Sport
Schweiz

Die Frage nach dem Skandal-Interview von Slawa Bykow: Warum nur, Slawa?

Der russische Eishockeyspieler Slawa Bykow, der waehrend 8 Saisons die Mannschaft des HC Gotteron anfuehrte, verabschiedet sich am Dienstag, 8. September 1998 in der Halle St. Leonard in Fribourg vor  ...
Slawa Bykow, der während acht Saisons die Mannschaft des HC Gotteron anführte, verabschiedete sich 1998 in der Halle St. Leonard in Fribourg von den Fans.archivBild: KEYSTONE
Analyse

Die Frage nach dem Skandal-Interview von Slawa Bykow: Warum nur, Slawa?

Hat Slawa Bykow (61) mit einem einzigen Interview sein Denkmal zerstört? Wie kommt einer, der seit Jahren mit unserer Kultur und unseren Werten vertraut ist, dazu, in der Sprache des Kremls zu reden? Der Versuch einer Erklärung.
10.06.2022, 19:5212.06.2022, 05:51
Folge mir
Mehr «Sport»

In einem ausführlichen Gespräch mit einem russischen Portal hat der in der Schweiz eingebürgerte ehemalige Hockey-Weltstar (mehrfacher Olympiasieger und Weltmeister) Slawa Bykow ungefiltert die russische Propaganda zum Ukraine-Krieg wiedergegeben.

Warum spricht Slawa Bykow, seit 1990 mit der Kultur und den Werten des Westens vertraut, die Sprache des Kremls? Ist Slawa Bykow eine Marionette Putins? Solche Fragen beschäftigen nicht nur jene, die ihn seit Jahren kennen und schätzen.

Wer nun Slawa Bykow in diesen Zeiten der Empörung den Bösen zuordnet und verurteilt, kann auf breiteste Zustimmung bauen. Und doch machen wir es uns mit dieser Aufteilung in Gut und Böse zu einfach, zu bequem.

Der ehemalige Weltklassespieler ist nicht einfach ein unbelehrbarer «Putin-Versteher», der mit der Nähe zum Kreml offensichtlich materiellen Nutzen anstrebt wie ein ehemaliger deutscher Kanzler. Slawa Bykow steht vielmehr für eine furchtbare Tragödie, die auf eine gewisse Art und Weise nun auch seine persönliche ist.

Wer in der offenen Gesellschaft des Westens aufgewachsen ist, unterschätzt oft die tiefgreifende Wirkung eines totalitären Staatswesens auf die Menschen, die darin aufwachsen.

Slawa Bykow ist noch im kommunistischen System der Sowjetunion gross geworden. Die meiste Zeit in Spiel und Training hat er in den militärischen Kommandostrukturen und kaserniert im Armeesportclub ZSKA Moskau unter Trainer Victor Tichonow, einem Oberst der Roten Armee, verbracht. Nach dem Wechsel im Sommer 1990 in den Westen zu Fribourg-Gottéron arbeitete er zwischen 2004 und 2015 überaus erfolgreich wieder in Russland, das auch nach der Auflösung der Sowjetunion ein Staat mit totalitären Zügen geblieben ist. Nun als Klub- und Nationaltrainer (zweimal Meister und Weltmeister).

Die beiden sowjetischen Spieler Wjatscheslaw Bykow, rechts, und Andrej Chomutow, links, posieren im Mai 1990 im Eisstadion Allmend in Bern bei einem Spiel der Eishockey-Weltmeisterschaft. (KEYSTONE/St ...
Da trug er noch das Trikot der Sowjets: Bykow (rechts) mit Teamgefährte Andrej Chomutow.Bild: KEYSTONE

Eishockey ist in Russland Nationalsport. Für die Grossen dieses Spiels ist die Nähe zu den Reichen und Mächtigen, zum Staatschef, unvermeidlich. So gut sich Slawa Bykow auch in der Schweiz integriert haben mag, so fliessend er in der Sprache Voltaires parliert, so stark ist er doch durch die russische Kultur geprägt. Eine gut tausendjährige Kultur, die noch nie eine offene, freie Gesellschaft gekannt hat.

Was die Obrigkeit als Meinung vorgibt, was das allmächtige Staatsoberhaupt sagt – in diesem Fall Wladimir Putin –, hat einen ungleich prägendere Wirkung als im freien Westen.

Slawa Bykow ist weder eine Marionette der russischen Propaganda noch ein Kriegstreiber. Aber er hat durch seine Biografie eine andere Sicht auf die schreckliche Tragödie in der Ukraine und den russischen Staat. Und er hat nicht realisiert, dass es auch in unserer offenen Gesellschaft besser sein kann, eine persönliche Sicht auf politische Vorgänge für sich zu behalten.

Darin ähnelt er in gewisser Weise seinem Freund René Fasel, einem ehemaligen politischen Titanen des Welteishockeys aus dem Lande Gottérons, den die Affinität zur Kultur Russlands und die Nähe zu den Mächtigen im Kreml und in Minsk zur Persona non grata (= unerwünschten Person) gemacht haben.

Aber das alles ändert nichts daran, dass die im Interview vertretenen Ansichten von Slawa Bykow mit unseren westlichen Werten nicht vereinbar sind.

Und jetzt du!

Was hältst du von Bykows Äusserungen? Schreib uns deine Meinung via Kommentarfunktion.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So leidet die russische Bevölkerung unter dem Ukraine-Krieg
1 / 13
So leidet die russische Bevölkerung unter dem Ukraine-Krieg
1. Rationierte Nahrungsmittel
Viele Russen decken sich aufgrund der unsicheren Lage mit größeren Mengen an Lebensmitteln ein. Zudem erklärt der Kreml, hätten einzelne Personen tonnenweise Nahrungsmittel erstanden ...
quelle: keystone / anatoly maltsev
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Arnold Schwarzeneggers Rede an das russische Volk: Die Highlights
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
169 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Marco7
10.06.2022 19:59registriert April 2019
Nein, lieber Herr Zaugg.
Es gibt für Slava Bykov keine, absolut keine Entschuldigung!
Der Mann lebt im falschen Land!
Soll er zurück in den Schoss der Diktatur und dort bleiben.
51669
Melden
Zum Kommentar
avatar
Zanzibar
10.06.2022 20:03registriert Dezember 2015
Bykow hat sich dadurch sein Denkmal zerstört. Für mich ist er keine Legende mehr.
41655
Melden
Zum Kommentar
avatar
Scrat
10.06.2022 20:14registriert Januar 2016
Er hätte einfach die Schnauze halten sollen. 🤬
38433
Melden
Zum Kommentar
169
Dringend gesucht: Ein Stürmer für Murat Yakin
Nach zwei Testspielen und null Gegentoren ist beim Nationalteam das Vertrauen in die Defensive zurück. In der Offensive sucht Trainer Murat Yakin nach Alternativen.

Es sind Worte, die erstaunen. Als Murat Yakin auf die Situation im Angriff angesprochen wird, fallen plötzlich Namen wie Haris Seferovic und Joël Monteiro. «Für Seferovic ist die Tür nicht zu», sagt der Nationaltrainer. Und zu Monteiro, dessen Einbürgerung noch nicht abgeschlossen ist, meint er: «Wir hätten ihn gerne schon jetzt dabei gehabt.»

Zur Story