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Unvergessen

Marc Hottiger schiesst Italien ab und die Schweiz nahe an die WM 1994

IM HINBLICK AUF DAS ANSTEHENDE EM-QUALIFIKATIONSSPIEL ITALIEN - SCHWEIZ IN UDINE VOM SAMSTAG, 10. OKTOBER 1998, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES ARCHIVBILD ZUR VERFUEGUNG --- Das entscheidende Tor beim his ...
Der Ball schlägt hinter Gianluca Pagliuca zum 1:0 für die Schweiz ein.Bild: KEYSTONE
Unvergessen

Hottigers Knallertor versenkt Italien – die WM-Quali liegt in der Luft

1. Mai 1993: Marc Hottiger schiesst die Schweiz zum 1:0-Erfolg gegen Italien und stösst das Tor zur ersten WM-Qualifikation der Nati nach 28 Jahren weit auf. Eine Enttäuschung gibt es für ihn nach dem Spiel beim (versuchten) Leibchentausch.
01.05.2021, 00:0529.04.2021, 12:03
Reto Fehr
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Das Leben eines Nati-Fans anfangs der 1990er-Jahre ist hart. 1966 qualifizierte sich die Equipe letztmals für ein grosses Turnier und vor der WM-Qualifikation wird das Team in eine schwierige Gruppe mit Italien, Portugal und Schottland gelost. Roy Hodgson hat zwar im Sommer 1992 übernommen, aber nach dem zweiten Testspiel (0:2 gegen Bulgarien) würde wohl niemand auf eine WM-Teilnahme der Eidgenossen wetten.

Doch der Engländer formt eine schlagkräftige Truppe zusammen. In der WM-Quali wird zum Auftakt Estland 6:0 abgefertigt, dann folgt der 3:1-Erfolg gegen Schottland und im Auswärtsspiel in Cagliari führen die kleinen Schweizer bis zur 83. Minute sensationell 2:0, ehe Roberto Baggio und Stefano Eranio (91.) den Azzurri nach zwei Schnitzern der Schweizer die ganz grosse Blamage ersparen.

Die Highlights des 2:2 der Schweiz in Italien 1992.Video: YouTube/sp1873

Trotz der späten Tore wissen die Schweizer jetzt: Da geht etwas! Es folgen ein 3:0-Sieg gegen Malta und im März 1993 ein glückliches 1:1 gegen Portugal. Davon möchten wir euch dieses schöne Bild von Ciriaco Sforza und Peixe nicht vorenthalten:

1993 WM-Qualifikation Schweiz - Portugal 1:1 Sforza Peixe
Anscheinend zufrieden mit dem 1:1: Ciriaco Sforza und Peixe.Bild: getty

Das vorentscheidende Spiel

Im April übernimmt die Schweiz mit einem wenig berauschenden 2:0-Erfolg gegen Malta die Tabellenspitze mit 10 Punkten (für einen Sieg gibt es damals noch zwei Punkte). Jetzt, am 1. Mai 1993, geht es gegen Italien (8 Zähler) um einen grossen Schritt Richtung USA – oder bei einer Niederlage eher auf die gewohnte Schiene des knappen Scheiterns. Denn wenn die Schweiz verliert, müsste sie wohl zum Abschluss bei den starken Portugiesen wie auch in Schottland mindestens ein Remis holen sowie gegen Estland gewinnen, um weiter von der WM träumen zu können.

Schweiz – Italien 1:0 (0:0)
Wankdorf, Bern – 32'000 Zuschauer
Schiedsrichter: Navarrete (Sp).
Tor:
55. Hottiger 1:0.


Schweiz:
Pascolo; Hottiger, Quentin, Herr, Geiger; Bregy, Sutter, Ohrel, Sforza; Knup (76. Grassi); Chapuisat.


Italien:
Pagliuca; Mannini, Maldini, D. Baggio, Vierchowod; Bares; Fuser, Zoratto (64. Lentini), R. Baggio; Mancini (46. Di Mauro), Signori.

Bemerkung: Rote Karte:
44. D. Baggio.

32'000 Zuschauer sorgen für ein ausverkauftes Wankdorf-Stadion in Bern. Eigentlich ist alles bereit. Aber die Bilanz gegen den südlichen Nachbarn stimmt wenig positiv. In 49 Partien siegte die Schweiz zuvor nur siebenmal, letztmals 1982 in einem Test in Rom mit 1:0. Der letzte Sieg in einem Ernstkampf geht aufs Jahr 1954 zurück. Und Italien will diese Serie gerne ausbauen.

