Drei Weltmeister sind am Start der hochkarätig besetzten Tour de Romandie: Strassenweltmeister Rui Costa (Portugal), Zeitfahrweltmeister Tony Martin (Deutschland) und Nino Schurter, Weltmeister mit dem Mountainbike. An der kleineren der beiden Schweizer Rundfahrten geht für den Bündner ein Bubentraum in Erfüllung – er fährt ein «richtiges» Velorennen. Nicht irgendwo in einem Wald und beachtet bloss von wenigen Mountainbike-Fans, sondern «bei den Grossen» auf der Strasse, der am meisten beachteten Radsportdisziplin.
«Ich bin schon ein bisschen nervös», gibt Schurter in der «Sonntags Zeitung» zu. Der Grund sind Unterschiede zwischen Mountainbike- und Strassenrennen, die Aussenstehenden eher gering scheinen: Das Fahren mit einem Funkknopf im Ohr oder das Abholen von Essen und Trinken beim Teamauto.
Da machen die deutlich längeren Distanzen gegenüber einem eineinhalb Stunden langen Mountainbike-Rennen Nino Schurter schon weniger Sorgen. Vor dem Fahren in einem Feld mit 150 anderen Profis fürchte er sich ebenfalls weniger, er habe noch nie Mühe gehabt, sich durchzuschlängeln. «Und die Ellbogen weiss ich auch einzusetzen», sagt der 27-Jährige dazu.
Weshalb überhaupt der Abstecher auf die Strasse? Einerseits spricht Schurter von einem Bubentraum, einmal an der Tour de Suisse dabei sein zu können. Die grosse Landesrundfahrt wird er im Juni ebenfalls bestreiten. Zum anderen erhofft sich der Weltklasse-Mountainbiker neue Impulse für seine Karriere im Gelände.
Teamchef Thomas Frischknecht wünscht sich als Ergebnis des vermehrten Trainings auf der Strasse eine höhere Standfestigkeit in den Aufstiegen. Legende «Frischi» zeigt sich im «Sonntags Blick» davon überzeugt, dass sich sein Schützling in der Romandie in Szene setzen kann: «Nino wird sich auch auf Asphalt durchsetzen.»
Schurter bestreitet die beiden Rundfahrten in der Schweiz als «Gastfahrer» im australischen Team Orica GreenEdge, welches wie der Biker auf Scott-Velos setzt. So wird der Bündner zum temporären Teamkollegen des Thurgauer Michael Albasinis, worüber er froh ist. Ihm seien zwar alle Freiheiten zugesichert, doch «ich helfe auch gerne Albasini». Die Erwartungen an ihn bremst der Debütant, sagt, er fahre nicht auf Resultat. Doch die Form stimme.
Der Schweizer ist nicht der erste Mountainbiker, der die Disziplin wechselt. Das bekannteste Beispiel eines ehemaligen Bikers, der es auch auf der Strasse zu etwas gebracht hat, ist sicherlich Cadel Evans. Der Australier war zweimal Gesamtweltcupsieger mit dem Mountainbike und gewann auf dem Rennvelo den Weltmeistertitel 2009 und die Tour de France 2011.
«Es benötigte einige Zeit, um mich an das neue Umfeld zu gewöhnen», sagte Evans nach seinem Tour-Sieg. «Der Wechsel hat meine Karriere quasi für zwei Jahre gestoppt.» Auch Ryder Hesjedal (Sieger Giro d'Italia 2012), Peter Sagan (schon 59 Profisiege als erst 24-Jähriger) oder Jean-Christoph Péraud (Tour-9. 2011) machten sich erst im Gelände einen Namen und wechselten dann auf die Strasse.
A couple days of rest then roll on @TourDeRomandie !!
— Chris Froome (@chrisfroome) 27. April 2014
Jakob Fuglsang, als Mountainbiker U23-Weltmeister und auf der Strasse 3. der Tour de Suisse 2010, prophezeit Schurter eine harte Zeit auf den schmalen Pneus. «Nicht, dass er es nicht kann, aber es wird hart. Es könnte sein, dass die Tour de Suisse eine Art Augenöffner für ihn wird», meinte der Däne unlängst in einem Interview.
Fuglsang sagte aber auch: «Natürlich kann er ein Top-Ergebnis machen, besonders auf einer Etappe. Er kann klettern, klar, er hat die Maschine. Und wenn er in einer Ausreissergruppe ist, werden die anderen denken: ‹Who the fuck ist that guy?›»
Schurters Abstecher auf die Strasse sollen jedoch nicht den Anfang vom Ende seiner Karriere als Mountainbiker darstellen. «Ich bin und bleibe ein Biker», bekräftigt der Bündner in der «Sonntags Zeitung».
Nach Olympia-Bronze 2008 und Olympia-Silber 2012 stellen die Spiele 2016 in Rio de Janeiro sein übergeordnetes Ziel dar. Klar, dass sich Nino Schurter dort endlich die Goldmedaille holen will.