Die Ausgangslage ist komfortabel. Zwei Spiele trägt die Schweiz in der EM-Qualifikation noch aus, am Freitagabend im ausverkauften St.Galler Stadion gegen Georgien und am Montag auswärts in Gibraltar. Ihr reichen dabei ein Sieg und ein Unentschieden, um 2020 um den EM-Titel spielen zu können.
Bei allem Respekt: Eine Fussballgrossmacht ist keines der zwei Länder. Doch gerade Georgien darf die Schweiz nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Osteuropäer haben zuletzt dank guter Defensivarbeit sowohl Dänemark wie auch Irland Punkte abgenommen, spielten zuhause zwei Mal 0:0. Andererseits gewannen die Georgier in Gibraltar bloss knapp mit 3:2, nachdem sie zwischenzeitlich eine 2:0-Führung aus der Hand gegeben hatten.
Die Fakten sind klar: Die Schweiz muss ein Heimspiel gegen einen Gegner von diesem Kaliber gewinnen. Doch der Blick zurück auf die letzten drei Jahrzehnte zeigt, dass das Nationalteam schon öfters gegen Teams stolperte, gegen die man dies nicht erwartet hatte.
Qualifikation für die EM 1988
Vor dem Spiel wurde Heinz Hermann für sein 80. Länderspiel geehrt. Er sollte es auf 118 Einsätze bringen, womit er bis heute Rekord-Nationalspieler ist. Schade für Hermann, dass die Mitspieler damals nicht ganz sein Niveau erreichten: Für ein Turnier konnte er sich nie qualifizieren. Die NZZ hielt nach dem 1:1 auf Malta fest, die Schweizer Darbietung sei «sehr mässig» gewesen, sie sprach von einer «blamablen Leistung». Dabei hatte Hanspeter Zwicker, der «George Best der Ostschweiz», schon nach zwei Minuten zur Führung getroffen. Die Schweiz verpasste die EM 1988, obwohl sie zuvor gegen Italien und Portugal jeweils ein 0:0 erreicht hatte.
Qualifikation für die WM 1998
Die «Mutter aller Niederlagen» gegen einen Fussballzwerg – bis Luxemburg kam (siehe unten). Die Schweiz reiste im Luxusjet nach Baku, wo sie im ersten Länderspiel unter dem neuen Trainer Rolf Fringer eine monumentale 0:1-Niederlage kassierte. Tiefpunkt war der von Murat Yakin verschossene Penalty gegen einen «geschichts- und gesichtslosen Fussball-Nobody» (NZZ), der erstmals zuhause ein internationales Pflichtspiel austrug.
Qualifikation für die WM 1998
Die Kampagne stand nach dem «Debaku» schon von Beginn an unter einem schlechten Stern. Am Ende belegte die Schweiz nur Rang 4 hinter Norwegen, Ungarn und Finnland. Die Finnen, 2020 wohl erstmals in ihrer Geschichte an einer WM oder EM, siegten in Lausanne 2:1. Adrian Kunz gelang erst kurz vor dem Abpfiff Resultatkosmetik. «Es gilt jetzt, den Kopf nicht ganz hängen zu lassen», meinte Trainer Fringer. Vier Tage später kam seine Mannschaft in Norwegen 0:5 unter die Räder. Die WM in Frankreich sah die Schweizer Mannschaft nur am Fernsehen.
Qualifikation für die WM 2002
Sebastjan Cimirotic ist in seiner Heimat ein Volksheld – nicht wegen seines Treffers gegen die Schweiz in Basel. Aber Cimirotics erstes Länderspieltor war mit ein Grund dafür, dass der Slowene das erste Tor seines Landes an einer Fussball-WM erzielen konnte. Denn die Slowenen schafften den Sprung ans Turnier 2002 in Japan und Südkorea überraschend, während es der Schweiz hinter Russland, Slowenien und Jugoslawien nur zu Platz 4 reichte. Für Enzo Trossero war die Tätigkeit als Nationaltrainer nach dieser Partie noch vor dem Ende der Qualifikation vorbei, Köbi Kuhn beerbte ihn.
Qualifikation für die EM 2004
Die Georgier hatten einige bekannte Namen, so die beiden Freiburger Alexander Iaschwili und Lewan Kobiaschwili oder Schota Arweladse (Ajax Amsterdam, Glasgow Rangers). Gegen dieses Team brachten die Schweizer den Ball einfach nicht ins Tor und mussten sich gar bei Goalie Pascal Zuberbühler bedanken, dass es in Tiflis keine Niederlage absetzte. Doch trotz des Punktverlusts qualifizierte sich die Schweiz für die EM 2004 in Portugal – ein goldenes Zeitalter brach an.
Qualifikation für die WM 2010
Du meine Güte, was war das für ein Spätsommer! Unter dem neuen, hochgelobten Trainer Ottmar Hitzfeld startete die Schweiz mit einem 2:2 nach 2:0-Führung in Israel und danach leistete sie sich einen epochalen Fehltritt. «Das darf nicht passieren!», schimpfte SRF-Co-Kommentator Alain Sutter völlig zurecht, denn wie sich die Abwehr beim Gegentreffer zum 1:2 kurz vor dem Ende anstellte, war zum Fremdschämen. Immerhin steigerte sich das Nationalteam danach und schaffte als Gruppensieger vor Griechenland die Qualifikation für die WM 2010 in Südafrika.
Qualifikation für die EM 2012
Einen Monat nach der Auftaktniederlage gegen Favorit England reiste die Schweiz nach Montenegro – wo sie ebenfalls als Verliererin vom Platz ging. In Erinnerung bleibt der Jubel des Torschützen: Mirko Vucinic zog sich die Hose aus. Dieses Mal schaffte die Schweiz nach ihrem Quali-Fehlstart den Turnaround nicht mehr, die EM 2012 in Polen und in der Ukraine fand ohne Hitzfelds Team statt.
Qualifikation für die EM 2016
Erneut verlor die Schweiz ihr erstes Spiel zuhause gegen England und wie vier Jahre zuvor unterlag sie dann auch im ersten Auswärtsspiel. Ein Penaltytor des Köln-Stürmers Milivoje Novakovic bedeutete die 0:1-Niederlage. Auch im Heimspiel gegen die Slowenen sah es lange nach einer Pleite aus – und die wäre wohl verheerend gewesen. Doch Josip Drmic (80.), Valentin Stocker (83.) und noch einmal Drmic (94.) sorgten für die späte Wende zum 3:2-Sieg nach 0:2-Rückstand. Und so reiste die Schweiz dank Rang 2 hinter England an die EM 2016 in Frankreich.