Arthur Cabral? Weg. Edon Zhegrova? Ebenfalls. Auf einen Schlag verliert der FC Basel in der Winterpause 45 Skorerpunkte. «Eine Hausnummer», wie FCB-Boss David Degen zu Recht dazu sagt. Auch wenn Zhegrova beispielsweise beim grossen Gipfeltreffen gegen YB im Dezember noch angeschlagen fehlte. Der FC Basel muss handeln.
Um den Abgang Cabrals adäquat zu kompensieren, wurden zwei Stürmer gesucht, die sich mit ihren jeweiligen Profilen ergänzen. Das eine Anforderungsprofil lautet: grosser und physischer Spieler. Gefunden ist der passende Spielertyp dafür noch nicht. Kaderplaner Philipp Kaufmann erklärt:
Und dann wäre da das Anforderungsprofil Nummer 2: ein spielstarker Stürmer. Dieser wurde bereits verpflichtet: Fedor Chalov. Oder mit ganzem Namen: Fyodor Nikolayevich Tschalov. 23 Jahre jung ist der Russe, aus der Moskauer Mittelschicht stammend und mit einem beachtlich gefüllten Erfahrungsrucksack. 179 Spiele hat er für seinen Stammklub ZSKA Moskau absolviert.
Aber es sind nicht nur dies seine Stärken. «Er ist handlungsschnell und, wie der Schnelligkeitstest ergeben hat, gar einer der schnellsten Spieler im Kader», sagt Kaufmann.
Seine Schnelligkeit soll der Rohdiamant aber nicht nur auf dem Platz, sondern auch daneben beweisen. Nämlich jene zur Integration. Noch nie zuvor hat Chalov Land und Liga verlassen, hat bislang seit der Jugend ausschliesslich für ZSKA gespielt. Rund eine Woche ist er nun in Basel und sagt:
Was ihn so geschockt habe, fällt ihm schwer, zu erklären. Es sei – natürlich ohne seine Heimat schlechtmachen zu wollen – einfach eine andere Lebensqualität in Basel. Zwar bietet die Millionenstadt Moskau grundsätzlich viel mehr. «Aber hier habe ich das Gefühl, dass man alles kriegt, was man braucht.»
Es ist aber selbstredend nicht die Stadt, die ihn in die Schweiz lockt. Sondern der Klub, den er seit dem Aufeinandertreffen des ZSKA und des FCB 2017 in der Champions League als «traditionsreichen Verein, der immer um den Meistertitel mitspielt», kennt und schätzt. «Als ich dann vom Angebot gehört habe, war es eine Ehre für mich und ich habe nicht lange überlegt.»
Vor allem auch deshalb, weil er schon lange davon geträumt habe, in Europa zu spielen – und irgendwann auch in einer der grossen fünf Ligen. Über die Zukunft aber, über die mag er nicht reden. Er denke nur an das Hier und Jetzt, «ich gebe mich ganz für Basel hin». Es sei eine russische Gepflogenheit, im Präsens präsent zu sein.
Dass Chalov, der 2018/2019 Topskorer der russischen Liga und «Best young player of Russia 2017» war, nun in Basel spielt, überrascht trotz aller Hingabe ein wenig. Auch wenn es nur leihweise für ein halbes Jahr ist. Zu Beginn hatte das Businessmodell bei Chalov nicht gepasst, auch wenn er seit Sommer auf einer langen Liste fungierte, wie Kaderplaner Kaufmann sagt – und anfügt:
Diese Angebote aus England. Sie sind es jedoch vielleicht auch, die den Transfer erst ermöglichten. Nach einem geplatzten Deal zu Crystal Palace vor zwei Jahren sinkt Chalovs Torquote. Von mentalen Problemen, die man ihm in Russland als Konsequenz nachsagte, will er nichts wissen. Er sagt: «Ich hatte kurz darauf eine Verletzung, konnte nicht mehr ganz performen wie zuvor.»
Jetzt habe er sich aber wieder gefangen. «Ich spüre neue Kräfte.» Dass die Torfrequenz aber dennoch nicht gleich wieder stieg, eröffnete dem im Vergleich zu früheren Interessenten kleineren FCB die Chance, Chalov auszuleihen. Transferiert ihn ZSKA weiter, würde der FCB beteiligt. «Das könnte lukrativ für uns werden, wenn das Angebot dereinst stimmen sollte», so Kaufmann.
Zuerst aber muss Chalov liefern – und das nach einer minimalen Adaptionszeit. Während für Kaufmann die Voraussetzungen aufgrund Chalovs aufgeschlossener, umgänglicher Art und seines guten Englischs gegeben sind, streicht Chalov selbst etwas anderes heraus:
Ob er dieses Feingefühl von seiner musischen Seite her hat? Zumindest besuchte er drei Jahre eine Musikschule, spielte Flöte und Piano – sehr gut, «aber heute nur noch sehr selten». Ohnehin hätte die akademische Karriere nie gross Fahrt aufgenommen, weil es die sportliche schnell tat. Er, der im Alter von sechs Jahren bereits im Team seines vier Jahre älteren Bruders mitkicken durfte, debütierte bereits mit 16 als Profi.
Dass dies klappen würde, davon habe er zwar geträumt, aber nicht wirklich daran geglaubt. «Ich habe einfach immer zwischen den Wohnblöcken mit meinem Vater und meinem Bruder Fussball gespielt. Es ist meine Passion. Ich brauche den Fussball, wie ein Schwimmer das Wasser braucht.»
Bei seinem ersten Einsatz vergangenen Sonntag zeigte Chalov gute Ansätze. Nun schaut die ganze Fussballschweiz am Sonntag auf ihn, im Duell Basel gegen YB. «Ich verspüre aber keinen Druck deshalb.» Er wisse, dass die Young Boys ein starkes Team sind. «Wichtig ist unsere Einstellung, unser Gefühl, mit dem wir ins Spiel gehen. Wir müssen Ruhe bewahren.» Dass er das kann, das glaubt man ihm. (bzbasel.ch)