Peking, Montag, 7. Februar. Unsere Eishockeymänner haben fakultatives Training in der grossen Arena. Gleich anschliessend sind Interviews gebucht.
Zwei ältere Chronisten, weit gereist und international erfahren, haben sich eingefunden. Sie richten sich auf der geräumigen Medientribüne ein, verfolgen auf dem Laptop die Abfahrt der Männer und beobachten das Training unten auf dem Eis. Ein bisschen wie Waldorf und Statler von der Muppet Show.
Nur zwei Torhüter sind da. Das Training ist ja freiwillig. Der Dress: Weisses Kreuz auf rotem Grund. Zweifelsfrei die Schweizer. Der Goalieocach arbeitet intensiv mit den beiden: Schusstraining, Winkelspiel. Das ganze Programm.
Fragt einer der Chronisten den anderen: «Wer von den beiden ist eigentlich der Berra?» – «Ich weiss es auch nicht. Der Berra müsste ja grösser sein als der Genoni.» – «Ja, aber beide sind ungefähr gleich gross.» – «Dann werden das wohl der Aeschlimann und der Genoni sein.» Sandro Aeschlimann vom HC Davos ist unser 3. Torhüter. «Also wer ist dann der Genoni?» – «Vielleicht ist es an der Maske zu erkennen.» – «Ja. Aber keiner der beiden trägt eine Maske wie sonst der Genoni.» – «Seltsam.» – «Ja. Sehr seltsam.»
Und so geht das noch eine Weile hin und her. Ein Wort gibt das andere. Bis sich die Medienverantwortliche des Verbandes am Hosentelefon meldet. «Wo seid ihr? Das Training ist bald fertig und ihr könnt die Interviews machen.» – «Hier, wir schauen das Training. Warum sind eigentlich nur die beiden Goalies da?» – «Es sind doch mehr Spieler da!» – «Nein, nur zwei Goalies». – «Wo seid ihr denn?» - «Auf der Tribüne in der grossen Halle». – «Aha. Aber wir trainieren nebenan in der Trainingshalle».
Was ist hier los? Die beiden weitgereisten älteren Herren können dank ihrer langjährigen internationalen Erfahrung das Rätsel zügig lösen. Sie haben nicht den Männern zugeschaut. Sondern dem Spezialtraining der beiden Schweizer Torfrauen Saskia Maurer und Andrea Brändli. Die Schweizerinnen haben auf das Aufwärmen fürs Abendspiel gegen Finnland verzichtet. Nur die Torhüterinnen waren auf dem Eis.
Wenn das kein Beweis für die enorme, ja atemberaubende Entwicklung unseres Frauen-Hockeys ist! Zwei ältere Chronisten, weit gereist, international erfahren, halten beim Training unsere Torfrauen für Leonardo Genoni und Sandro Aeschlimann.
Selbst wenn wir berücksichtigen, dass die beiden etwas in die Jahre gekommenen Herren durch die Abfahrt auf dem Laptop vom Treiben auf dem Eis abgelenkt und durch den goldenen Triumph von Beat Feuz aufgewühlt worden sind: Bemerkenswert. Höchst bemerkenswert.
Nun mögen wir spotten: Wie Waldorf und Statler aus der Muppet Show die zwei. Aber die beiden wissen am Abend nach dem Spiel gegen Finnland nun als einzige, warum Andrea Brändli die Pucks stoppte wie eine Hockey-Göttin und uns zum 3:2-Sieg hexte. Das Spezialtraining am Vormittag hat geholfen: Die Wahrheit aus der Muppet Show.
Oder doch nicht? Das Schlusswort überlassen wir Frauen-Nationaltrainer Colin Muller: «Die zwei Torhüterinnen, die ihr gesehen habt, waren unsere Nummer zwei und drei. Nicht Andrea Brändli …»
Also doch: Waldorf und Statler.