bisher eine so unglückliche Saison erlebt hatte. Platz 7 beim Grossen Preis von Spanien – was im ersten Moment nicht beeindruckend klingt, ist für die Scuderia aktuell schon ein Erfolg. Beeindruckend war vor allem die Art und Weise, wie Vettel über die komplette Renndistanz fightete und sich dabei mal wieder mit dem eigenen Team zoffte. Die Fans belohnten den 33-Jährigen nach dem Rennen mit der Auszeichnung zum «Fahrer des Tages».
Was war passiert? Nach dem enttäuschenden Qualifying vom Samstag ging der Deutsche von Platz 11 ins Rennen, musste sich von Anfang an im Getümmel nach vorne kämpfen. Was zum Start noch zäh aussah, zahlte sich mit zunehmender Rundenzahl aus – denn die Reifen spielten eine entscheidende Rolle auf der Strecke in Barcelona. Vettel hatte als Elfter freie Wahl der Gummis, entschied sich für die etwas härtere Mischung, die zwar nicht so viel Tempo verspricht, aber dafür haltbarer ist. So konnte er länger draussen bleiben als seine Rivalen.
Sebastian Vettel's P7 in Spain finish took him past the 3000-point mark in F1 👊
— Formula 1 (@F1) August 16, 2020
He's just the second driver to each the landmark, after Lewis Hamilton #SpanishGP 🇪🇸 #F1 pic.twitter.com/Upqvd8CSZk
Aber: Nach 30 Runden waren die Reifen offenbar doch schon am Ende, Vettel musste in die Box, bekam dann die softe Mischung aufgezogen. So kam er auf Rang 14 wieder auf die Strecke, musste sich erneut nach vorne kämpfen – und müsste dann wegen der kürzer haltbaren Reifen später wohl noch mal in die Box. Ein doppelter Rückschlag für Vettel. Eigentlich.
Doch der Routinier biss auf die Zähne, holte das letzte aus den Pneus heraus und kam auch durch Boxenstops der Konkurrenz immer weiter nach vorne. Dann ein kurioser Wortwechsel über den Teamfunk: Ferrari prognostizierte Regen, Vettel wollte darauf wissen, wie viel Gas er geben könnte – und bekam keine Antwort. Dann aber fragte die Box plötzlich: «Wie denkst du darüber, mit den Reifen durchzufahren?» – und das in Runde 52, nur 14 Runden vor dem Ende. Vettel fluchte: «Das habe ich Euch doch schon vorhin gefragt» und schickte noch ein paar Schimpfworte dazu, die in der TV-Übertragung überpiept wurden.
«Ich war ein bisschen angekratzt», erklärte Vettel nach dem Rennen. Der Regen kam übrigens auch nicht. Ferrari war mal wieder ohne richtigen Plan unterwegs und so fuhr Vettel mit eigener Strategie, und die hiess: Mit den Softs durchfahren.
Das war jedoch eine Herkulesaufgabe gegen Verfolger mit frischeren Reifen. Am Ende überholt Lance Stroll und Carlos Sainz noch den Ferrari, der sich auch noch gegen die immer dichter auffahrenden Alex Albon und Pierre Gasly wehren musste. Am Ende resultierte Platz 7 und die Auszeichnung zum «Fahrer des Tages». Immerhin ein kleines Trostpflaster für Vettel, der mit seinem Team einfach nicht mehr auf den gleichen Nenner kommen will.
P11 to P7 ⬆️
— Formula 1 (@F1) August 16, 2020
And you have voted Sebastian Vettel as your Driver of the Day!#SpanishGP 🇪🇸 #F1 pic.twitter.com/s7eRGacrdv
Ferrari-Teamchef Mattia Binotto erklärte nach dem Rennen: «Ich will nicht über Missverständnisse zwischen Fahrer und Kommandostand sprechen. Aus eigener Wahl reden wir offen. Andere machen das nicht, um ihre Absichten zu kaschieren.» Und weiter: «Wir finden, es ist der richtige Weg, wenn beiderseits Fragen gestellt werden. Wenn wir die letzten Rennen anschauen, dann haben wir die richtigen Entscheidungen getroffen. Diskussionen und Fragezeichen sind uns willkommen. Denn nur ein solcher Dialog führt zur richtigen Wahl.»
Das sieht Vettel vielleicht ein wenig anders. Der Deutsche konnte seinen Groll gegen das eigene Team jedenfalls nicht mehr verbergen. Als er bei Sky gefragt wurde, worauf Ferrari nach solch einem Wochenende denken müsse, antwortete Vettel: «Meine Meinung ist nicht mehr wichtig.»
Darauf angesprochen konnte sich Binotto einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen: «Das ist eine Bemerkung, die von seiner Enttäuschung diktiert worden ist, nächstes Jahr nicht mehr Teil des Teams zu sein. Wenn er so etwas sagt, dann will er damit nur ausdrücken, dass Ratschläge für die Zukunft nicht mehr seine Sache sind.» Man arbeite weiter gut mit ihm zusammen: «Sein Wochenende war ordentlich. Er hat heute ein gutes Rennen gezeigt, und ich bin davon überzeugt, dass ihm das mehr Selbstvertrauen gibt.» Eine Liebesbeziehung wird aus Vettel und Ferrari aber definitiv nicht wieder werden.
Liebe Leute, Korrekturlesen hat noch niemandem geschadet ;-)