Im Sommer 2018 spielte Kroatien gegen Frankreich im Final in Moskau um den Weltmeistertitel. Zu Hause vor dem TV drückten Toni Domgjoni und Petar Pusic die Daumen. Domgjoni erinnert sich: «Als die Kroaten im Final standen, hoffte ich, dass sie Weltmeister werden.» Und Pusic ergänzt: «Ich habe immer beide Nationalmannschaften, die Schweiz und Kroatien, unterstützt.»
Am Sonntag spielen Pusic und Domgjoni mit der Schweiz an der U21-EM gegen ihre zweite Heimat Kroatien. «Ich kann nicht verleugnen, dass es für mich ein sehr spezielles Spiel ist», sagt Pusic. «Meine Eltern haben in Kroatien gelebt, ich habe noch Familie dort.» Weniger emotional sieht dies Domgjoni, der erst mit elf Jahre in die Schweiz gezügelt ist. Er sagt: «Ich habe schon gegen Kroatien gespielt. Das ist nichts Neues. Für mich und das Team geht es darum, dass wir gewinnen.»
Die Schweizer U21-Auswahl befindet sich dank des 1:0-Startsieges gegen England in einer komfortablen Position. Gegen Kroatien, das seinerseits mit einem 0:1 gegen Portugal startete, ist sie schon Favorit. «Wir sind in einer guten Ausgangslage», findet Pusic. «Aber wir schauen von Spiel zu Spiel.»
Während FCZ-Spieler Domgjoni gegen England wie auch schon in jedem Qualifikationsspiel in der Startelf stand, wartet der Grasshopper Pusic noch auf seinen ersten Einsatz an der EM-Endrunde. Im zentralen Mittelfeld vertraute Trainer Mauro Lustrinelli gegen England mit Alexandre Jankewitz einem physischeren Spielertypen, der sich mit einer starken Leistung in den Vordergrund spielen konnte. Kommt jetzt die Chance von Pusic? «Wer weiss, die Spielweise von Kroatien liegt mir besser als diejenige Englands», sagt der 1,69 m grosse Zehner.
In der Schweizer Nationalmannschaft gibt es seit Jahren viele Doppelbürger. Das ist auch bei der neuen U21-Generation nicht anders. Drei Viertel des Schweizer Teams könnten auch für eine andere Nation spielen. Dass sich die Spieler bei einem A-Aufgebot für die Schweiz entscheiden, wäre der logische Schritt. Grund dafür: Meist ist die Schweiz fussballerisch das bessere Land, die Wahl fällt einfacher. Das lässt sich gut am Beispiel der Xhakas ablesen: Der talentiertere Granit spielt für die Schweiz, Taulant für Albanien.
Doch mit Kroatien verhält es sich anders. Es war in den vergangenen Jahren erfolgreicher als die Schweiz. Vielleicht darum haben sich Mladen Petric und Ivan Rakitic für Kroatien entschieden.
Die Frage, für welche Nationalmannschaft er spielen möchte, stellt sich Domgjoni derweil nicht: «Ich befasse mich nicht damit. Ich spiele für die Schweiz und für sie gebe ich alles.» Ähnlich geht es Petar Pusic: «Irgendwie wächst man da einfach hinein», sagt er, der seit der U15 Nachwuchsnationalspieler ist. Er sagt klar: «Ich möchte für die Schweiz spielen.»
Einen Rückschlag in Sachen Doppelbürger gab es für das U21-Nationalteam kurz vor der EM-Endrunde. Nedim Bajrami wechselte überraschend zu Albanien. «Ich kann den Wechsel nicht ganz nachvollziehen», sagt Pusic. «Vor allem der Zeitpunkt ist sehr unglücklich.»
Dagegen haben sich in den letzten Jahren die Schweiz-Kroaten stets für die Schweiz entschieden. Sie haben schöne Geschichten geschrieben: Mario Gavranovic und Josip Drmic schnürten beide einen Doppelpack gegen ihr Heimatland. Gavranovic hat im letzten Oktober nochmals ein Tor nachgelegt. Beide spielen derzeit in Kroatien, Gavranovic bei Dinamo Zagreb, Drmic bei Rijeka.
Die Vorzeichen für Pusic und Domgjoni stehen also gut. Über einen Torerfolg würden sie sich nicht beklagen. Domgjoni sagt: «Entscheidend ist aber der Sieg mit der Schweiz.» Dann wäre man dem Finalturnier schon einen grossen Schritt näher.