In der letzten Saison war Giedo Van der Garde Ersatzfahrer bei Sauber. Mit einem Vertrag, der ihm für die Saison 2015 ein Cockpit als Stammfahrer zusicherte. Mit dieser Aussicht überwiesen die Sponsoren des Holländers einen schönen Batzen nach Hinwil.
Sauber-Chefin Monisha Kaltenborn war anderer Meinung. Sie ging davon aus, dass die nun umstrittene Vereinbarung nicht mit dem Fahrer getroffen wurde, sondern mit einer Gesellschaft. Deshalb glaubte sie, den Vertrag nicht einhalten zu müssen und stellte mit Marcus Ericsson und Felipe Nasr zwei neue Stammpiloten ein. Ein folgenschwerer Irrtum.
Denn nun stellte der Oberste Gerichtshof des australischen Bundesstaats Victoria klar: van der Gardes Vertrag ist gültig. Sauber müsste demnach einen seiner beiden Fahrer aus seinem Auto befördern, um Platz zu machen für den Holländer. Was für eine Peinlichkeit für Kaltenborn, die promovierte Juristin ist! Da rücken selbst die grossen sportlichen Probleme nach einer desaströsen Saison ohne einen einzigen WM-Punkt in den Hintergrund.
Die Österreicherin mit indischen Wurzeln steht bei den Fans immer mehr im Gegenwind. «Das wäre Peter Sauber 10'000 Prozent nie passiert!», kommentiert ein Blick-Leser. Und bei Auto, Motor und Sport schreibt ein Formel-1-Freund: «Ingenieure sagen, Kaltenborn sei eine gute Juristin. Juristen sagen, Kaltenborn habe ein gutes technisches Verständnis. Wahrscheinlich ist wohl beides unzutreffend.»
Noch hoffen Kaltenborn und die Sauber-Equipe, mit ihrem Rekurs erfolgreich zu sein. Die Aussichten werden allerdings als gering eingestuft. Das Urteil wird wohl in der Nacht auf morgen (Schweizer Zeit) bekanntgegeben. Vorderhand lässt Kaltenborn ausrichten: «Wir müssen uns nun die Zeit nehmen, die Konsequenzen dieses Entscheids zu verstehen und die Auswirkungen auf unseren Saisonstart zu evaluieren.»
Viel Zeit bleibt nicht, um «die Auswirkungen zu evaluieren», denn der Saisonstart steht vor der Türe. Am Freitag finden die ersten Trainings für den GP von Australien statt, das Rennen in Melbourne ist am Sonntag. Wie es scheint, muss einer der beiden geplanten Stammfahrer Ericsson und Nasr seinen Platz für van der Gaarde räumen – womit ein weiterer Rechtsstreit droht. Denn beide Fahrer haben bloss deshalb ein Cockpit erhalten, weil sie millionenschwere Sponsoren mitgebracht haben. Diese werden bestimmt nicht viel Geld nach Hinwil überweisen (die Rede ist von je rund 20 Millionen Franken), nur um dann einen anderen Piloten im Einsatz zu sehen.
Wie gut, dass wenigstens nicht auch noch Adrian Sutil auf einen Startplatz pocht. Der letztjährige Sauber-Pilot hat offenbar ebenfalls einen für das Jahr 2015 gültigen Vertrag. Sutils Ziel dürfte jedoch eine gerichtliche Einigung mit dem Team sein, sprich: Geld.
Fakt ist: Das marode Sauber-Team kann es sich nicht leisten, auf die Sponsoren-Millionen von Ericsson und Nasr zu verzichten. Fährt deshalb beim Saisonauftakt gar niemand in einem Sauber? Die Ingenieure müssten bloss einen technischen Fehler «erfinden». Ein Renneinsatz sei viel zu gefährlich, könnten sie behaupten. Und leider, leider, reiche die Zeit hinten und vorne nicht aus, um den Fehler zu beheben.
Vorsorglich liess Kaltenborn bereits verlauten, es sei womöglich nicht sicher, van der Garde fahren zu lassen. «Wir können nicht die Sicherheit unseres Teams oder anderer Fahrer auf der Strecke gefährden, nur um dem Wunsch eines unvorbereiteten Fahrers nachzukommen, Rennen für uns zu fahren.» Saubers Anwalt spricht gar von einem «inakzeptablen tödlichen Risiko für die anderen Piloten und alle im Fahrerlager».
Doch natürlich wäre das Problem durch ein sich selbst zugefügtes technisches K.o. bloss aufgeschoben. Mehr als ein wenig Zeit könnte sich Sauber damit nicht kaufen. Der einzige Ausweg aus der Zwickmühle, so scheint es im Moment, lautet: Einen der überzähligen Fahrer auszahlen. Das könnte Monisha Kaltenborn den Job kosten und dem finanziell nicht auf Rosen gebetteten Sauber-Team das Genick brechen.