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Becherwurf in Winterthur: Forfait-Sieg von Aarau ist nicht sicher

Die Fans des FC Winterthur feierten den Sieg gegen Aarau etwas zu euphorisch.
Die Fans des FC Winterthur feierten den Sieg gegen Aarau etwas zu euphorisch.bild: imago-images.de

Becherwurf von Winterthur – warum ein Aarauer Forfait-Sieg alles andere als sicher ist

Nach der 2:4-Niederlage in Winterthur hat der FC Aarau Protest gegen die Spielwertung eingelegt. Grund: Beim Jubel des Heimpublikums über den späten 3:2-Führungstreffer wurde der Linienrichter von einem Becher getroffen. Obwohl das Reglement einen Forfait-Sieg für Aarau voraussagt, ist alles andere als sicher, dass es auch so kommen wird.
14.03.2022, 08:13
sebastian Wendel / ch media
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Sechs Tore, Emotionen pur, ein an Dramatik kaum zu überbietender Spielverlauf: Das Spitzenspiel der Challenge League zwischen Winterthur und Aarau am Freitagabend vor 7600 Zuschauern im Stadion Schützenwiese bot auf allen Ebenen beste Unterhaltung – mit der glücklicheren Mannschaft, dem FC Winterthur, als Sieger.

Und damit zurück zur Tagesordnung? Mitnichten: Noch am Samstag legte der FC Aarau Protest gegen die Spielwertung ein. Grund ist die blutende Wunde von Linienrichter Pascal Hirzel.

Der Reihe nach: Nach dem Treffer von Thibault Corbaz zum 3:2 in der 88. Minute brachen im Stadion alle Dämme. Die riesige Freude über die späte Siegsicherung ist zwar verständlich, im Überschwang warfen die Heimfans aber auch hunderte Hartplastik-Becher in Richtung Spielfeld. Und weil – warum auch immer – in der Schützenweise kein Netz zwischen Zuschauerrängen und Spielfeld gespannt ist, traf einer dieser Becher Linienrichter Pascal Hirzel seitlich am Kopf.

Mit blutender Wunde oberhalb der Schläfe entfernte sich Hirzel von der Gegentribüne und wurde von Schiedsrichter Luca Cibelli auf die andere Spielfeldseite begleitet. Die Aufregung rund um die Ersatzbänke der beiden Mannschaften war riesig – in der Hitze des Gefechts fiel auch der Begriff «Spielabbruch». Hirzel wurde verarztet und konnte einige Minuten später für den Rest der Partie weitermachen. Als sich die Gemüter einigermassen beruhigt hatten, kam es zu sieben Minuten Nachspielzeit, in welcher «Winti» auch noch das 4:2 erzielte.

Nach Spielschluss musste der immer noch benommene Linienrichter Hirzel in den Katakomben von einem Arzt behandelt werden – seine Wunde wurde mit speziellen Klebestreifen verschlossen. Währenddessen legen die Aarauer in Form eines Formulars Protest gegen die Spielwertung ein. Das Formular wurde, unterschrieben vom FC Aarau und vom FC Winterthur, dem Schiedsrichter übergeben.

Welche Chancen hat der Protest? Nun, der entsprechende Abschnitt im Wettspielreglement des Schweizerischen Fussballverbands (SFV) lässt eigentlich kaum Spielraum für Interpretationen zu. Artikel 64 besagt:

«Wird ein Protest gemäss den Bestimmungen dieses Reglements gutgeheissen, wird das betreffende Verbandsspiel durch die für die Beurteilung des Protests zuständige Behörde zusätzlich auch in folgenden Fällen 0:3 Forfait zu Ungunsten des fehlbaren Teams bzw. Klubs gewertet, sofern dessen Tordifferenz dadurch nicht besser wird.»
Die Bierbecher auf der Schützenwiese blieben nicht bei allen in den Händen.
Die Bierbecher auf der Schützenwiese blieben nicht bei allen in den Händen.bild: imaog-images.de

Dieser Fall tritt ein, wenn unter anderem folgender Tatbestand erfüllt ist:

«... wenn ein Zuschauer anlässlich eines Spiels einen Spieler, Schiedsrichter oder Schiedsrichter-Assistenten durch tätlichen Angriff aktionsunfähig macht oder mit einem Gegenstand oder Wurfgeschoss verletzt.»

Wie geht es nun weiter? Der FC Aarau muss innerhalb von 72 Stunden nach Eingabe des Protests diesen bestätigen – was heute Montag nach Rücksprache mit Klubanwalt Michael Hunziker auch geschehen wird. Danach wird sich zeigen, ob die Disziplinarbehörden auf den Protest eingehen und damit die Chancen steigen, dass der FC Aarau das Spitzenspiel im Nachgang am grünen Tisch gewinnt.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Obwohl die Angelegenheit gemäss Reglement ziemlich eindeutig erscheint, ist alles andere als sicher, dass Aarau die drei Punkte gutgesprochen werden. Im Juli 2009 ereignete sich im Heimspiel des FC Luzern gegen GC (2:1) ein ähnlicher Vorfall: GC-Verteidiger Enzo Ruiz wurde während einer Behandlung von einem Wasserbecher am Kopf getroffen und konnte danach nicht mehr weiterspielen. GC beendete die Partie unter Protest und bestätigte diesen anschliessend. Die drei Punkte blieben aber trotzdem in Luzern, weil die Disziplinarkammer der Swiss Football League in ihrem Urteil festhielt, dass Spiele grundsätzlich auf dem Rasen und nicht am grünen Tisch entschieden werden sollen. Der FC Luzern erhielt lediglich eine Busse in Höhe von 15'000 Franken.

Im Spannungsfeld zwischen «Reglement» und «Unantastbarkeit des Spiels» wird die Behörde auch im aktuellen Fall entscheiden müssen. Problem ist hier das Reglement: Dieses öffnet – in diesem Fall dem FC Aarau – die Türe, wegen eines Vorfalls, der keinen Einfluss auf das sportliche Geschehen hat, das Resultat anzufechten.

Die Tabelle:

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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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inVain
14.03.2022 08:21registriert Mai 2017
Ich finde, man darf hier ruhig auch unterscheiden, ob ein solcher Wurf als Akt des Zorns ggü. des Schiritrios oder als (durchaus fahrlässige) Aktion im Überschwang geschehen ist. Soviel Interpretationsspielraum sollte dieses Reglement schon noch hergeben.
Klar ist, es soll bestraft werden, da der Wurf grundsätzlich zu verurteilen ist. Dass dabei der bedauernswerte Linienrichter zu Schaden gekommen ist ist schon sehr unglücklich. Als unterlegene Mannschaft aus der Verletzung des Linienrichters profitieren zu wollen halte ich allerdings unlauter.
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Bob Dalyn
14.03.2022 10:36registriert März 2017
Wollen sich die Aarauer so ihren vergeigten Sieg zurückstehlen?
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Die Lauchin
14.03.2022 09:50registriert Oktober 2015
Der zitierte Vorfall beim Spiel FCL - GC aus dem Jahr 2009 hatte ja einen Anteil Farce dabei. Der getroffene GC-Spieler wollte weiterspielen, weil er überhaupt nicht beeinträchtigt war. Trainer Sforza ordnete an, dass er liegen bleiben solle, nicht weiterspielen könne und sich in ärtzliche Behandlung begeben solle. Das musste er dem Spieler aber erst mal "beibringen", der wäre nicht von alleine darauf gekommen.
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