Ein ruhiger Sonntag klingt anders: Zwei Tage nach dem glücklichen 3:3 gegen Aufsteiger SC Paderborn mussten sich die BVB-Profis auf der Jahreshauptversammlung des Bundesligisten einigen Fans stellen. Die reagierten wie schon am Freitag: mit Pfiffen und Buhrufen. Vereinzelt soll es auch «Favre raus»-Rufen gekommen sein, berichtet das grösste BVB-Fanzine «schwatzgelb.de».
Die Mannschaft wunderte sich indes nicht über die Pfiffe. Reporter des «Westfälischen Anzeigers» hatten mit Captain Marco Reus gesprochen, bevor die Mannschaft um kurz nach 12 Uhr den Saal betreten hatte. «Das ist natürlich berechtigt. Wir erwarten nicht, dass wir mit grossem Beifall empfangen werden. Wir müssen da realistisch bleiben, wir sind natürlich selbst unzufrieden», sagte Reus, der die Pfiffe schon ahnte.
Dass die BVB-Mitglieder auch anders können, zeigten sie wenig später, als die Hanballerinnen die Halle betraten: Die Damen sind Spitzenreiter der Handball-Bundesliga und wurden mit Beifall empfangen.
Die Jahreshauptversammlung hatte zuvor mit Ehrungen und Berichten begonnen, dann schlug aber auch der Präsident Alarm: «Auch an Tag zwei nach der katastrophalen Leistung von Freitag gibt es erhöhten Klärungs- und Redebedarf», sagte Präsident Reinhard Rauball, dessen Wiederwahl ebenfalls auf dem Programm stand.
Im Anschluss sprach BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Der 60-Jährige hatte angekündigt sich auch zur sportlichen Lage und zur Zukunft von Trainer Lucien Favre äussern zu wollen. Bereits zuvor hatte Sportdirektor Michael Zorc angekündigt, dass der Coach auch am Mittwoch in Barcelona auf der Bank sitzen werde. «Wir müssen ab Mittwoch zeigen, dass wir es besser können und das können wir. Aber dazu gehören bestimmte Tugenden», kündigte Reus an.
Watzke lobte Kapitän Marco Reus: «Marco Reus als Kapitän hat etwas Gutes, sehr Richtiges gemacht. Er hat sich nach dem Spiel im Namen aller Spieler bei den Fans entschuldigt. Das war sehr mutig und dafür möchte ich dir herzlich danken.»
Doch er nahm das ganze BVB-Team in die Pflicht: «Ihr als Mannschaft müsst aber wissen, dass es mit Worten alleine auch nicht getan ist. Dass ihr jetzt in erster Linie gefordert seid, auch Taten folgen zu lassen. Nur vom Reden bekommen wir keine Punkte», sagte Watzke, der Leidenschaft forderte: «Man kann immer ein Spiel verlieren, nur müssen die Fans immer das Gefühl haben, dass ihr alles getan habt. Ihr habt ein ganz grosses Pfund. Niemand verlangt von euch, dass ihr das Wappen küsst.»
Zudem kritisierte er die Häme einiger BVB-Anhänger: «Wer vorgibt, BVB-Fan zu sein und die Tore des Gegners bejubelt, der sollte unsere Gemeinschaft einfach verlassen.» Doch Watzke räumte auch Fehler ein: «Wir haben auch die Transferpolitik analysiert. Auch wenn noch nicht jeder sein volles Potenzial abruft, haben wir einen Fehler gemacht: Wir hätten eine zweite Nummer 9 verpflichten sollen. Das haben wir falsch analysiert – aber mehr als das einzugestehen, können wir nicht machen.»
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— Borussia Dortmund (@BVB) November 24, 2019
Weiter nahm Watzke Trainer Lucien Favre in die Pflicht: «Wenn wir uns auf dem Platz befinden, machen wir aktuell nicht den Eindruck einer stabilen Einheit. Das ist in aller erster Line die Aufgabe von der Mannschaft, Dir und Deinem Team, lieber Lucien. Und das ist auch unserer gutes Recht, das einzufordern», sagte Watzke.
Der BVB-Boss betonte aber auch: «Du hast weiter unser Vertrauen. Aber eines klar: Am Ende wird Fussball immer über Ergebnisse definiert. Wir alle bei Borussia Dortmund wünschen, dass es Dir und der Mannschaft gelingt, eine Wende zum positiven herbeizuführen. Dafür hast Du alle Unterstützung, die wir Dir geben können.» In den nächsten beiden Partien gegen Barcelona in der Champions League und gegen Hertha BSC in der Bundesliga sind also Punkte gefordert.
Das Ziel sei für Watzke weiterhin klar: «Ich wäre der Presse sehr verbunden, wenn Sie jetzt genau zuhören würden. Ich habe immer gesagt, dass wir alles versuchen wollen, um Deutscher Meister zu werden. Und es war nicht meine einsame Idee oder die von Michael Zorc», sagte Watzke. (pre/bn/dpa)