Am Mittwoch vergab die FIFA die Fussball-WM 2034 an Saudi-Arabien und ich ass im Stadion des VfB Stuttgart mit vergoldetem Besteck Rindsfilet mit schwarzem Trüffel.
Die beiden Ereignisse haben auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun, auf den zweiten aber sehr wohl. Beide stehen dafür, dass der Fussball längst nicht mehr nur ein Spiel ist, und dass es um jede Menge Geld geht.
Bei der Champions-League-Partie zwischen dem VfB und dem Schweizer Meister YB darf ich an einem Ort Gast sein, den nur ganz wenige Sportteams ihren Besuchern anbieten können: im Porsche Tunnel Club. Dieser VIP-Bereich wurde im Frühling eröffnet, im Zuge von Umbauarbeiten an der Haupttribüne der MHP Arena, dem einstigen Neckarstadion.
Was den auf Rasenhöhe angesiedelten Tunnel Club bislang einzigartig in Deutschlands Fussball-Landschaft macht, sind seine Fensterfronten. Sie ermöglichen den knapp 200 Gästen zwar keinen Blick aufs Spielfeld. Stattdessen können sie die Spieler bei ihrem Gang aufs Feld und zurück in die Kabine beobachten. Die Akteure selber sehen die Zuschauer nicht, weil die Scheiben auf ihrer Seite verspiegelt sind.
Das stellt sich dann in der Realität so heraus, wie man sich das vorstellt: Fussballer werden gewissermassen zu Zoo-Tieren. Erwachsene, vermögende Männer (und einige Frauen) kleben an den Scheiben, um mit dem Smartphone exklusive Bilder der Kicker zu schiessen. Für die meisten im Raum ist das ein sehr aufregendes Erlebnis.
Es geht um Exklusivität und darum, vor anderen mit ihr angeben zu können. Die Kosten sind für Normalsterbliche irrwitzig hoch: Für ein einzelnes Ticket werden 1200 Euro fällig.
Wer so viel Geld ausgibt, um ein Fussballspiel zu verfolgen, dem wird dafür auch jede Menge geboten. Das Catering ist auf höchstem Niveau. Gegen YB weilen Ex-Stars wie Hansi Müller und Timo Hildebrand unter den Gästen, in der Halbzeitpause gibt die VfB-Legende Guido Buchwald, ein Weltmeister von 1990, seine Einschätzungen zum Spiel ab, und nach dem Schlusspfiff analysiert der derzeit verletzte deutsche Nationalspieler Deniz Undav die Leistung seiner Kollegen beim 5:1-Sieg. Klar, dass er auch für Selfies posiert und Trikots signiert.
Natürlich ist auch der Matchbesuch als solcher aussergewöhnlich. Über eine kurze Treppe geht es aus dem Tunnel Club auf einen Tribünenplatz in allerbester Lage. Auf einen bequemen Ledersitz mit etwas höherer Lehne als bei herkömmlichen Schalensitzen – und mit integrierter Heizung für Hintern und Rücken. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt ein göttlicher Luxus. Um allfälliger Überhitzung vorzubeugen, rotieren fleissige Angestellte während der Partie mit frisch gezapftem Bier; auch Glühwein-Becher tragen sie in der Adventszeit vor sich im Bauchladen her.
Braucht man das als Zuschauer alles? Ganz sicher nicht. Obwohl ich für eine Sitzheizung im Dezember jederzeit einen Extra-Fünfliber springen lassen würde. Aber nicht im Traum käme es mir in den Sinn, eine vierstellige Summe für ein Matchticket auszugeben, vielleicht mit einem WM-Final als einzige Ausnahme.
Braucht ein Klub so ein Angebot? Da sieht die Antwort anders aus. «Was glaubt ihr, wer euch finanziert?», fragte einst Bayern-Boss Uli Hoeness, der Onkel des aktuellen Stuttgarter Trainers Sebastian Hoeness, zornig die kritischen Fans. Die Antwort gab er ihnen gleich selber: «Die Leute aus den Logen, denen wir das Geld aus der Tasche ziehen!»
In Stuttgart sollen die Einnahmen des Tunnel Clubs dabei helfen, den Stadionumbau zu bezahlen. Solange es Menschen gibt, die bereit sind, für Exklusivität eine Stange Geld hinzublättern, geht dieser Plan auf. Der VfB rechnet damit, mit seinem neuen Hospitality-Angebot drei Millionen Euro im Jahr zu verdienen.
Der Besuch erfolgte auf Einladung von Stuttgart Tourismus.