Seit mehr als zehn Jahren ist im rumänischen Verband einer der grossen Verteidiger der rumänischen Fussball-Geschichte für die Nachwuchs-Auswahlen verantwortlich: Miodrag Belodedici. Der heute 52-Jährige gewann mit Steaua Bukarest (1986) und Roter Stern Belgrad (1991) zweimal den Meistercup. Mit Rumänien absolvierte Belodedici zwischen 1984 und 2000 55 Länderspiele.
Darunter eines, das in der Schweiz zum Jahrhundertspiel erklärt wurde. Das 4:1 der SFV-Auswahl an der WM 1994 in den USA erlebte Belodedici als Libero der Rumänen hautnah mit. Mit der Nachrichtenagentur SDA sprach er über diese Partie, über das Duell vom Mittwoch und über die Probleme Rumäniens in der Nachwuchsförderung.
Herr Belodedici, welche Erinnerungen haben Sie an die 1:4-Niederlage gegen die Schweiz vor 22 Jahren in den USA?
Miodrag Belodedici: Ich erinnere mich gut, wenn auch nicht gerne. Wir trugen in diesem Spiel die Nase sehr hoch. Wir hatten mit Hagi, Popescu, Lupescu und Raducioiu eine wirklich starke Mannschaft und haben das erste WM-Spiel gegen Kolumbien gleich gewonnen.
Deshalb dachten wir, die Schweiz sei mit offensivem Fussball locker zu schlagen. Wir haben den Gegner unterschätzt, obwohl wir hätten wissen müssen, dass die Schweiz sehr gut war und über exzellente Spieler verfügte wie Chapuisat, Sforza oder Sutter. Nach dem Spiel waren wir schlauer. Wir passten unsere Taktik in der Folge an und kamen bis in die Viertelfinals.
Passiert es Rumänien nochmals, dass es die Schweiz unterschätzt? Die eigene Leistung bei der Niederlage gegen Frankreich wurde sehr positiv bewertet.
Es war aber trotzdem eine Niederlage. Deshalb können wir es uns nicht leisten, irgendetwas auf die leichte Schulter zu nehmen. Aber es ist klar, dass Rumänien diesmal nicht eine selbstmörderische Offensiv-Taktik wählen wird wie wir damals.
Welchen Eindruck hatten Sie von der Schweiz im Spiel gegen Albanien?
Ehrlich gesagt habe ich nicht alles gesehen. Den Schluss habe ich verpasst. Was ich gesehen habe, hat mich nicht überrascht. Die Schweiz hat das Spiel klar kontrolliert und verdient gewonnen. Es war das typische, schwierige Startspiel für eine favorisierte Mannschaft. Deshalb war es mit dem Sieg ein guter Einstieg für die Schweiz.
Wovor muss sich Rumänien gegen die Schweiz in Acht nehmen?
Im Prinzip kann uns die Schweiz nicht überraschen. Sie spielt so wie ganz viele andere Teams auch. Sie hat ihre Stärken bei stehenden Bällen, so hat sie auch das Tor gegen Albanien erzielt. Die Schweiz ist im zentralen Mittelfeld gut organisiert. Dort gibt es für den Gegner fast kein Durchkommen. Die Aussenverteidiger interpretieren ihre Rolle offensiv, deshalb müssen wir versuchen, unsere Konter über die Seiten vorzutragen.»
Sie waren einer der besten Verteidiger Rumäniens und sind nun im Verband für die Nachwuchs-Auswahlen verantwortlich. Also steckt viel von Ihnen in diesem defensiv starken rumänischen Team.
Früher waren die rumänischen Verteidiger bekannt dafür, dass sie das Spiel gut auslösen konnten. Das galt für mich, aber auch für Lupescu oder Popescu. Heute haben wir mit Chiriches wieder einen, der das kann. Ich würde aber nicht sagen, dass ich diese Art des Verteidigerspiels für die Rumänen erfunden habe. Es ist einfach Bestandteil des heutigen Spiels und Rumänien versucht, einen modernen Fussball zu praktizieren.
Sie sprechen von Chiriches – einem Verteidiger. Er ist der bekannteste Spieler des Teams. Wo sind im rumänischen Fussball die neuen Hagis und Mutus, die Offensivspieler mit internationaler Klasse?
In der Tat haben wir weniger Stars als früher. Zu meiner Zeit war der Konkurrenzkampf in den Klubs viel grösser. Wer es bis in die erste Mannschaft geschafft hatte, war bereit für eine internationale Karriere. Das Niveau der rumänischen Mannschaften war früher höher. Ich habe mit Steaua Bukarest den Meistercup gewonnen. Das ist heute undenkbar.
Auch die Nationalteams machen eine schwierige Zeit durch. Zwar hat man sich für Frankreich qualifiziert, aber auf Nachwuchs-Stufe ist Rumänien fast nie an einer Endrunde dabei.
Das hat damit zu tun, dass sich die Spieler in Rumänien nicht optimal entwickeln können. Das liegt zum einen an den Klubs, die keine Zeit verlieren wollen, um die Spieler für ein bisschen Geld ins Ausland zu verkaufen. Und sei es auch nur in eine durchschnittliche Liga wie in Israel oder Bulgarien.
Ein Grund ist aber auch die schlechte Infrastruktur im Land. Es fehlt in den Klubs an gut ausgebildeten Trainern und an geeigneten Spielfeldern.
Gibt es Aussicht auf Besserung? Der Verband verdient dank der EM-Teilnahme ziemlich viel Geld.
Die Investitionen müssen in Rumänien von Privaten kommen. Einer von ihnen ist Gheorghe Hagi. Er investiert sehr viel Geld in den Klub Viitorul Constanta und ist dort auch Trainer der Profis.
Dieser Verein wurde erst vor sieben Jahren gegründet, spielt aber dank den Investitionen von Hagi schon seit mehreren Saisons in der 1. Liga. Hagi finanziert die erstklassigen Trainingsbedingungen. Deshalb ist Viitorul Constanta derzeit auf jeder Nachwuchs-Stufe Meister. Ich hoffe sehr, dass dieser Weg den anderen Klubs die Augen öffnet und sie endlich Geld in den Nachwuchs investieren.
(sda)