Marcel Koller wird es nicht langweilig, als er am Montag kurz nach 11 Uhr am Flughafen in Linz auf sein Gepäck wartet. Der FCB-Trainer ist ein gern gesehener Gast in Österreich. Etwas Small-Talk hier, ein Foto mit einem Flughafenangestellten da. Die Österreicher haben offenbar nicht vergessen, was Koller von 2011 bis 2017 als Nationaltrainer geleistet hat und freuen sich, ihn jetzt wieder hier begrüssen zu dürfen.
Das war nicht immer so. Als der Zürcher am 1. November 2011 als neuer Nationaltrainer Österreichs präsentiert wurde, hagelte es Kritik. Ein Schweizer in einer wichtigen Position im österreichischen Fussball war in den Augen vieler ein Affront gegen das rot-weiss-rote Selbstverständnis. «Bei allem Respekt, was macht ihn qualifizierter als die österreichischen Trainer?», fragte die österreichische Fussball-Legende Hans Krankl. «Ich glaube nicht, dass es eine glückliche Entscheidung war», sagte Rekordtorschütze Toni Polster.
Doch Koller zeigte es seinen Kritikern. Nachdem Österreich die WM 2014 verpasste, erlebte der ÖFB in den folgenden zwei Jahren einen nicht für möglich gehaltenen Höhenflug. Ungeschlagen preschte das Team von Koller durch die EM-Qualifikation. Das ganze Land feierte seinen Schweizer Trainer. Als Österreich nach einem 4:1-Sieg gegen Schweden definitiv als EM-Teilnehmer feststand, kam Koller mit Béret und Baguette zur Pressekonferenz. Diese Aktion machte den Schweizer im Nachbarland definitiv zum Liebling der Massen. «Ich musste viel gegen die österreichischen Journalisten arbeiten. Die waren sich schon nach Spiel 2 sicher, dass wir zusammen an die EM fahren. Mit der Baguette-Aktion wollte ich ihnen zeigen, dass auch ich jetzt fix in Frankreich bin», erklärt Koller heute.
Wäre es nach dem schweizerischen Fussballverband gegangen, hätte Koller diesen Erfolg nicht mit Österreich gefeiert und wäre stattdessen nach dem Rücktritt von Ottmar Hitzfeld 2014 Nati-Trainer geworden. Doch Koller entschied sich gegen sein Heimatland und verlängerte in Österreich. Nach 2001 sagte er der Schweiz damit zum zweiten Mal ab. «Der Entscheid hat wehgetan, schliesslich bin ich Schweizer. Aber mein Bauchgefühl hat entschieden», erklärte Koller damals, und so kam es, dass der Zürcher in Österreich heute mehr Anerkennung erhält als hierzulande. Polster sagt mittlerweile: «Koller hat einen Klassejob gemacht. Dass er etwas kann, steht ausser Frage.»
Marcel Koller kehrt nicht nur wegen seinen Erfolgen mit der Nationalmannschaft gerne nach Österreich zurück. Seit knapp 40 Jahren ist er dem Land verbunden. 1981 lernte er in einem Zürcher Kaffeehaus die gebürtige Tirolerin Jolanda kennen. Die beiden heirateten und haben heute zwei erwachsene Kinder. Die Ehe ging in die Brüche, Kollers Liebe zu Österreich nicht. Auch heute noch weilt er in den Ferien gerne in Wien, zuletzt in der vergangenen Sommerpause. «Ich habe kulturell und sportlich viele schöne Erinnerungen an Österreich», sagte Koller gestern auf dem Weg nach Linz.
Seine erste Ehe soll auch deswegen in eine Scheidung geführt haben, weil Koller schon damals nächtelang Spiele analysierte. «Ich dachte manchmal, was bringt das noch? Wieder ein Video, noch ein ...», sagte seine Ex-Frau einst im österreichischen Boulevard. Von dieser Akribie hat Koller offenbar nichts verloren. Wie jedes Spiel hat der FCB-Trainer auch das Hinspiel gegen LASK nochmals ganz angeschaut. Seine Analyse: «Wir brauchen mehr Aggressivität und ein schnelleres Umschaltspiel.» Gestern Nachmittag zeigte der Trainer seinen Spielern nochmals die wichtigsten Szenen auf Video.
Normalerweise spielt der LASK seine Heimspiele in Pasching, einem Vorort südlich von Linz. Doch für internationale Spiele wechselt Linz ins grösste Stadion der Stadt. Der frisch verlegte Rasen überstand die beiden Abschlusstrainings unbeschadet. Das Stadion auf der Gugl wird von der österreichischen Presse «Kollers-Albtraumstadion» genannt, weil er mit Österreich 2012 sein bislang einziges Spiel dort mit 0:3 gegen die Elfenbeinküste verlor. Doch Koller selber weist darauf hin, dass er mit der U16 schon als Spieler auf der Gugl bei einem Turnier so gut gespielt habe, dass er sich noch heute daran erinnern kann. «Ich freue mich wieder auf das Stadion.»
Ob Kollers Gugl-Erinnerung positiv bleibt, hängt vom Ausgang des heutigen Spiels ab. Denn in Basel wird Koller anders als in Österreich immer wieder kritisch beäugt. Nachdem er die Turbulenzen in der Sommerpause überstand und beim 2:1 gegen Eindhoven die erste «magische Nacht» seiner Amtszeit mitgestaltete, schien Ruhe eingekehrt.
Doch als Koller im Hinspiel gegen Linz auf Taulant Xhaka verzichtete und sein FCB gegen den Underdog zu Hause verdient verlor, war er in den Augen vieler schnell der Schuldige für die Niederlage. Diesmal fehlen Xhaka wie auch van Wolfswinkel verletzt. Das ändert aber nichts daran, dass ein Ausscheiden gegen Linz der nächste Nackenschlag für die Beziehung zwischen Koller und Basel wäre. Dann wird den Trainer bei der Rückkehr am Flughafen auch kaum einer in Small-Talk verwickeln oder um ein Foto bitten.