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Nach Rücktrittswelle im Schweizer Ski-Lager werden Lückenfüller gesucht

Mit Didier Défago und Dominique Gisin treten zwei Grössen des Schweizer Ski Sports ab. 
Mit Didier Défago und Dominique Gisin treten zwei Grössen des Schweizer Ski Sports ab. Bild: KEYSTONE

Nach Rücktrittswelle im Schweizer Ski-Lager werden Lückenfüller gesucht

Dominique Gisin und Didier Défago – beide mit Olympia-Gold im Palmarès – werden die Schweizer Alpinen in Zukunft nicht mehr verstärken. Nach ihren Rücktritten ist das Eis für Swiss-Ski noch dünner. Bis zu den Heim-WM 2017 ist man auf wenige Einzelkönner angewiesen.
21.03.2015, 15:56
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Vor zwei Wochen in Garmisch hatte Marianne Abderhalden den Rücktritt erklärt. Hans Flatscher, der Chef-Trainer der Frauen, sprach damals mit Blick auf das Team-Gefüge von einer «Katastrophe». Heute weiss man: Er äusserte sich so drastisch, weil er schon in Garmisch Kenntnis hatte, was folgen würde – das Karrieren-Ende von Dominique Gisin. 

Die Engelbergerin hatte bereits seit dem vergangenen Sommer zum Abschied aus dem Ski-Zirkus tendiert. Flatscher hoffte vergeblich auf einen Meinungsumschwung. Mit Gisin verliert er jene Fahrerin, die in den letzten neun Jahren als einzige Schweizerin neben Lara Gut bei Grossanlässen eine Medaille holte. Der Österreicher schätzt sie als ausgewiesene Team-Playerin.

Auf die Erfolge von Doominique Gisin kann Swiss Ski nicht mehr zählen.
Auf die Erfolge von Doominique Gisin kann Swiss Ski nicht mehr zählen.Bild: KEYSTONE

Sollte die Rücktritts-Welle nicht abebben, könnte die Situation für Flatschers Equipe prekär werden. Es droht, dass auch Stimmungs-Macherin Nadja Jnglin-Kamer (28) und Fabienne Suter (30) in diesem Frühling aufhören. Jnglin-Kamer schlägt sich wie Abderhalden mit schweren Knieproblemen herum.

Bei Suter fragt sich, ob sie die resultatmässigen Tiefschläge nicht zermürbt haben. Zu einem Weitermachen könnte sie bewegen, dass sie nach nur einer Saison auf Dynastar-Ski noch Potenzial in der Material-Abstimmung sieht und dass sie sich für die WM in St. Moritz Chancen ausrechnet, weil sie dort im Weltcup bisher sechsmal in die Top 5 gefahren ist.

Die «Jetzt erst recht»-Mentalität

Wenn sich auch Jnglin-Kamer und Suter zurückziehen, dürfte bei den Schweizerinnen im Speed-Bereich für Jahre alles von Lara Gut abhängen. Hinter der eigenwilligen Tessinerin würde eine Lücke klaffen, die die Jungen noch nicht auffüllen können. Als kompetitive «Teilzeit-Sparringpartnerin» für Gut würde noch der liechtensteinische Gast Tina Weirather bleiben.

Bis es guter Nachwuchs an die Spitze schafft, wird es dauern. In der Sparte Speed spielt die Routine eine wesentliche Rolle und ist der Sprung vom Europa- in den Weltcup riesig. Auf höchstem Level sind die Strecken bedeutend anspruchsvoller. Wendy Holdener hat zwar Anfang Monat in Bansko Weltcup-Punkte im Super-G ergattert, sie soll sich aber zunächst in ihren technischen Kerngebieten festigen.

Flatscher sagt: «Schon jetzt ist klar, dass wir den bevorstehenden Aderlass nicht so rasch verkraften. Es wird Geduld gefragt sein. Wir werden in der nächsten Saison nicht das gleiche Niveau bieten können.»

Hans Flatscher fordert Geduld.
Hans Flatscher fordert Geduld.Bild: KEYSTONE

Auf die Frage, wie er weitere Rücktritte verhindern könne, antwortete er: «Jemanden überreden wollen, bringt nix. Aber wir sind aktiv geworden, möchten gewissen Athletinnen Perspektiven aufzeigen und sie von voreiligen Entscheiden abhalten.» Angst vor der Zukunft hat Flatscher nicht. Er fordert eine «Jetzt erst recht»-Mentalität. «Es müssen alle im Team aus der Reserve kommen und anpacken. Es wird sich weisen, ob wir die Eier dazu haben.»

Fordern und Fördern

Krisen-Symptome sind bei den Frauen nicht wegzudiskutieren und statistisch belegt. Vor den letzten zwei Rennen in diesem Weltcup haben Flatschers Girls erst drei Podestplätze auf dem Konto (u.a. zwei Siege von Gut). In der letzten Saison waren es 13 Podestplätze.

Sorgen machen muss man sich bei Swiss-Ski aber auch bei den Männern, weil bei ihnen die Palette an Top-Cracks ebenfalls immer schmaler wird. Glaubt man Alpin-Chef Rudi Huber, sind die Probleme erkannt. Ihm ist bewusst, dass Swiss-Ski mehr Talente wird hervorbringen müssen, um den Status halten zu können. Von Nöten seien noch professionellere Rahmenbedingungen auf allen Altersstufen.

Rudi Huber will die Rahmenbedingungen verbessern.
Rudi Huber will die Rahmenbedingungen verbessern.Bild: KEYSTONE

Wie soll das in der Praxis aussehen?

Huber spricht von Trainings-Gruppen, in denen permanent Konkurrenzkämpfe herrschen und in denen die Athleten den Leistungsgedanken verinnerlichen. Der Umfang einer Gruppe sei entscheidend, um die Qualität abzusichern. Eine Einheit könne nur vorwärts kommen, wenn das Leistungsgefälle nicht zu gross sei.

Und er habe lieber weniger Trainer-Posten und dafür sehr gute Ausbildner. Vom schlanken und effizienten norwegischen Modell, das die wenigen jungen «Perlen» herausfiltert und diese an einen nationalen Stützpunkt («Olympiatoppen») bringt, könne man viel lernen, sagt Huber - auch wenn er die Strukturen für das gleiche System hierzulande als nicht gegeben sieht.

Huber gibt zu bedenken, dass ein Talent in der Schweiz etwas gar lange durch die berufliche Ausbildung unter Druck stehe und sich erst spät um die Sport-Karriere kümmern könne. Einfach sei die Sportförderung nirgendwo, konstatiert er, nicht einmal in seinem Heimatland Österreich, bekannt als die Ski-Nation Nummer 1. Anna Fenninger sei einst in ein Loch gefallen, nachdem man sie nach erfolgreichen Junioren-WM zu früh gepusht habe. Und im Slalom-Team der Männer müsse Marcel Hirscher alle Defizite überdecken. (si/syl)

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