Nie in der Geschichte waren Motorradrennen auf GP-Niveau so sicher wie heute. Aber es gab keine Möglichkeit, den tödlichen Unfall von Jason Dupasquier zu verhindern. Und es gibt keine Schuldigen.
Jason Dupasquier stürzt am frühen Samstagnachmittag im Moto3-Training (Qualifying 2) zum GP von Italien in Mugello in der schnellen Kurve «Arrabbiata 2) und wird vom Japaner Ayumu Sasaki überfahren. Die Session wird sofort mit der roten Flagge gestoppt, Rettungsfahrzeug und Arzt sind rasch an der Unfallstelle. Er wird erstversorgt und dann mit dem Rettungs-Helikopter in die Careggi-Klinik nach Florenz geflogen.
Heute wird alles Menschenmögliche für die Sicherheit unternommen. Die Sturzräume sind auf allen Strecken so ausgebaut, dass die Piloten nach einem Unfall nicht mehr in Hindernisse prallen und die Begrenzungen rund um die Strecken sind alle mit Luftkissen abgesichert.
Die Beläge werden regelmässig erneuert und sind im bestmöglichen Zustand. Die Strecken werden mit Video- und TV-Kameras überwacht und beim geringsten Zwischenfall wird ein Training oder ein Rennen sofort gestoppt.
Die Maschinen sind technisch heute so weit entwickelt, dass Unfälle durch Pannen (wie blockierte Motoren) praktisch ausgeschlossen sind.
Im Fahrerlager steht eine fahrbare Klinik mit den modernsten medizinischen Einrichtungen für eine optimale medizinische Versorgung nach Unfällen und im Notfall können Helikopter für den Weitertransport auf der Piste landen.
Kommt dazu: Eine Jury überwacht laufend die Trainings und die Rennen. Piloten, die mit ihrer Fahrweise ihre Konkurrenten gefährden, werden sanktioniert. Ein sorgfältiges Auswahlverfahren stellt sicher, dass nur Fahrer mit dem entsprechenden Können zu den Trainings und Rennen zugelassen werden. Wer einen bestimmten Rückstand auf die Trainingsbestzeit hat, darf das Rennen nicht fahren.
Die Piloten sind durch Airbags in den Lederkombis, Rückenprotektoren und Helme geschützt.
Mehr kann nicht getan werden. Die Anzahl der tödlichen Unfälle ist stark zurückgegangen. Von 14 in den 1980er auf zwei in den 1990er Jahren und fünf seit 2000.
Und doch bleibt ein Restrisiko. Der Albtraum: Ein Fahrer bleibt nach einem Sturz auf der Strecke liegen und wird überfahren. So wie Jason Dupasquier. Es gibt keine Massnahmen, mit der diese Tragödie hätte verhindert werden können oder solche Tragödien künftig verhindert werden könnten. Es gibt keine Schuldigen und auch keinerlei Versagen der Organisatoren.
Auf die gleiche Art und Weise haben zuletzt Dominique Aegerters damaliger Teamkollege Shoya Tomizawa (5.10.2010 in Misano von Scott Redding und Alex De Angelis überfahren) und Marco Simoncelli (23.10.2011 in Sepang von seinem Freund Valentino Rossi und Colin Edwards überrollt) ihr Leben verloren.
Der Motorradrennsport bleibt der gefährlichste Sport der Welt. Das Problem: Die Knautschzone ist der Körper der Piloten. Anders als im Autorennsport gibt es keine schützende Hülle. Autorennsport ist heute durch die entsprechende Konstruktion der Fahrerzelle vergleichsweise sicher.
Mit Jason Dupasquier verliert der internationale Motorradrennsport einen seiner talentiertesten, besonnensten, intelligentesten und beliebtesten jungen Piloten. Er stand in der Moto3-WM am Anfang einer grossen Karriere. Er hatte das Potenzial, um der nächste Tom Lüthi, der nächste Schweizer GP-Sieger und Weltmeister zu werden.
Seine Betreuung war optimal: Daniel Epp, der väterliche Freund und Manager von Tom Lüthi hat sich auch um die Förderung von Jason Dupasquier gekümmert und ihn im deutschen Prüstel-Team untergebracht. In einem hochprofessionellen Rennstall.
Jason Dupasquier ist der Sohn der Motorradsport-Legende Philippe Dupasquier (mehrfacher nationaler Motocross- und Supermotard-Meister), heute Leiter der Motorsportabteilung von KTM Schweiz. Jason Dupasqier ist mit dem Rennsport aufgewachsen und von seiner Familie gefördert aber nie «gepusht» worden. Papa Philippe und Mutter Andrea hatten im Winter den Familiensitz vorübergehend nach Südspanien verlegt, wo Jason bei besserem Wetter fast täglich mit verschiedenen Motorrädern und auf dem Rennvelo und dem Mountainbike trainieren und sich optimal auf die Saison 2021 vorbereiten konnte.
Der Freiburger ist über die Einstiegsklasse «Rookies Cup» im Frühjahr 2020 in den GP-Zirkus gekommen. Ein Jahr hatte er zuvor durch eine Sturzverletzung (Oberschenkelbruch) verloren. In seiner ersten Saison in der Moto3-WM blieb er 2020 noch ohne WM-Punkte (1. bis 15. Platz). Diese Saison hat er alle fünf Rennen unter den Top 15 beendet. Die behutsame Karriere-Planung war optimal und auch die Finanzierung war gesichert. Seine Entwicklung hatte inzwischen die hohen Erwartungen sogar übertroffen.
Er war kein «Haudegen» und schon gar nicht ein «Bruchpilot». Er ist zu keinem Zeitpunkt unnötige Risiken eingegangen und gehörte diese Saison zu den fünf Fahrern in der Moto3-WM, die in allen Rennen in die Punktefänge gefahren sind.
Mehr noch: Jason Dupasquier ist diese Saison in Training und Rennen ein einziges Mal gestürzt: Das Hinterrad seiner Maschine rutschte weg. Und dieser einzige Sturz hat ihn das Leben gekostet.
Es ist der unfassbare Tod eines perfekten Rennfahrers. Nie hat ein Schweizer so jung auf GP-Niveau sein Leben verloren.
Viel zu jung.