Herr Geyer, kürzlich haben Sie bei der «Lausitzer Rundschau» angerufen, um über die Lage bei ihrem Ex-Klub Energie Cottbus zu sprechen. Was war da los?
Ede Geyer: Ich verfolge die Situation in Cottbus sehr intensiv. Obwohl es da momentan um alles geht, kommen manchmal nur 6000 Zuschauer zu den Heimspielen. Deshalb habe ich in der Redaktion angerufen und gesagt, dass sie Leute mobilisieren sollen. Die Cottbusser müssen sich jetzt zusammenschliessen, damit der Verein Erfolg hat. Das musste ich einfach loswerden.
Sie waren zehn Jahre lang Trainer bei Energie, führten das Team bis in die Bundesliga. Nun droht der Abstieg in die Regionalliga. Können Sie sich an eine ähnlich bedrohliche Situation in der Geschichte des Klubs erinnern?
Wir haben in der Bundesliga und in der zweiten Liga auch immer gegen den Abstieg gespielt. Aber damals wussten wir ja, wo wir im Falle eines Misserfolgs landen. Wenn Cottbus jetzt absteigt, dann landen sie ja erstmal in der, tja ...
... Regionalliga ...
Eigentlich im Nichts.
Was würde passieren?
Man hat in der dritten Liga schon Probleme, das Geld aufzutreiben. Wie soll man da in der Regionalliga eine ordentliche Mannschaft aufbauen? Das ist unheimlich schwer. Man sieht es bei anderen Mannschaften, etwa Jena, wie schwierig es ist, aus dieser Liga aufzusteigen.
Cheftrainer bei Energie ist Vasile Miriuta. Sie kennen ihn noch als Spieler. Was ist er für ein Typ?
Einen wie ihn gibt es ja fast gar nicht mehr. Miriuta war ein Spielführer, ein Regisseur. Er ist sehr ehrgeizig. Als Spieler hat er weniger dazwischengehauen, er war eher der Stratege und das war auch gut für uns. Um ihn herum haben wir Spieler gruppiert, die für ihn die Drecksarbeit machen mussten. Aber mit dem Ball fiel ihm alles leicht.
Kann er Cottbus retten?
Er hat bislang keine schlechte Arbeit gemacht, aber die Mannschaft hat zu oft unentschieden gespielt. Wenn man ihn an der Seitenlinie sieht, ist er sehr engagiert und will am liebsten mitspielen. Ich hoffe, dass er die Mannschaft erreicht.
Morgen Samstag trifft Cottbus auf Dynamo Dresden, auch dort waren Sie schon Trainer. Dresden steht derzeit an der Tabellenspitze, der Aufstieg in die Zweite Bundesliga ist ihnen kaum mehr zu nehmen. Wie gefällt Ihnen der Dynamo-Fussball?
Ich wohne in Dresden und wenn ich nicht gerade unterwegs bin, gehe ich zu jedem Spiel. Insgesamt ist die Saison bisher sehr gut verlaufen. Aber ich hätte mir gewünscht, dass sie mit dem komfortablem Vorsprung in der zweiten Saisonhälfte stabiler spielen. Man hätte sich jetzt eine Menge Selbstbewusstsein für die Zweite Liga holen können. Das ist etwas ärgerlich, auch für die 25'000 Fans, die dort regelmässig hingehen. Die wollen Dresden doch siegen sehen!
Mit Dresden, Cottbus, Hansa Rostock, dem Halleschen FC, dem Chemnitzer FC, dem 1. FC Magdeburg und Rot-Weiss Erfurt spielt die halbe ehemalige DDR-Oberliga in der Dritten Liga. Sind Sie traurig, dass die grossen Duelle des Ostfussballs mittlerweile so weit unten stattfinden?
Natürlich. Die Zukunft haben wir uns zur Wendezeit ein bisschen anders vorgestellt. Dresden und Rostock haben es zwar in die Bundesliga geschafft, aber es gab viele Scharlatane aus dem Westen, die keinen guten Einfluss genommen haben und einige Klubs finanziell ruiniert haben. Eine andere Wahrheit ist jedoch auch, dass die Klubs viele Fehler gemacht haben. Dresden ist zwischenzeitlich bis in die vierte Liga abgestiegen. Dabei hat der Klub früher im Europapokal der Landesmeister mitgemischt. Gegen Bayern, Lissabon, Liverpool. Doch der Osten ist vom grossen Fussball zurzeit Lichtjahre entfernt.
Es gibt ein Gegenbeispiel: RB Leipzig. Dort hat man keine Geldprobleme und ist erfolgreich. Der Klub steht vor dem Aufstieg in die erste Liga. Sind Sie froh, dass es diesen Klub gibt?
Was heisst froh? Die haben dort gute Arbeit gemacht. Und was ich gut finde: Sie haben einen relativ kleinen Personenkreis, der entscheidet. Nicht so ein aufgeblähtes Konstrukt mit Hunderten von Vorständen. Auch mit Geld kannst du Fehler machen. Leipzig hat die Gesetze des DFB eingehalten, deshalb ist das auch akzeptabel.
Welchen Effekt könnte ein Leipziger Aufstieg haben?
Wenn sie ganz oben spielen, werden sie viele Zuschauer anlocken, vielleicht auch aus der Region Dresden und Umgebung. Die Leute wollen hier ja auch mal wieder Dortmund, Gladbach oder Bayern sehen.
Fürchten Sie nicht, dass genau das für die anderen Vereine schlecht sein könnte?
Ja, das kann so sein. Aber ich denke, dass gerade Dresden aufgrund der grossen Fan-Euphorie auch weiterhin ein volles Stadion hat. Die Leute lieben Dynamo. Aber einige Menschen aus der Stadt werden sich schon ab und zu fragen, ob sie nicht doch mal nach Leipzig fahren, um die Bayern oder den BVB zu sehen.
Wie wichtig ist es für den Ostfussball, einen Erstligaklub zu haben?
Für die Jugend, für die Vorbildwirkung, ist das sehr, sehr wichtig. Um die Wendezeit hatten wir einige Vorzeigevereine. Jetzt haben wir da wenig.
Warum haben es Ostklubs so schwer im deutschen Fußball?
Wenn du im Erfolg Fehler machst, dann spielst du bald gegen den Abstieg. Auf lange Sicht konnten wir den Standard einfach nicht halten. Wir hatten zu wenige Sponsoren und Investoren, um die Mannschaften zu entwickeln.
Fiese Frage: Dresden oder Cottbus, für wen sind Sie morgen?
Ich bin zwar mehr Dresdner, weil ich hier lebe, aber ganz klar: Ich drücke Cottbus die Daumen. Ich war 23 Jahre bei Dynamo, zehn Jahre in Cottbus, beide Vereine liegen mir am Herzen. Aber ich glaube, dass Dresden sicher aufsteigen wird. Und Cottbus braucht die Punkte unbedingt. Die Dresdner sollen mir das aber bitte nicht verübeln.