Doch noch: Das Bundesstrafgericht in Bellinzona sistiert den «Sommermärchen»-Prozess, der sich um ungeklärte Geldflüsse im Vorfeld der Fussball-WM 2006 in Deutschland drehte. Mit Beschluss vom 17. März hat das Gericht unter dem Vorsitz von Sylvia Frei entschieden, das Verfahren bis zum 20. April zu sistieren.
Damit sind die Beschuldigten - drei Deutsche und ein Schweizer - voraussichtlich endgültig aus dem Schneider: Am 27. April verjähren die Vorwürfe. Denkbar ist allerdings noch, dass während des Corona-Notstandes per Notrecht die gesetzlichen Fristen aufgehoben werden und ein Rechtsstillstand verhängt wird. Dies verlangte dieser Tage etwa der Schweizerische Anwaltsverband in einem Brief an Justizministerin Karin Keller-Sutter.
In der Begründung des Sistierungsbeschlusses beruft sich das Gericht auf die von der Tessiner Regierung am 14. März verhängten Massnahmen zu Bekämpfung der Pandemie. «Sämtliche Beschuldigte sind älter als 65 und weisen teilweise einschlägige Vorerkrankungen auf. Sie gehören demnach zur Risikogruppe gemäss der zitierten Verordnung.» Den Beschuldigten könne unter diesen Umständen nicht zugemutet werden, an der Hauptverhandlung teilzunehmen.
Das Gericht tat sich schwer mit diesem Entscheid, es hatte zuvor sämtliche Anträge der Verteidiger abgewiesen, die Verhandlungsunterbruch wegen Corona verlangt hatten.
Neu kam jetzt allerdings noch dazu, dass das Gericht offensichtlich von gravierenden Mängeln der Anklage ausgeht, die von Bundesanwalt Michael Lauber und seinen Leuten eingereicht wurde.
Zum einen können die beiden beschuldigten Altfunktionäre des Deutschen-Fussballbundes (DFB), Horst Rudolf Schmidt und Theo Zwanziger, die nicht in Bellinzona aufkreuzten, nicht im Abwesenheitsverfahren beurteilt werden. Laut Gericht hatte Schmidt in Vorverfahren der Bundesanwaltschaft «keine Gelegenheit, sich in vollständiger Aktenkenntnis zu den Vorwürfen mündlich zu äussern». Was Zwanziger betreffe, «ist wiederum die Beweislage hinsichtlich der subjektiven Tatseite diffus, nachdem er die Vorwürfe bestreitet und die belastenden Aussagen Dritter (insbesondere Schmidt) teilweise mangels Konfrontation prima facie nicht verwertbar sind.» Will heissen: Die Bundesanwaltschaft hat halbbatzige, letztlich unbrauchbare Vorarbeit geleistet.
Neben Schmidt und Zwanziger ist im Verfahren noch Wolfgang Niersbach (ehemals Präsident DFB) und Urs Linsi, früherer Fifa-Generalsekretär beschuldigt.
Aber es kommt noch vernichtender für Lauber. Die vom Gericht beigezogene Disziplinarverfügung von Laubers Aufsichtsbehörde AB-BA bringe «Umstände zu Tage, die umfassende Beweisverwertungsverbote zur Folge haben könnten.» Mit anderen Worten: Mit den nicht protokollierten Geheimtreffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino haben Lauber und seine in den Verfahren beteiligten Leute den «Sommermärchen»-Prozess vermutlich ruiniert. Laubers Handlungsweise führte in der Einschätzung des Gerichts dazu, dass Beweise möglicherweise nicht verwertet werden können.
Die Zürcher Anwälte von Urs Linsi waren wie jetzt das Gericht der Ansicht, dass der Bundesanwalt das Verfahren durch seine Infantino-Treffen ruiniert hat. Die Fifa - und nicht die Bundesanwaltschaft - habe «die faktische Verfahrenshoheit» gehabt, hielten die Anwälte in einem am 16. März verschickten Rückweisungsantrag fest. Sie zitierten zudem eine Aussage der AB-BA, die in ihrer Verfügung festgehalten haben, dass den Beschuldigten wegen der rechtswidrigen Vorgehensweise der Bundesanwaltschaft die Möglichkeit fehle, «Entlastungsbeweise geltend zu machen, well sie (a) keine Kenntnisse von der Existenz dieser Akten haben und (b) auch keine Gelegenheit haben, diese einzusehen».
Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) hatte den Bundesanwalt in einem Disziplinarverfahren schwer gerügt und ihm den Lohn gekürzt. Wegen seiner nicht protokollierten Treffen mit dem Fifa-Boss, weil er wiederholt die Unwahrheit gesagt, die Aufsicht in Misskredit gebracht und weil er die Untersuchung behindert hatte. Das Bundesstrafgericht zog diese Disziplinarverfügung bei.
Den drei ehemaligen DFB-Funktionären Schmidt, Niersbach und Zwanziger wird vorgeworfen, 2005 unter Mithilfe des damaligen Fifa-Generalsekretärs Linsi 10 Millionen Franken aus der DFB-Kasse an den Unternehmer Robert Louis-Dreyfus geschleust zu haben. Damit wurde, aus nicht bekannten Gründen und laut Anklage unrechtmässig, eine Schuld von Franz Beckenbauer aus dem Jahr 2002 getilgt. Dies alles geschah im Vorfeld und im Zusammenhang mit der Fussball-WM 2006 in Deutschland, die als «Sommermärchen» in die Geschichte einging. Die Beschuldigten bestritten die Vorwürfe.
Die Hauptfigur in der Millionenschieberei, Franz Beckenbauer, musste sich gar nicht erst vor Gericht verantworten. Die Bundesanwaltschaft hatte sein Verfahren von dem der anderen abgetrennt - wegen Beckenbauers angeblich sehr schlechter Gesundheit. In seinem Fall war damit seit langem klar, dass die Vorwürfe verjähren.
Wenn die Sache jetzt wie absehbar verjährt, dann hat sich auch Infantino glatt ins eigene Fifa-Bein geschossen. Denn die Schadenersatzforderung in satter Millionenhöhe, die die Fifa als Privatklägerin offenbar an ihren ehemaligen Generalsekretär Linsi stellen will, ist damit ebenfalls vom Tisch.
Endlich wurde mal offiziell festgestellt, dass dieser Lauber einen hundsmiserablen Job macht/e.
Was braucht es noch, bis dieser Bundesanwalt entfernt wird ?
Warum wählen Sie so eine Person wieder?