Durchhalteparolen in Brasilien nach dem WM-Aus von Neymar. In der «Folha de Sao Paulo» schreibt Kolumnist Juca Kfouri: «Neymar wird fehlen. Sehr fehlen. Aber Neymar ist nicht Gott. Genausowenig wie Lionel Messi. Und noch viel weniger als Pelé. Und ja, ohne Pelé wurden wir 1962 Weltmeister.» Die Erinnerung an den zweiten Titelgewinn der Brasilianer vor 52 Jahren lässt das ganze Volk hoffen.
Neymar war von Anfang an der grosse Superstar, der Brasilien zum sechsten Titel führen sollte. Trotz immensem Druck löste der 22-Jährige diese Herkules-Aufgabe gut. Bis zur 86. Minute im Viertelfinal gegen Kolumbien, als er nach einem Zweikampf mit Carlos Zuniga mit einer Wirbelverletzung ausfiel.
Neymar war zuvor an fünf der zehn Toren Brasiliens beteiligt. Kroatien und Kamerun schoss er im Alleingang ab, gegen Chile verwandelte er den letzten Elfmeter eiskalt. Aber jetzt ist er weg. Seine Mannschaftskollegen üben sich in Durchhalteparolen. «Er ist auch neben dem Feld wichtig für uns. Wir gewinnen den Titel für ihn», sagte Maicon. Und Hulk erklärte: «Jetzt müssen wir halt noch mehr rennen. Wir machen alles für ihn.»
Genau diesem Hulk könnte in den nächsten Partien eine entscheidende Rolle zukommen. Denn nicht nur Felipe Scolari, sondern die ganze Nation fragt sich: Wer soll Neymar ersetzen? Fred und Jo sind Strafraumstürmer und haben das Niveau des Barça-Stürmers bei weitem nicht. Hulk ist zwar auch nicht der Spielmacher wie Neymar, aber wenigstens zeigt er aufsteigende Form. Doch seine Position müsste dann ein anderer übernehmen. Gleiches gilt für Oscar.
Von der Ersatzbank aus könnte daher die Stunde von Willian schlagen. Der Chelsea-Profi kam an dieser WM bisher noch wenig zum Einsatz, aber die Position hinter den Stürmern könnte er vom aktuellen Kader wohl am besten übernehmen.
Bernard, Paulinho, Hernanes, Ramires oder Fernandinho – die bisher regelmässig im Mittelfeld zum Einsatz kamen, aber alle keinen Stammplatz beanspruchen dürfen – scheinen nicht bereit zu sein, eine so wichtige Rolle einzunehmen.
Der Superstar verletzt und keiner da, der ihn ersetzen kann. Da denkt jeder Brasilianer wie erwähnt sofort an die WM 1962. Damals reiste die Seleçao mit Pelé als grossem Star an. Doch «o rei» wurde im zweiten Gruppenspiel verletzt und fiel mit einem Muskelfaserriss aus.
Trainer Aymoré Moreira zauberte daraufhin für das entscheidende Gruppenspiel gegen Spanien – das gewinnen werden musste – Amarildo aus dem Hut. Alleine die Nomination des damals 23-Jährigen hatte für Kontroversen gesorgt. Und jetzt soll der den grossen Pelé ersetzen? Doch Amarildo überraschte alle. Er erzielte gegen Spanien in der 72. Minute den Ausgleich und köpfte sein Team in der 86. Minute mit dem 2:1-Siegestreffer in die Viertelfinals.
Zusammen mit Dribbler Garrincha führte er in der Folge Brasilien ins Endspiel, wo er nur zwei Minuten nach dem Führungstor der Tschechoslowakei den Ausgleich besorgte und damit die Wende zum 3:1-Sieg einleitete.
Nachdem die Fifa schon Gelbsperren für Finals abgeschafft hat, sollte sie auch Verletzungen ab Halbfinale verbieten #neymar #wirbelbruch
— Daniel Engel (@EngelD_Tdf) 5. Juli 2014
Amarildo ist heute 75-jährig und kritisierte die Nationalmannschaft nach den Gruppenspielen: «Es fehlt bisher ein überzeugender Sieg, das gegen Kamerun war noch keiner.» Den überzeugenden Sieg hat Amarildo noch immer nicht gesehen. Aber nach Neymars Out wurde er von «Radio ESPN» zu seiner Meinung gefragt und dem Volk Hoffnung auf ein «Zweites 1962» geben. «Wir dachten damals auch, Pelé sei nicht zu ersetzen. Aber jeder ist ersetzbar», sagte der ehemalige Star zwar brav, doch dann enttäuschte er die Hörer bitter: «Leider sehe ich heute keinen Amarildo.»
Dies sei auch ein Fehler von Scolari. Denn Amarildo glaubt, dass einzig Robinho momentan in der Lage wäre, die Rolle von Neymar zu übernehmen. Dumm nur, dass dieser bekanntlich gar nicht erst für die WM nominiert wurde.