Als Maria Dolores dos Santos erfährt, dass sie schwanger ist, hat sie nur einen Gedanken: Sie muss das Kind abtreiben. Die bereits dreifache Mutter macht sich Sorgen, kein viertes Kind durchfüttern zu können. Schon so ist die Familie aus Madeira auf Sozialhilfe angewiesen, um die Drei-Zimmer-Wohnung in Quinta do Falcão bezahlen zu können.
Weil ihr Arzt eine Abtreibung verweigert, greift dos Santos gar zu drastischen Hausmitteln: Sie trinkt warmes Bier und beginnt exzessiv Sport zu treiben. So sehr will sie das Kind loswerden. Es klappt nicht. Zum Glück, wie sich herausstellen sollte. Denn der Junge, der am 5. Februar 1985 das Licht der Welt erblickt, ist Cristiano Messias Ronaldo dos Santos Aveiro. «Gott wollte nicht, dass er abgetrieben wird. Und ich bin gesegnet, dass er mich für meinen Wunsch nicht bestraft hat», sagte Ronaldos Mutter einst.
Ronaldo selber macht mittlerweile Spässe darüber. «Du wolltest mich nicht, und jetzt bin ich der, der euch allen hilft», soll er immer wieder zu seiner Mutter sagen. Denn das tut er wirklich: Einer Schwester half er bei ihrer Gesangs-Karriere, den Bruder rettete er vor der Abhängigkeit von Alkohol und Drogen, einem Cousin verschaffte er einen Job im CR7-Museum in Funchal. Es ist wohl die viel zitierte Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet das ungewollte Kind der ganzen Familie ein neues Leben ermöglicht hat.
Heute ist es fast undenkbar, dass Cristiano Ronaldo einst auf die Hilfe eines Freundes angewiesen war, um seine fantastische Karriere zu lancieren. Aber es war so. Gemeinsam mit Albert Fantrau spielte Ronaldo damals bei seinem Jugendverein Nacional Funchal. Beide waren unheimlich begabt. So sehr sogar, dass Exponenten vom grossen Sporting Lissabon extra auf die Heimatinsel Ronaldos kamen, um die beiden in einem Spiel zu beobachten. «Sie sagten uns: ‹Wer auch immer von euch beiden mehr Tore erzielt in diesem Spiel, erhält einen Platz in unserer Akademie›», erzählte Ronaldo einst.
C.Ronaldo'nun futbolcu olmasını sağlayan pası atan adam Albert Fantrau. pic.twitter.com/s5hsLnZudb
— Rabona (@rabonadergi) 11. Juli 2017
Der spätere Weltfussballer erzielte das erste, sein Freund Fantrau das zweite Tor. Und er hätte auch das dritte erzielen und damit zu Sporting gehen können. Stattdessen entschied Fantrau sich, nach dem gewonnenen eins gegen eins mit dem gegnerischen Torwart nicht einfach einzuschieben, sondern den Ball zu Ronaldo zu spielen. Dieser traf, wechselte zu Sporting, später zu Manchester United – und der Rest ist Fussballgeschichte. «Ich habe ihn gefragt, wieso er das getan hat. Ebenso gut hätte er zu Sporting gehen können. Und Albert antwortete: ‹Weil du besser bist als ich›», liess Ronaldo die Geschichte Revue passieren.
Jahre später fuhr ein Journalist zu Fantrau, um diese fast schon unglaubliche Geschichte bestätigen zu lassen. Fantrau verifizierte die Episode. Er schien seinen Weg trotzdem gemacht zu haben, lebte er doch mit seiner Familie in einer Villa und besass ein teures Auto. Stattdessen aber hatte er nach dem Sichtungsspiel seine Karriere beendet, war mittlerweile arbeitslos. Woher das ganze Geld für das Haus und das Auto kam? «Von Cristiano.»
