Die Schweiz macht sich Sorgen um Ihre Gesundheit. Können Sie trotz Knie-Verletzung an der EM spielen?
Breel Embolo:
Ja. Ich kann wieder normal mittrainieren. Schmerzlos. Es war mir auch
wichtig, keine Medikamente zu nehmen oder sonst irgendwie etwas zu
forcieren. Dafür ist mir die Gesundheit zu wichtig. Meine Karriere soll
noch lange dauern. Ich könnte schon gegen Moldawien wieder spielen.
Wie haben Sie die Entzündung an der Patella-Sehne in den Griff gekriegt?
Mit
regelmässiger Therapie. Und einer Eigenblut-Spritze. Das Blut wurde mir
im Arm abgenommen und im Knie wieder eingesetzt. Die roten
Blutkörperchen haben gute Arbeit geleistet. Die Heilung ist rascher
erfolgt, als ich gedacht hatte.
Ein Arzt hat erwähnt, dass Ihre Leiden chronisch sein könnten. Bereitet Ihnen das Sorgen?
Nein.
Weil ich jetzt weiss, wie ich damit umgehen muss. Der Fehler war, dass
ich in den letzten zwei Monaten – als ich eigentlich keine Schmerzen
verspürte – die Therapie vernachlässigte. Das wird mir nicht nochmals
passieren.
Wie würden Sie Ihren Stellenwert im Nationalteam beschreiben?
Ganz einfach: Ich bin der Jüngste im Team.
Und trotzdem sind Sie bereits einer der grössten Hoffnungsträger dieses Nationalteams. Ist das eher Freude oder Last?
Darauf
darf ich schon ein bisschen stolz sein. Ich habe mir diese Hoffnungen
in mich erarbeitet. Diese Erwartungen will ich nun auch erfüllen – oder
übertreffen. Ich bin einer, der sich viel vornimmt. Ich bin nicht gerne
nur Mitläufer. Aber ich weiss auch, dass ich im Nationalteam noch nicht
wahnsinnig viele Spiele und Tore auf meinem Konto habe.
Bei der WM 2014 in Brasilien waren Sie 17 Jahre jung. Wie haben Sie den legendären Achtelfinal gegen Argentinien erlebt?
Im
Trainingslager mit dem FC Basel. Wir haben das Spiel vor dem Fernseher
erlebt. Ein Grüppchen Schweizer zusammen mit einem Grüppchen Argentinier
um Matias Delgado und Gaston Sauro. Sie konnten kaum glauben, wie stark
die Schweiz war. Eigentlich dachten sie ja, es werde ein lockeres 2:0
oder 3:0. Am Ende mussten sie auf ihrem Sofa zittern. Schön, dass es so
spannend war. Und ich dachte damals: Vielleicht kann ich ja irgendwann
auch einmal an einem grossen Turnier mitspielen.
Sie haben Ihre Wurzeln in Yaoundé. Was können die Schweizer von der Mentalität Kameruns lernen?
Die
Lockerheit! Man sollte zwar keine pauschalen Vergleiche anstellen. Aber
vieles ist lockerer. Jeder kennt jeden. Es kommt vor, dass man Leuten
in einer Bar etwas zu trinken bezahlt, die man überhaupt nicht kennt.
Jeder teilt seine Freude mit jedem. Wer in Kamerun am Freitag eine
Million gewinnt, hat vielleicht bis zum Ende des Wochenendes nicht mehr
allzu viel übrig, weil er alles verteilt (lacht).
Die Schweizer sind da eher zurückhaltender.
Zurückhaltend,
ja, manchmal auch verspannt und etwas gar seriös und oft gestresst.
Aber das heisst nicht, dass die Schweiz schlechter ist. Anders eben.
Wie halten Sie heute den Kontakt in Ihr Heimatland aufrecht?
Ich
versuche, einmal pro Jahr nach Kamerun zu reisen. Manchmal im Sommer.
Manchmal im Winter. Dieses Jahr war ich im Januar zehn Tage dort. Es tut
unheimlich gut, dort die Batterien aufzuladen. Ich geniesse es, frei
rumlaufen zu können. Es dauert, bis ich erkannt werde. Der Abschied
fällt mir jeweils sehr schwer. Ich sehe, dass meine Familie Tränen in
den Augen hat, weil sie nicht wissen, wann ich das nächste Mal
wiederkomme.
Könnten Sie sich vorstellen, in Kamerun zu leben?
Weniger.
Ich brauche jeweils fünf Tage, um den Rhythmus von Kamerun zu finden.
