Sport
Fussball

Die Schweizer Fussball-Nati 1996 auf dem Weg nach Baku

Die Schweizer Fussballnationalmannschaft fliegt am 28. August 1996 mit einem Luxus-Jet der Petrol Air an das WM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan, das am 31. August 1996 in Baku stattfindet. Vor ...
Schweizer Fussballer im August 1996 unterwegs nach Aserbaidschan.Bild: KEYSTONE

Ein Bild, viel zu schade fürs Archiv: So reiste die Fussball-Nati vor über 20 Jahren

Hurra, ich habe einen Schatz gefunden! Ohne zuvor auf einer Karte nach einem X gesucht zu haben. Im Archiv bin ich auf dieses Bild gestossen, das die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft auf dem Weg zum 0:1-Debakel in Baku zeigt. Schauen wir es uns genauer an.
13.12.2018, 18:0614.12.2018, 12:35
Ralf Meile
Folge mir
Mehr «Sport»

Es sollte ein Spiel werden, das in die Schweizer Fussballgeschichte eingeht. Aber das wissen die Männer noch nicht, die drei Tage vor dem peinlichen 0:1 gegen Aserbaidschan in den Flieger steigen. Die Bildlegende der Agentur Keystone lautet:

«Die Schweizer Fussballnationalmannschaft fliegt am 28. August 1996 mit einem Luxus-Jet der Petrol Air an das WM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan, das am 31. August 1996 in Baku stattfindet. Vorne v.l.n.r.: Davide Sesa, Murat Yakin. Hinten v.l.n.r.: Alexandre Comisetti, Ciriaco Sforza, Stéphane Henchoz und Kubilay Türkyilmaz.»

David Sesa spielt zu jener Zeit bei Servette, später stürmt er einige Saisons für Napoli. Auf diesem Bild fällt der Zürcher primär wegen der suboptimalen Kleidergrösse XXL bei einer Körpergrösse von 1,74 m auf:

Bild

Oliver Baroni, der bestangezogene watson-Mitarbeiter, meint: «Wirklich sehr gross geschnittene Hemden … Die waren damals zwar schon ein wenig grösser als heute, aber sorry, die 80er-Jahre waren 1996 vorbei. Und Sesas Gilet ist einfach riesig!»

Weiter geht's mit einem Blick auf Regisseur Ciriaco Sforza, der vor dem Abheben noch am einem Lolli schleckt:

Bild

Der Aargauer ist gerade von Bayern München zu Inter Mailand gewechselt. Auf dem Weg zum Weltstar denkt er wohl nicht an einen Ausrutscher.

So wie Murat Yakin auf dem Hinflug nach Baku  kaum einen Gedanken an eine Niederlage gegen Aserbaidschan verschwenden dürfte. Er trägt eine andere Krawatte als der Rest des Teams. Hat er sich vergriffen oder bloss jenes Modell gewählt, das den Schützen eines allfälligen Penaltys markiert?

Bild

Vermutlich hat der GC-Verteidiger schlicht eine falsche Krawatte eingepackt, eine von einem früheren Nationalmannschaftseinsatz. Das Logo ist jenes des Fussballverbands. Knapper Kommentar von watson-Fashionista Baroni: «Die Krawatte sieht aus wie die eines Pontonier-Vereins.»

Hinüber auf die andere Seite des Ganges. Dort hat sich Kubilay Türkyilmaz – oder hat sich die Bildagentur getäuscht und es ist Antonio Esposito?! – in die «Gazzetta dello Sport» vertieft und scheint sich darüber zu nerven, dass Stéphane Henchoz sich zu ihm setzt:

Bild

Die Schuhwahl von Henchoz und Türkyilmaz/Esposito wirft bei Baroni Fragen auf: «Braune Schuhe mit dunkeln Hosen kombiniert? Das ist fragwürdig. Und der neben ihm: Was sind denn das für komische Schuhe?»

Bild

Der belesene Alexandre Comisetti informiert sich über die schönsten Ecken Bakus. Oder er blättert solange in der «Schweizer Illustrierten», bis er zu den Kandidatinnen der Miss-Schweiz-Wahl stösst. Diese Melanie Winiger könnte gewinnen, denkt er sich noch:

Bild

Bleibt nur noch eine Frage offen: Was ist da eigentlich in der Mittelkonsole zwischen Sesa und Yakin?

Bild
Was für ein Gegenstand ist das?