Lionel Messi litt unter einer Kleinwüchsigkeit, die durch eine Hormonstörung ausgelöst wurde. Nur durch eine medikamentöse Behandlung, die ihm der FC Barcelona finanziert hatte, konnte der heutige Superstar, der im Alter von 13 Jahren gerade einmal 1,40 Meter mass, überhaupt wachsen und zu dem Spieler werden, der er heute ist. Sein Schicksal ist bekannt und durch seine heutige Körpergrösse von 1,70 Meter auch ersichtlich. Es wird gar oft als Wunder betrachtet, dass er sich überhaupt so hat entwickeln können.
Dass aber auch Cristiano Ronaldo beinahe seine grösste Leidenschaft hätte aufgeben müssen, ist weniger bekannt. Auch seine Probleme begannen schon als Kind: Immer wieder hatte Ronaldo heftiges Herzrasen – und das nicht nur durch sportliche Betätigung, sondern ohne grössere Anstrengungen auf sich genommen zu haben. Im Alter von 15 Jahren wird es akut, eine Operation unumgänglich. Wäre die Krankheit nicht früh genug erkannt worden, hätte Ronaldo sämtlichen Ausdauersport auf Lebzeiten meiden müssen.
Aber mittels Laser-Eingriff konnte die Problemstelle an seinem Herzen unempfindlich gemacht werden. Er war geheilt. Nur wenige Stunden nach dem operativen Eingriff am Morgen verliess Ronaldo das Krankenhaus wieder. Und nur eine Handvoll Tage später jagte er wieder dem Ball hinterher, als wenn nichts gewesen wäre.
Wahnsinnig geliebt hat Cristiano Ronaldo die Schule nie. Spass machten ihm nur die Pausen, in denen er mit seinen Freunden Fussball spielen konnte. Seiner Mutter hatte er immer erzählt, dass er keine Hausaufgaben hätte, damit er gleich nach Schulschluss weiter kicken konnte. Irgendwann begann er sogar damit, den Unterricht zu schwänzen.
Seine Mutter Maria Dolores liess es ihm durchgehen. Alles halb so wild. Er sollte ja sowieso Fussballprofi werden. Nach Klein Ronaldos Wechsel in die Jugend-Akademie von Sporting Lissabon besuchte er dort eine Schule, fand sehr schnell Freunde und war beliebt. Trotz seiner noch etwas verhaltenen Art und seinem speziellen Madeira-Akzent, für den man die Insel-Bewohner auf dem portugiesischen Festland immer auslacht. Ronaldo kam mit den Lachern klar, schliesslich waren es seine Freunde, die Sprüche machten.
Als es jedoch eines Tages einer seiner Lehrer wagte, ihn ob seines Akzentes vor der ganzen Klasse blosszustellen und aufzuziehen, tickte der damals 14-Jährige komplett aus. Er griff nach seinem Stuhl und schleuderte ihn gegen seinen Lehrer. Dieser Eklat führte zu Ronaldos Ausschluss aus der Schule. Und was tat seine Mutter? Sie liess es ihm durchgehen und ermutigte ihn, nun all seine Energie für seine Fussball-Karriere aufzuwenden. Es war der Anfang der grossen Laufbahn.
José Dinis Aveiro ist ein Fussball-Fanatiker. Er liebt den Sport so sehr, dass er gar freiwillig als Zeugwart beim Amateur-Verein CF Andorinha aushilft. Hauptsache Fussball. Diese grosse Liebe vererbt Dinis Aveiro seinen beiden Söhnen Hugo und Cristiano. Vor allem Cristiano ist besessen vom Fussball. Ohne seinen Vater hätte er wohl nie angefangen zu kicken. Aber es ist nicht die einzige Eigenschaft seines Vaters, die Cristiano Ronaldo nachhaltig prägen würde.
Sein Vater ist schwerer Alkoholiker. Immer wieder versucht Ronaldo, ihn von seiner Sucht wegzubekommen, bezahlt ihm von seinen ersten Löhnen als Profi-Fussballer diverse Aufenthalte in Sucht-Kliniken. Nachdem er im Juli 2005 mit Leber- und Nierenproblemen ins Krankenhaus von Funchal eingeliefert wird, lässt ihn Cristiano Ronaldo für eine Lebertransplantation nach England verlegen. Aber es hilft alles nichts. Am 6. September 2005 stirbt Ronaldos Vater an den Folgen der jahrelangen Trinkerei.