1 MAY 1993: MARC HOTTIGER OF SWITZERLAND CHALLENGES FOR THE BALL IN THE WORLD CUP QUALIFIER AGAINST ITALY. Mandatory Credit: Steve Morton/ALLSPORT
Marc Hottiger: Eigentlich gar kein grosser Goalgetter. In der Nati traf er in 63 Partien nur fünfmal.Bild: Getty Images Europe

Pagliuca wettert: «Der Schiedsrichter hat uns betrogen!»

Der Schweizer Goalie Marco Pascolo muss schon in den ersten Minuten dreimal eingreifen. Er klärt Mancinis Kopfball stark, rettet gegen Fusers Abschlussversuch und lenkt einen Freistoss von Roberto Baggio mirakulös um den Pfosten. Noch in der ersten Halbzeit hilft einmal Sforza aus und Pascolo wehrt mit dem Fuss Mancinis Schuss ab. Kurz: Die Schweiz schwimmt.

Trotzdem kann sie mit Hoffnung in die Pause gehen. Denn in der 44. Minute holt Dino Baggio im Mittelfeld Sforza von den Beinen und sieht vom spanischen Unparteiischen Antonio Martin Navarrette die Rote Karte. Goalie Gianluca Pagliuca wird nach dem Spiel reklamieren: «Der Schiedsrichter hat uns betrogen!»

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Harter Entscheid: Dino Baggio fliegt wegen dieser Attacke vom Feld.Gif: SRF

Schweizer TV verpasst Start der 2. Halbzeit

Die zweite Halbzeit bringt dann gleich mal kurz Aufregung in Schweizer Wohnzimmer. Denn das nationale TV verpasst den Wiederanpfiff wegen der Werbung. Kommentator Matthias Hüppi tobt am nächsten Tag im «Sonntagsblick»: «Unglaublich, aber wahr, wir haben die ersten zwei Minuten verpasst!»

Immerhin wird das Publikum vor dem TV bald entschädigt: In der 55. Minute kann Italien nicht wie gewünscht klären, Alain Sutter bringt den Ball zurück in den Strafraum und Marc Hottiger vollendet stilvoll mit links zur umjubelten Führung.

Das entscheidende Tor von Marc Hottiger zum 1:0-Sieg. Und nein, Offside war es deutlich nicht.Video: YouTube/1986soccerman

Bregy küsst den Rasen, Hottiger schreit herum

Die Schweiz rettet den Mini-Vorsprung über die Zeit und übersteht zum ersten Mal in der Geschichte neun Partien ohne Niederlage (6 Siege, 3 Remis). Der erste grosse Sieg der Ära Hodgson lässt die WM-Qualifikation praktisch sicher erscheinen.

Der «SonntagsBlick» titelt am Tag danach: «1:0 – Amerika wir kommen!» und weiter: «Jungs, das war euer Meisterstück! Nach dem 1:0 gegen Italien kann den Schweizern auf dem Weg zur WM zu 99 Prozent nichts mehr passieren. Die Rechnung ist auch bei Niederlagen in Schottland und Portugal einfach: 12 + 2 (gegen Estland) = Amerika.»

Torschütze Hottiger – der wohl noch immer nicht weiss, warum er so weit vorne stand – erhält vom «Blick» folgende Bewertung: «Defensiv nicht immer sicher. Dafür mit viel Dampf nach vorne. Was für ein Supertor!» Er schreit nach dem Sieg «USA! USA! Mein schönster Tag!» Der Team-Senior Georges Bregy küsst den Rasen, die Freude auf der Ehrenrunde ist grenzenlos.

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Die Schweizer feiern den Sieg gegen Italien.video: Youtube/kanal von zwölfmagahin

Das «Geburtsland der Spaghetti» weint

Während die Schweiz den Grundstein zur WM-Qualifikation legt, liegt Italien am Boden. In seinem 16. Spiel verliert Arrigo Sacchi erstmals eine Partie als «Mister» der Squadra Azzurra. Der «Sonntagsblick» spottet: «Im Kampf um die WM 1994 in den USA sitzt jetzt plötzlich das Geburtsland der Spaghetti mitten im Teig.»

Auch die italienischen Medien leiden. «Der regnerische 1. Mai, voll von schlechten Nachrichten aus aller Welt, hat den Italienern ein bitteres Fussballresultat beschert», jammert die «Gazzetta dello Sport». «Tuttosport» hat hingegen genau hingeschaut: «Der italienische Verbandspräsident hat das Stadion verärgert verlassen, hat es aber wohlweislich unterlassen, polemische Äusserungen von sich zu geben. Er sagte nur, dass die Italiener über das Mass bestraft worden seien.» Und der «Corriere della Sera» ärgert sich noch immer über die Rote Karte: «Der Generalsekretär der FIFA, Joseph Blatter, hat die Leistung von Schiedsrichter Navarrete positiv beurteilt. Der Generalsekretär der FIFA ist … Schweizer.»

