Es ist ein heftiger Kontrast, ob man in den Monaten April und Mai den Fernseher einschaltet oder ins Stadion geht. Hier die Champions League in ihrer finalen Phase, mit den besten Teams der Welt im Kampf um die begehrteste Trophäe im Klubfussball. Und da die Super League mit ihren Stolperern, Chancentoden und den meist halbleeren Stadien.
Es ist ein wenig wie bei den Olympischen Spielen, wenn im Riesenslalom nach den Top-Cracks auch noch die Exoten auf die Piste dürfen. Auch da sieht der Zuschauer im Prinzip dasselbe und die vermeintliche Zeitlupe stellt sich als reale Geschwindigkeit heraus.
Doch bezüglich Spannung ist das «Super» der League keine Lüge.
Gut, vielleicht nicht ganz oben und nicht ganz unten. Dass YB Meister wird, Basel Zweiter und GC absteigt, das ist zum Teil schon lange klar. Aber vier Runden vor dem Meisterschafts-Ende ist für alle anderen sieben Teams noch jede Platzierung möglich: Von Europacup-Rang 3 bis hin zu Barrage-Platz 9. Nur fünf Punkte liegen dazwischen:
Dass die Barrage zwischen dem Zweitletzten der Super League und dem Zweiten der Challenge League auf diese Saison hin wieder eingeführt wurde, ist grosses Glück für die Fans. Denn nun geht es immerhin noch um etwas. Um «etwas»? Es geht um Alles! Abstiegskampf heisst: Überlebenskampf.
Er liefert die wahren Dramen des Fussballs. Weil es um viel mehr geht als darum, einen glänzenden Pokal in die Höhe zu recken und zu «We Are The Champions» im Konfettiregen zu tanzen. Meister zu werden ist wunderschön, der Titel ist wie ein saftiges Rindsfilet (von mir aus auch ein saftiges Quinoa-Broccoli-Tätschli). Aber beim Abstiegskampf geht es darum, überhaupt etwas auf dem Tisch zu haben.
Die Zeiten sind hart. Während etwa in England geschlemmt wird, als gäbe es kein Morgen, ist im Schweizer Fussball nicht mehr viel zu essen da. Zu wenig für alle. Der Zweitletzte geht leer aus. Mit Glück findet er in der Kornkammer namens Barrage noch letzte Reste, die er zusammenkratzen kann, um eine weitere Saison zu überleben.
Die Barrage ist für den beteiligten Super-League-Klub der Horror – für alle Unbeteiligten wird sie zum Saisonausklang das i-Pünktchen eines spannenden Abstiegskampfs sein.
Der FC Zürich spielt eine miserable Rückrunde, während Aufsteiger Xamax in den letzten vier Spielen zehn von zwölf möglichen Punkten holte. Am Samstag kommt's zum Direktduell in Neuenburg. In Sion überlegt sich Präsident Christian Constantin, ob er Trainer Murat Yakin aus der Walliser Bergwelt in die Wüste schickt (vielleicht wird er gerade gefeuert, während du diesen Artikel liest).
Der FC Thun steht zwar im Cupfinal, torkelt in der Liga aber wie ein Marathonläufer mit Sonnenstich dem Zielstrich, der noch viele Kilometer entfernt ist, entgegen. Derweil beweist St.Gallen sein Dasein als ewige Wundertüte; auf eine «Übergangssaison» folgt in der Ostschweiz jeweils keine erfolgreiche Saison, sondern einfach die nächste «Übergangssaison».
Luzern könnte seinen Anhängern auch Tickets für eine Achterbahn verkaufen, da geht es genauso mal hoch, mal runter. Dass Lugano aktuell auf Rang 3 steht, ist eine der grossen Überraschungen, aber letztlich trotz eines starken Frühlings halt doch nur eine Momentaufnahme. Alles ist noch möglich in den letzten vier Runden.
Man könnte auch würfeln, um die Platzierungen festzulegen und vielleicht würde der FCZ diese Variante sogar befürworten, weil die Chancen auf den Klassenerhalt dann gar nicht so gering wären. Auf dem Platz spricht derzeit wenig für die formschwachen Zürcher, die mit ihren feurigen Trainern Ludovic Magnin und René van Eck und mit dem rauchenden Präsidentenpaar Canepa bloss neben der Seitenlinie auffallen. Die NZZ beschrieb Magnin kürzlich als «Wutbürger».
Ob er bald im Brügglifeld zetert und sein Gesicht tomatenrot anläuft? Aarau – und damit zur anderen Hälfte dieser Barrage – kämpft nach einer fanatischen Aufholjagd tatsächlich noch um die Rückkehr in die Super League. Der FCA, nach sieben Spielen noch ohne einen einzigen Punkt Letzter, hat einen Steigerungslauf hingelegt, der seinesgleichen sucht, und liegt dank einem 3:0-Sieg über Lausanne nur noch zwei Punkte hinter den Waadtländern zurück. Rang 2 und die Barrage winken.
Auch die zweithöchste Liga ist damit kurz vor dem Saisonende spannend, zudem ist auch der Abstiegskampf noch offen. Servettes Aufstieg dagegen ist nur noch Formsache.
Spannung dominiert den Schweizer Klubfussball und nicht die Qualität der einzelnen Teams. Denkbar, dass es nächste Saison auch an der Spitze wieder zum Zweikampf kommt, Basel ist auf dem Weg zurück, es könnte sich mit YB duellieren. So wäre nicht mehr nur der Abstiegskampf spannend. Ein Fight auch ums Rindsfilet und nicht bloss die heisse Schlacht am kalten Abstiegsbuffet? Uns wär's recht.
PS: Murat Yakin ist Stand jetzt noch Sion-Trainer. Und weil du es dir verdient hast, kommt hier das Video der Ski-Exoten mit Hans Juckers wunderbarem Ausruf «Etz chömmet zwee!»