Und wenn ich dann wieder zurück bin, ist es schon schön, zu wissen, dass
der Bus wirklich um 15 nach fährt, wenn auf der Tafel steht, er fährt
um 15 nach. Sagen wir es so: Wenn ich in Kamerun bin, vermisse ich die
Schweiz. Und wenn ich in der Schweiz bin, vermisse ich Kamerun. Das
Leben ist schon ganz anders. Stellen Sie sich in der Schweiz Taxis vor
mit sieben Leuten drin – das ginge nie. Meine Mutter macht sich deswegen
auch manchmal etwas Sorgen. Ich bin da lockerer, auch mal für so einen
Spass zu haben. Und sonst habe ich immer noch meinen Onkel, der für mich
schaut in Yaoundé – auch wenn er erst 27 ist (lacht).
Erzählen Sie etwas über Ihre Familie in Kamerun!
Wir
unternehmen viel mit unserem Grossvater. Er ist der einzige, der noch
lebt aus der älteren Generation. Er ist unser König. Natürlich verbringe
ich auch viel Zeit mit meinen zwei Halbbrüdern und der Halbschwester.
Sie sind zwischen vier und zehn Jahre alt. Die Mädchen sind manchmal ein
wenig eifersüchtig auf mich, den Grossen (lacht). Der Kontakt mit
meinem Vater ist mir auch sehr wichtig. In Kamerun ist es üblich, dass
der Familienzusammenhalt auch nach einer Trennung genau gleich gross
ist.
Wann haben sich Ihre Eltern getrennt?
Uff,
Sie fragen Sachen (lacht). So genau habe ich mit meinen Eltern nicht
darüber geredet. Ich bin da nicht so ‹gwundrig›. Das ist wahrscheinlich
ein Thema, das meine Schwestern mehr interessiert. Vielleicht liegt das
auch daran, dass Frauen ein wenig emotionaler veranlagt sind als wir
Männer.
Apropos Frauen: Haben Sie eine Freundin?
Ja, ich bin seit einiger Zeit glücklich vergeben.
Wissen Sie schon, wie es in der Zukunft fussballerisch weitergeht?
Ich habe eine klare Idee, bin mir aber noch nicht 150 Prozent sicher.
Granit
Xhaka hat nach seinem Transfer zu Arsenal gesagt, er sei froh, nun mit
freien Gedanken an die EM reisen zu können. Wie ist das bei Ihnen?
Er
hat schon Recht. Auch wenn wir jung und unbeschwert sind, die ständigen
Gespräche haben schon einen Einfluss auf die Gedanken im Hier und
Jetzt. Aber unter Druck setzen lassen will ich mich auch nicht.
In welche Richtung tendieren Sie?
Ich
glaube, die Bundesliga könnte der richtige Schritt für mich sein.
England ist zwar die Liga meiner Bubenträume. Doch dafür bin ich im
Moment noch ... (überlegt), nicht zu jung – aber ich bin einer, dem
schnell einmal langweilig wird, was soll ich dann mit 24 oder 25
anstreben, wenn ich jetzt schon nach England gehe?
Wie sind Sie eigentlich zum Fussball gekommen?
Wir
haben in der Schule viel gekickt auf dem Pausenplatz. Mir fiel auf,
dass einer meiner Kollegen immer am Dienstag und Donnerstag fehlte –
weil er im Fussballklub war. Er fragte mich, ob ich mich nicht
anschliessen wolle. Also ging ich nach Hause und besprach es mit meiner
Mutter.
Wie reagierte sie?
Ich durfte zum
Probetraining. Rasch war klar: Sie ist froh, dass ich an der frischen
Luft bin und Sport mache. Und dass ich am Abend müde bin und gut
schlafe.
Haben Sie noch Kontakt zu jenem Kollegen, der Sie zum Fussball brachte?
Er
ging mit 15 nach Spanien, nach Malaga, wenn ich mich richtig erinnere.
Manche andere Jungs aus unserer Fussballer-Clique von damals sehe ich
heute noch, auch wenn sich die Wege zwischendurch trennten.
Angefangen haben Sie Ihre Karriere als Torhüter. Warum?
Ich
war ein super Torhüter, habe alles gefischt (lacht). Ich war eben ein
ruhiger Typ, dachte mir: Im Tor kann ich nicht viel falsch machen. Das
gefiel mir. Irgendwann bei den F-Junioren wechselte der Trainer alle
Positionen ein bisschen. Ich habe dann draussen einen guten Eindruck
hinterlassen – und erhielt «Torhüter-Verbot» vom Trainer. Er sagte: «Du
hast alles, was es braucht, um uns zum Sieg zu schiessen.»
Wären Sie auch als Torhüter so gut geworden?
Klar! Die Leute unterschätzen meine Sprungkraft. Mit mir im Tor haben wir immer mindestens 0:0 gespielt (lacht).
Wenn
es eine Szene gäbe, in welcher der Torhüter ihres Teams die rote Karte
erhält und der Trainer schon drei Mal gewechselt hätte ...
... würde
ich sofort hinrennen und fragen, ob ich ins Tor darf. Aber ich
befürchte, meine Mitspieler und der Trainer würden mich nicht lassen.