Deutlicher könnte die Ausgangslage kaum sein: Der topgesetzte Rafael Nadal trifft im Achtelfinale der French Open auf die Weltnummer 25, Robin Söderling aus Schweden.
Seit seinem Paris-Debüt 2005 hatte der Spanier insgesamt 31 Matches und vier Titel gewonnen. Seit Roger Federer im Finale 2007 war es keinem Spieler in Paris mehr gelungen, Nadal auch nur einen Satz abzunehmen.
Und da steht er nun, dieser Robin Söderling. Vor einem Monat hat Nadal den Schweden in Rom noch mit 6:1 und 6:0 gedemütigt.
Doch an diesem Pfingstsonntag, drei Tage vor Nadals 23. Geburtstag läuft alles anders. Das Spiel ist über weite Strecken ausgeglichen, in vier Sätzen gibt es total nur zehn Breakchancen. Überraschenderweise bleibt Söderling in den entscheidenden Phasen gelassener und macht die wichtigen Punkte.
Nadal bekommt nie die Kontrolle über das Spiel, was hauptsächlich an der aggressiven Spielweise seines Gegner liegt. Zum Schluss stehen bei Söderling zwar 59 unerzwungene Fehler, aber auch 73 Winner. Nadal hingegen hat Mühe mit dem Power-Tennis seines Gegners, seine Schläge geraten zu kurz. Ungewohnte, leichte Fehler schleichen sich ein.
Stellvertretend für das Spiel ist ein Vorhand-Volley des Spaniers nach 3,5 Stunden. Der Ball landet im Aus, das Spiel ist entschieden. Nadal unterliegt dem krassen Aussenseiter Söderling in vier Sätzen 2:6 7:6 4:6 6:7.
Nach der Partie zeigt sich Nadal an der Pressekonferenz ziemlich gelassen:
«Ich habe heute sicher nicht mein bestes Tennis gezeigt, viel zu kurz gespielt und es ihm einfach gemacht, zu gewinnen», so Nadal. «Aber die Saison geht weiter. Ich muss diese Niederlage akzeptieren.»
Freude herrscht dafür bei Robin Söderling. «Das ist der grösste Sieg meiner Karriere», sagt der Schwede, der im Studio des französischen Fernsehens mit den Tränen kämpft.
Söderling kann den Schwung vom Triumph über den scheinbar unbesiegbaren Nadal mitnehmen, schmeisst im Viertelfinale Nikolai Dawydenko raus und setzt sich auch gegen Fernando Gonzalez durch. Nun wartet Roger Federer, welcher in seinem Halbfinal einen 1:2-Satzrückstand gegen Juan Martin del Potro gedreht hatte.
Im Final endet dann das Söderling-Märchen. Roger Federer spielt den Schweden an die Wand, holt sich den Sieg in drei Sätzen und gewinnt endlich zum ersten Mal in Roland Garros. Der Karriere-Grand-Slam des Schweizers ist perfekt, die Emotionen grenzenlos.
Nadal hat auch Jahre später noch schlechte Erinnerungen an jenen Tag im Mai 2009. Der französischen Sportzeitung «L'Equipe» gesteht er: «Die Leute wollten mich an einem Ort verlieren sehen, an dem ich lieber spiele als überall sonst. Die Leute waren nicht unbedingt auf der Seite meines Gegners, sie haben ihn nicht angetrieben. Es ging darum, dass ich verlieren sollte. Ob ich verstehe, weshalb dies passierte? Das ist Teil des Sports. Die Leute haben vielleicht manchmal genug davon, mich siegen zu sehen.»
Im Final hat Nadal dann Roger Federer die Daumen gedrückt und konnte seine Emotionen nicht mehr kontrollieren: «Ich habe geweint, als Federer 2009 in Roland Garros gewonnen hat. Ich war so gerührt, weil er es wirklich verdient hatte, dieses Turnier nach so vielen Halbfinals und Finals endlich zu gewinnen und damit die vier Grand-Slam-Turniere zu vervollständigen.»