Im Frühling zelebrierte Stephan Lichtsteiner in Turin den vierten Scudetto-Gewinn in Serie und wurde in der Champions League erst im Final von Barcelona gestoppt. Ein sportlicher Höhepunkt folgte dem nächsten Effort. Lichtsteiner, der ehrgeizige und unaufhörliche Schwerarbeiter, stiess in eine neue Dimension vor. Landesweit verneigten sich die Kommentatoren vor dem international konstantesten und reputiertesten SFV-Repräsentanten.
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— nationalteams_SFVASF (@SFV_ASF) 11. November 2015
Der temperamentvolle Offensiv-Verteidiger verschob einmal mehr Grenzen – bis am 23. September der eigene Körper streikte. Herzrasen im Heimspiel gegen Frosinone, sofortige Auswechslung, medizinische Abklärungen. Italienische Journalisten verbreiteten Mutmassungen. Dann die Diagnose: gutartige Herzrhythmusstörungen. Operation Anfang Oktober, überraschend frühes und starkes Comeback mit dem Tor zum 1:1 gegen Mönchengladbach in der Champions League.
Licht und Schatten, Jubel und Ungewissheit. Dass Lichtsteiner in einer solchen Phase sagt, im Fussball zähle nur die Gegenwart, ist kein abgedroschener Satz ohne Inhalt. Er plant momentan in Etappen, für die Zukunft sind harte und weiche Faktoren entscheidend: «Wichtig wird in erster Linie sein, wie es mir gesundheitlich geht. Bin ich physisch weiterhin auf der Höhe? Habe ich noch Freude?»
Im Januar wird er 32. Für ihn grundsätzlich kein Alter, «um sich schon grosse Gedanken zur mittelfristigen Zukunft zu machen». Vielleicht ganz im Hinterkopf, mehr nicht: «Ich plane wie gesagt von Periode zu Periode.» Ziele habe er immer – auch mit dem Nationalteam. «Jetzt geht es darum, die EM gut vorzubereiten. Dann schauen wir weiter», sagt er.
An der Debatte um die baldige Vertragsverlängerung mit dem Coach Vladimir Petkovic beteiligte er sich bislang nicht, «weil ich die Hintergründe nicht genau kenne». Das lange Abwägen der Involvierten taxiert Lichtsteiner aber als normal: «Es ist wichtig, dass es für alle Parteien stimmt – für den Coach selber, für den Verband, für die Mannschaft.»
Ablenken lassen werde sich von der Personalie niemand. Sie würden sich ohnehin nicht an öffentlichen Einschätzungen orientieren. «Spekulationen gehören nun mal zum Business. Das macht das Ganze interessant. Die Spieler müssen und können mit einem solchen Thema umgehen.»
Jeder sei professionell genug zu wissen, «dass der Coach der Chef ist». Und Petkovic attestiert er, einen schwierigen Job und die «immer höheren Erwartungen in der Schweiz» erfüllt zu haben. Innerhalb von wenigen Tagen die richtige Wahl, die richtige Mischung zu finden, sei nicht einfach. «Die Konstellation verändert sich laufend. Spieler sind im Klub plötzlich Ersatz, oder sie fallen verletzt aus. Das alles muss man auch berücksichtigen.»
Die Skepsis gegenüber der Performance der im Sommer vor einem Jahr im Führungsstab neu formierten Nationalmannschaft kann Lichtsteiner nur bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen: «Es gab schon Partien, die nicht optimal waren, wir hatten aber auch viele gute drin. Und klar, zu Beginn wurden wir auf dem falschen Fuss erwischt.»
Sie hätten aus diesen Startschwierigkeiten aber dennoch «etwas Gutes» gemacht. Darunter fallen für ihn der Umschwung gegen Slowenien nach einem kaum erklärbaren 0:2-Rückstand und die direkte Qualifikation für die Endrunde am zweitletzten Spieltag. «Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet war die bisherige Kampagne ein Erfolg.» (pre/si)