Beat Forster, sls Sie im letzten Sommer aus Davos nach Biel kamen und vom Meistertitel sprachen, da wurde das an Ihrem neuen Arbeitsort mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Kamen Sie sich da ein wenig wie ein Alien auf einem fremden Planeten vor?
Beat Forster: Meine Aussagen wurden in Biel am Anfang schon fast ein wenig belustigt zur Kenntnis genommen. Aber das entspricht meinem Naturell. Ich gehe in jede Saison mit dem Ziel, Meister zu werden. Gewinnen muss doch das Ziel von jedem Spieler sein. Zumal ich schon im letzten Sommer das Gefühl hatte, dass diese Mannschaft in Biel ein grosses Potenzial hat. Wieso also nicht den Titel anstreben? Ist es nur in Bern, Zürich oder Davos legitim, diese Zielsetzung zu äussern?
Welche Mentalität haben Sie in Biel vorgefunden?
Dass man schnell zufrieden ist nach Siegen und Niederlagen eher achselzuckend zur Kenntnis nimmt. Aber durch die starken Leistungen, die wir zuletzt abgeliefert haben, haben inzwischen alle gemerkt, dass mit dieser Mannschaft etwas möglich ist. Wir können jeden Gegner schlagen – und das nicht nur an einem guten Tag. Dieser Mentalitätswandel brauchte Zeit. Man muss jeden Tag vorleben, was es braucht, um Erfolg zu haben.
Wie kann ein erfahrener Spieler wie Sie in einem neuen Umfeld Einfluss nehmen?
Ich versuchte, am Anfang primär in den Trainings und während der Spiele in gewissen Situationen Einfluss zu nehmen. Das heisst, mal einen Spieler auf die Seite zu nehmen und ihn mit einfachen Worten wieder aufzubauen oder einen Input zu geben. Ihm zu zeigen, wann man sich durchbeissen muss und wann es besser ist, die Schnauze zu halten. Wichtig war, dass wir eine Gruppendynamik auslösen konnten, in welcher mehrere Spieler Verantwortung übernahmen.
War das ein schmerzhafter Prozess, in welchem auch einmal harte Worte fielen – vor allem im Herbst, als es dem Team nicht so gut lief?
Die verbale Keule habe ich nur einmal ausgepackt. Und zwar nach dem Cup-Match in Olten (Biel gewann mit 4:3 nach Verlängerung, Anm. der Red.). Dort habe ich mich masslos geärgert, dass wir uns trotz einer schlechten Leistung noch von den Fans feiern liessen. Das macht man nicht. Darum habe ich in der Garderobe Dampf abgelassen. Vielleicht hat das beim einen oder anderen Spieler einen Denkprozess ausgelöst. Sowieso hatte sich bei uns nach einem guten Saisonstart bereits eine gewisse Selbstgefälligkeit breitgemacht. Und dann hat unser damaliger Trainer Mike McNamara das Heft aus der Hand gegeben. Er konnte keinen Einfluss mehr nehmen auf die Mannschaft.
Was war sein Problem?
Mike hat einen sehr guten Job gemacht, indem er dem Team eine gewisse Grundstabilität verpasste. Aber der nächste Schritt, die Weiterentwicklung, entspricht nicht seinem Naturell. Er ist ein Ausbildner. Aber er kann die Spieler nicht pushen und Emotionen in ihnen wecken. Das hat sich unter (Interimstrainer und Sportchef, Anm. der Red.) Martin Steinegger dann geändert. Der hat fast die Wände aufgefressen, wenn es nicht gelaufen ist. Das machte den Spielern Eindruck.
Biel liegt auf dem «Röstigraben», ist zweisprachig. Spürt man die «welsche» Mentalität, dieses «Laissez-faire», oder ist das ein Klischee?
Am Anfang habe ich das schon gespürt. Aber eher im positiven Sinn. Also zum Beispiel bezüglich der Offenheit der Menschen, wie sie mich und meine Familie empfangen haben. Diese Herzlichkeit hat mich fast ein wenig überfordert (lacht). So sind die Leute hier.
Auch innerhalb der Mannschaft?
Nur in dem Sinn, dass man sich punkto Zielsetzung eher genügsam gegeben hat. Eben nach dem Motto: «Die Playoff-Qualifikation reicht, alles andere ist ein Bonus.» Aber an höhere Ziele wollte niemand so richtig glauben.
Wie war für Ihre Familie die Umstellung nach all den Jahren in Davos?