Marc Hottiger zieht im WM-Qualifikationsspiel Schweiz-Italien am 1. Mai 1993 im Wankdorf-Stadion in Bern am gestuerzten italienischen Spieler Roberto Baggio vorbei. Hottiger erzielt fuer die Schweiz i ...
Superstar Roberto Baggio am Boden. Marc Hottiger (vorne) und die Schweiz überraschen Italien.Bild: KEYSTONE

Die lustige Idee mit dem Trikottausch

Im Stadionbauch übrigens sind die Schweizer Fussballer nach dem Triumph freudentaumelnd. Stéphane Chapuisat und Marc Hottiger kommen dann auch noch auf die geniale Idee, den im Jubel verpassten Trikottausch nachzuholen und klopfen an die italienische Kabinentür. Ihr Anliegen wird mit einem «Raus hier!» kommentiert und Chappi meint danach verständnislos: «Die haben die Verlierer-Dress wohl schon wieder eingepackt …» Das «Verlierer-Dress» müssen die Italiener seither nie mehr einpacken, wenn es gegen die Schweiz geht. Seit dem Coup von Bern hat die Schweiz in acht Partien gegen den vierfachen Weltmeister je viermal verloren und Remis gespielt.

In der Qualifikation für die WM 1994 holt die Schweiz in der Folge ein 1:1 in Schottland, vergibt den ersten Matchball in Portugal mit dem 0:1 zwar, sichert sich aber die WM-Fahrkarte im letzten Spiel gegen Estland mit einem souveränen 4:0 im Zürcher Hardturm-Stadion.

Marc Hottiger steht in den USA in allen vier WM-Partien über 90 Minuten im Einsatz. 1996 endet seine Nati-Karriere, 2002 beendet der Aussenverteidiger die Laufbahn in Sion. Seit 2009 ist er Technischer Direktor des Team Waadt.

Der Schweizer Fussballnationalspieler Dominique Herr, Mitte mit rotem Dress, waehrend dem WM-Qualifikationsspiel der Schweizer Fussballnationalmannschaft gegen Estland im Hardturm-Stadion in Zuerich,  ...
Geschafft: Die Schweiz besiegt Estland im letzten Quali-Spiel 4:0 und reist erstmals seit 28 Jahren wieder an eine WM-Endrunde.Bild: KEYSTONE
Unvergessen
In der Serie «Unvergessen» blicken wir jeweils am Jahrestag auf ein grosses Ereignis der Sportgeschichte zurück: Ob eine hervorragende sportliche Leistung, ein bewegendes Drama oder eine witzige Anekdote - alles ist dabei.

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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cada momento
01.05.2018 08:22registriert August 2016
Jaaaaaaa, ein riesen Spiel. Auch die WM 94 war für mich als Teenager unvergesslich. Wenn ich daran denke, welchen Stellenwert tschutte bei uns im Dorf irgendwo zwischen Baden und Aarau hatte... Aarau Schweizermeister 93, Baden immer in Kontakt mit dem Aufstieg, Bregy, Sforza und Sutter an der WM... Es gab nur ein paar Gesetze um vom Fussballplatz mit blutenden Knien nach Hause zu gehen: A Team, Knight Rider und Hausaufgaben. Hei Reto Fehr, kannst Du nicht mal eine Slideshow von unseren Spielern 94 machen? Damals und heute...
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Staedy
01.05.2018 08:06registriert Oktober 2017
Erinnere mich wie gestern. Es war klar rot und kein Offside. 90' Tollhaus Wankdorf und auf der Tribüne neben uns der damalige GC Trainer Leo Beenhaker, nach der Pause kam er nicht mehr. Am Tag darauf Taufe der Tochter. Ich sollte etwas sagen in der Kirche, war so heiser, kein Ton kam heraus. Für etwas hat man ja einen Götti bestimmt...... Die Stimmung im alten Wankdorf war grandios und auf dem Platz unsere 11 Helden, und dann ging es in die USA. Übrigens: Tolle Serie watson-Team.
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PHILIBERT
01.05.2021 10:03registriert Januar 2021
Ach was war das doch eine schöne Zeit... wir fuhlten uns auf dem Tschuttiplatz wie Weltmeister, wenn wir die Grossen nachahmten... und wir hatten damals noch bis auf's Blut 'gekämpft' und uns nicht wie Neymar auf dem Grün gewälzt....
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