Dass die Leichtathletik auch schon populärer war, beweist der tägliche Blick in den Zürcher Letzigrund. Seit Dienstag finden dort die Europameisterschaften statt: in einem meist halbleeren Stadion. Stimmung kommt zwar öfters auf, primär wenn Schweizer im Einsatz stehen und wie Sprinterin Mujinga Kambundji oder Hürdler Kariem Hussein begeistern.
Stimmung kam auch am Donnerstagabend auf, als sich zum Ende des Rennens über 3000 m Steeple wahrscheinlich noch nie Gesehenes ereignete. Der Franzose Mahiedine Mekhissi-Benabbad, als zweifacher Europameister angetreten, wurde seiner Favoritenrolle gerecht. Er lief so überlegen vor seinen Gegnern, dass er sich eine Extravaganz leisten konnte. Mekhissi-Benabbad schlüpfte im Laufen rund 100 Meter vor der Ziellinie aus seinem Shirt, lief halbnackt der Goldmedaille entgegen.
«Endlich einmal ein Showman!», muss den Leichtathletik-Funktionären durch den Kopf geschossen sein. «Vielleicht reden die Leute endlich mal von einem Anderen als immer nur von Usain Bolt», war vielleicht ein anderer Gedankenblitz. Möglicherweise war das der Grund, weshalb Mekhissi-Benabbad zwar nach dem Rennen bestraft wurde – aber nur mit einer Gelben Karte, die keine unmittelbaren Konsequenzen für den Franzosen hatte.
Doch Mekhissi-Benabbad hatte die Rechnung ohne den spanischen Verband gemacht. Dieser witterte die Chance, mittels Protest seinem viertklassierten Läufer Angel Mullera zur Bronzemedaille zu verhelfen. Und tatsächlich: Die Jury knickte ein. Sie disqualifizierte den Sieger wegen Unsportlichkeit. Ein sofortiger Gegenprotest der Franzosen gegen die Entscheidung wurde abgeschmettert.
Natürlich war das voreilige Jubeln nicht besonders sportlich. Aber einen überlegenen Sieger deswegen aus dem Klassement zu streichen, steht in keinem Masse zu seine Vergehen. Die Leichtathletik hat mit dem Entscheid gegen den französischen Showman Mahiedine Mekhissi-Benabbad eine Chance vertan, sich als modern und aufgeschlossen zu positionieren.