Zur Ehrenrettung der Fussballer bzw. ihrer Ausstatter sei übrigens erwähnt: Baroni hält das Outfit grundsätzlich für in Ordnung. «Es sieht sehr sportlich aus, aber es ist ja auch ein Sportteam. Deshalb passt es.»

Aserbaidschan – Schweiz 1:0
31. August 1996. – Stadion der Republik Tofik Bachramov, Baku. – 30'000 Zuschauer. – SR Wojcik (Pol).
Tor: 26. Rzajew 1:0.
Schweiz: Pascolo; Hottiger, Vega, Henchoz, Quentin; Ohrel (75. Sesa), Murat Yakin, Sforza, Comisetti (81. Bonvin); Knup (67. Chapuisat), Türkyilmaz.
Bemerkungen: Schweiz ohne Vogel, Grassi, Subiat (alle verletzt), Alain Sutter (Verzicht). – 58. Yakin verschiesst Foulpenalty.

Interessant ist nicht nur das Bild aus der Business Class des Flugzeugs, sondern auch, was über die 180'000 Franken teure Reise von Genf nach Aserbaidschan und zurück geschrieben wird. Im «Tages-Anzeiger» lesen wir:

«Die Gänseleber mit Gemüseterrine, der Lachs und der Kaviar, die Spinatravioli in Basilikum, der grillierte Hummer an Buttersauce und zum Schluss die Caramelwindbeutel mit frischen Früchten – es waren leckere Speisen, mit denen sich die Schweizer Fussballer auf ihrem Flug nach Baku im Luxusjet der Petrol Air verwöhnen liessen. Das opulente Mahl machte müde, und es blieb danach in den fünf Stunden zwischen Genf und der aserbeidschanischen Hauptstadt Zeit genug, um die Beine hochzulagern. Die feinen Lederpolster in der Boeing 757 liessen sich in bequeme Liegen verwandeln.»

Und der «Blick» titelt am Spieltag:

«Nur der Champagner fehlte noch»

Das Boulevardblatt frohlockt vor dem Match gegen den Fussballzwerg:

«Wenn die Nati-Spieler heute ihre Aufgabe so erledigen, wie wir das alle erwarten, dürfen sie sich auf die Rückreise ganz besonders freuen – dann gibt's bestimmt noch das eine oder andere Glas Champagner.»

Nun, die Flaschen werden nicht entkorkt. Denn die Schweiz blamiert sich bis auf die Knochen, erstmals gewinnt Aserbaidschan ein WM-Qualifikationsspiel. Tiefpunkt: Murat Yakin schiesst einen Penalty am Tor vorbei:

Die Zusammenfassung des Spiels.Video: YouTube/AzeriLeague

Der «Sonntags Blick» will nach dem «Debaku» nichts mehr von Reisen in Luxusjets wissen. Er poltert:

«Zur Strafe sollen die Schweizer Spieler Anfang Oktober zum zweiten Ausscheidungsspiel nach Helsinki mit dem Zug reisen. 2. Klasse, mit Sandwiches als Verpflegung.»

Davon gibt es leider kein Bild – weil es keine Zugreise nach Helsinki gab. Aber dafür einen 3:2-Sieg über Finnland.

Blick ins Archiv: So sah der Schweizer Fussball früher aus

1 / 34
Blick ins Archiv: So sah der Schweizer Fussball früher aus
Mit «Odermättli, Odermättli, schiess es Göli ungers Lättli» feuern Fans des FC Basel ihren Karli im Cupfinal 1970 gegen den FC Zürich an. Es hilft nichts: Der FCZ siegt 4:1.
quelle: keystone / str
Auf Facebook teilenAuf X teilen

«Leute an Flughäfen regen mich auf»

Video: watson/Cedrick Wolf, Emily Engkent

Unvergessene Nati-Geschichten

Alle Storys anzeigen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
23 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
elnino
13.12.2018 19:53registriert Oktober 2014
Und was ist das wirklich in der Mittelkonsole?
1161
Melden
Zum Kommentar
avatar
Anded
13.12.2018 18:34registriert Oktober 2014
Manchmal lohnt es sich, die mehr als tausend Worte zu einem Bild auszuschreiben. Danke! 😂
1109
Melden
Zum Kommentar
avatar
no-Name
13.12.2018 18:57registriert Juli 2018
Dieses „keine Braune Schuhe“ Ding ist SEHR english....

Für Italiäner kein Thema!
946
Melden
Zum Kommentar
23
Leverkusen bleibt in extremis ungeschlagen – Liverpool scheitert an Atalanta

Hinspiel 0:2

Zur Story