Der damals 20-Jährige schwört sich zu diesem Zeitpunkt, niemals Alkohol zu trinken. Zum einen, weil er die Gefahren kennt, und zum anderen, weil ihn jeder Schluck an den Tod des Vaters erinnern würde, wie er sagt. Seine Abneigung gegenüber dem Alkohol geht so weit, dass er den «Daily Telegraph» im Jahr 2010 wegen Verleumdung anklagt, nachdem dieser geschrieben hatte, Ronaldo habe sich in einem Nachtclub betrunken.
Schon lange vor seinem Wechsel hatte Cristiano Ronaldo mit Real Madrid geliebäugelt. Er wollte zum Grössten aller Zeiten werden und wusste, dass er dafür zu den Königlichen musste. Bereits nach der WM 2006 wollte Ronaldo nach Spanien. Und Real Madrid wollte ihn genauso sehr im Team haben. Doch aus einem Wechsel wurde nichts – vorerst.
2008 bat Ronaldo dann sogar seinen Landsmann und Assistenztrainer von Manchester United, Carlos Queiroz, um die Freigabe. Aber Alex Ferguson wollte ihn halten. Aus Trotz: Dem Trainer war eine Aussage des damaligen Real- Präsidenten Ramón Calderón sauer aufgestossen. Dieser sagte, Ronaldo würde eines Tages ja sowieso ein Königlicher werden.
Fergusons Stolz liess es nicht zu, dass der von ihm nicht gemochte Calderón recht bekommen sollte. «Ich würde dich lieber erschiessen, als dich nach diesen Aussagen diesem Typen zu verkaufen», sagte Ferguson zu Ronaldo und rang ihm ein Gentlemen’s Agreement ab. In der mündlichen Abmachung hiess es, Ronaldo dürfe zu Real Madrid gehen, aber erst im Sommer 2009. Dieses eine Jahr müsse er es bleiben, um die Ehre Fergusons zu retten. Ronaldo stimmte zu. Für Ferguson hätte er ohnehin alles getan. Nach dem frühen Tod seines Vaters übernahm Ferguson diese Rolle. 2009 wechselte Ronaldo nach Madrid. Präsident war nicht mehr Calderón, sondern Florentino Perez. An Letzteren hatte Ferguson kein Problem, Ronaldo zu verkaufen.
Arrogant und egozentrisch. So wird Cristiano Ronaldo von einem Grossteil der Fussballfans gesehen. Mit Aussagen wie «Ich bin reich, schön und grossartig» zementiert er dieses Bild.
Aber Ronaldo hat auch noch eine andere, weniger bekannte Seite. Seine humane Ader. So verzichtet Ronaldo beispielsweise auf Tattoos. Nicht, weil er den Körperschmuck nicht schön findet, sondern weil er regelmässig Blut spenden geht (wäre er tätowiert, dürfte er kein Blut spenden).
Auch finanziell ist er grosszügig: 2012 versteigerte er seinen goldenen Schuh, die Auszeichnung für den erfolgreichsten Torjäger einer Saison, und spendete den Erlös von 1,5 Millionen Euro um Schulen in Gaza zu bauen. Er bezahlte auch die Operation und sämtliche Folgebehandlungen eines zehnjährigen Jungen, der unter einem Gehirntumor litt.
Am berührendsten aber ist die Geschichte um Martunis. Der indonesische Junge wurde beim Tsunami 2004 ins Meer gerissen und trieb ganze 19 Tage auf hoher See. Als er gerettet wurde, trug er sein Portugal-Trikot.
Ronaldo bekam Wind von der Geschichte, liess den Jungen einfliegen, lud ihn an Spiele von Manchester United und Portugal ein. Wenige Monate später besuchte Ronaldo das zerstörte Gebiet, versteigerte persönliche Dinge, um Geld zu generieren.
Und vor allem erfüllte er Martunis einen noch grösseren Traum: Er verschaffte dem Indonesier einen Platz in der Jugendakademie von Sporting Lissabon, wo dieser ein Jahr lang spielte. Den Durchbruch schaffte er aber nie.