Weggis ist zwar nicht gerade der schwüle Dschungel von Manaus, aber die Fans der Schweizer Nati kommen zum Auftakt des Trainingscamps trotzdem ordentlich ins Schwitzen. Rund 500 sind gekommen, um die Mannschaft bei der ersten Einheit in der Thermoplan-Arena zu unterstützen. Hitzfeld und sein Team verspäten sich – und so brutzeln die Anhänger erst einmal knappe 20 Minuten wartend in der Sonne.
Obwohl Pharrell Williams mit «Happy» aus den Boxen dröhnt, murren einige Fans ob der Verzögerung. Als die Mannschaft endlich den Rasen betritt, ist die schlechte Laune wie weggeblasen. Die ganz grosse Euphorie bricht noch nicht aus, aber die WM-Fahrer in spe werden mit warmem Applaus in der Innerschweiz empfangen.
Ein erster Kontrollblick zeigt: alle 23 Mann sind mit an Bord. Auch Johan Djourou hüpft wie ein junges Reh über den Platz. Noch vor acht Tagen zitterte die ganze Fussballschweiz um den HSV-Söldner, als er im Barrage-Rückspiel gegen Fürth nach einem groben Zusammenstoss bewusstlos vom Feld getragen wurde. Mittlerweile hat sich der 27-Jährige von seiner leichten Gehirnerschütterung erholt. «Alles ist gut, ich bin bei 100 Prozent», gibt der Innenverteidiger zu Protokoll.
Ebenfalls mit von der Partie sind die Sorgenkinder Valon Behrami und Tranquillo Barnetta. Behrami hatte sich mit einem Knochenriss im Zeh herumgeplagt und stand bei Napoli zuletzt Mitte April auf dem Platz. Barnetta musste bei Eintracht Frankfurt nach einem Muskelfaserriss für die letzten beiden Runden passen.
Der Ostschweizer ist dann auch der einzige Akteur, der beim ersten internen Testmatch sicherheitshalber zuschauen muss. Weil Hitzfeld im Gegensatz zu vielen anderen Nationaltrainern nur 20 Feldspieler für die Vorbereitung aufgeboten hat, reicht es ohne Barnetta nur für ein Spiel 11 gegen 10.
Beim vollzähligen Team kommen fast alle Stammkräfte zum Einsatz. Allerdings erhält Mario Gavranovic anstelle von Josip Drmic eine Bewährungschance und Johan Djourou bildet zusammen mit Philippe Senderos die Innenverteidigung. Noch ist es wohl zu früh, daraus konkrete Schlüsse zu ziehen. Aber es besteht zumindest ein Anhaltspunkt dafür, dass sich Ottmar Hitzfeld auf diesen Positionen noch nicht endgültig entschieden hat.
Great feeling today on the pitch..playing football with no pain make's me feel so happy.. #teamswiss
— Valon Behrami (@ValonBera) 26. Mai 2014
Auffällig ist, wie intensiv es beim ersten internen Kräftemessen zur Sache geht. Die Natistars schenken sich nichts und holen ihren Gegenspieler auch mal unsanft von den Beinen. Valentin Stocker erklärt: «Es herrscht ein gesunder Konkurrenzkampf, jeder will sich aufdrängen und gibt Vollgas. Das ist auch gut so. Wenn man zurückzieht, weil man Angst vor einer Verletzung hat, dann passiert es meistens erst recht.»
Die Einsatzfreude hat auch ihre Schattenseiten. Nach einem überharten Einsteigen von Gökhan Inler regt sich Valon Behrami fürchterlich auf. Die beiden Napoli-Teamkollegen sollen sich im Frühling überworfen haben. Der Grund: Inlers Berater hatte öffentlich behauptet, sein Schützling würde besser mit Behramis Konkurrent Jorginho harmonieren. Angeblich gab es daraufhin im Teambus eine Handgreiflichkeit zwischen den beiden Schweizern. Offiziell ist der Zoff mittlerweile beigelegt, aber die Anzeichen für einen Abschied von Behrami bei Napoli verdichten sich.
Nach dem Nachmittagstraining wird sich die Mannschaft für die erste Nacht ins Parkhotel Weggis zurückziehen. Ein Zimmer in der Nobelherberge kostet zwischen 400 und 1500 Franken. Die Nati-Delegation ist bis am 4. Juni zu Gast und erwartet für diesen stolzen Preis vor allem Ruhe. Besuch von Autogrammjägern ist nicht erwünscht, deshalb nehmen sich die Spieler auf dem Trainingsgelände viel Zeit für sie. Stephan Lichtsteiner erklärt: «Wichtig ist jetzt vor allem der mentale Bereich. Wir werden uns in der Freizeit entspannen, gut essen und den Kopf lüften. Die meiste Zeit verbringen wir im Zimmer. Klar wäre es schön, wenn wir auch in den Ausgang könnten, aber das liegt einfach nicht drin. Unser ganzer Fokus liegt auf der optimalen Vorbereitung. Wir haben eine starke Truppe mit mehr Selbstvertrauen und Spieler, die sich höhere Ziele setzen als je zuvor.»