Sehr schwierig! Man muss sich vorstellen, dass wir als Familie in Davos aus einem Umfeld gerissen wurden, welches für uns perfekt war. Und dann kommt man in eine Gegend, die man überhaupt nicht kennt, muss sich eine neue Heimat suchen. Aber wir hatten Glück und in Lohn-Ammannsegg, in der Nähe von Solothurn, ein für uns perfektes Haus gefunden. Das war wie ein Lotto-Sechser.
Welche Komponente brachte der neue Headcoach Antti Törmänen in die Mannschaft?
Er ist ein sympathischer und authentischer Trainer, der aber durchaus auch eine bissige Art haben kann, wenn es sein muss. Antti vermittelte uns Selbstdisziplin. Er gibt den Spielern Freiheiten, verfolgt aber trotzdem eine strikte Linie. Er hat der Mannschaft eine Struktur gegeben, die zu uns passt. Das Gesamtpaket stimmt. Er kann die Spieler hervorragend abholen. Ich sage immer: Mit Menschlichkeit kann man mehr herausholen als mit der Peitsche.
Hat sich Ihre Rolle unter Törmänen verändert?
Mit Mike McNamara bin ich nie warm geworden. Vielleicht hatte er andere Erwartungen an mich. Ich wollte mehr mit den jungen Spielern zusammenarbeiten. Unter Steinegger bin ich mehr in diese Rolle reingekommen. Und unter Antti noch stärker. Ich konnte mehr Verantwortung übernehmen, erhielt mehr Eiszeit.
Sieht man in diesem Fall zurzeit einen sehr guten Beat Forster?
Ja.
Jetzt kommt es in den Playoffs ausgerechnet zum Duell gegen den HC Davos. Ihr Abschied im letzten Sommer verlief ja nicht ohne Nebengeräusche. Eine spezielle Affiche für Sie?
Ja. Aber nur, weil es die Playoffs sind. Die Playoffs sind immer speziell. Ich musste ja nicht aus sportlichen, sondern aus privaten und persönlichen Gründen beim HCD gehen. Deshalb muss ich auch niemandem dort oben etwas beweisen.
Trotzdem: Sie sind ein Spieler, der auf dem Eis gerne auch mal seine «böse Seite» auslebt. Müssen Sie Ihr Temperament zügeln?
Ich muss so agieren, wie ich es in den letzten Spielen getan habe – also ohne Abrissbirne und eher spielerisch.
Aber der Grat ist sehr schmal. Gerade gegen ein Team wie Davos, das in den Playoffs eigentlich immer ein Brikett drauflegen kann.
Ja, das ist so. Aber das geht ja nicht nur mir so. Jeder Spieler muss in den Playoffs versuchen, seine Emotionen im Griff zu haben. Das Ziel muss sein, dass man körperlich in jedem Match an sein Limit kommt, dass man nach jedem Spiel ausgepowert ist. Wenn jeder einzelne Spieler sein Maximum gibt, dann muss sich nachher niemand etwas vorwerfen lassen.
Pflegen Sie noch Kontakt mit Ihren ehemaligen Teamkollegen?
Ja klar, auch mit unserem ehemaligen Umfeld in Davos. Das macht die Serie für mich natürlich auch speziell. Alle unsere Freunde und Bekannten haben nun die Möglichkeit, mir in dieser Saison noch einmal live im Stadion zuzuschauen. Es ist ein schönes Gefühl, zu wissen, dass man viele Leute auf der Tribüne kennt und dass die nach dem Spiel auf mich warten, um noch ein paar Worte zu wechseln.
Ungewohnt ist ja, dass der EHC Biel als Dritter der Qualifikation gegen den HC Davos in der Favoritenrolle ist ...
Schön ist sicher, dass wir den Heimvorteil haben. Unsere Zuschauer können die Halle in einen Hexenkessel verwandeln und uns pushen. Wir müssen einfach so auftreten, wie wir das zuletzt taten. Zumal wir nicht unter Druck stehen. In Davos sind die Erwartungen sicher höher.
Das tönt jetzt nach Understatement. Die Papierform sagt ganz klar: Der EHC Biel ist Favorit.
Es ist schon so: Mit der Vergangenheit kann man sich keine Titel kaufen. Dank unserem guten Abschluss der Qualifikation sind wir in einem guten Lauf. Das ist ein Vorteil für uns. Aber es wird so oder so eine ganz enge Serie.
Weshalb wird der EHC Biel in dieser Saison Meister?
Weil wir zwölf Spiele gewinnen! (lacht)